Die Besserwisser.
Über alternative Fakten, Wissenschaftsskepsis und Verschwörungsdenken in der Corona-Krise
Von Eva Horn
Was macht eigentlich die Einheit einer Gesellschaft aus? Eine gemeinsame Sprache, eine geteilte Kultur, ein Glauben oder Grundwerte, die eine Mehrheit verbinden? Auch wenn sie sich sonst ziemlich uneins ist. Das Aufweichen solcher kulturellen Gemeinsamkeiten - sei es nun die eine Landessprache oder die „christlich-abendländischen Werte” - haben die Gesellschaft vielfältiger gemacht, aber auch stärker segmentiert. Aber selbst unterschiedliche Sprachen, soziale Codes, Religionszugehörigkeiten, Wertsysteme und Interessen verhindern nicht die Diskussion darüber, was man als Gesellschaft will, was man duldet und was nicht. Und was überhaupt als politisches Problem wahrgenommen und diskutiert werden kann. „Der französische Philosoph Jacques Rancière hat argumentiert, dass genau in diesem Unvernehmen Politik besteht. Sie ist nicht das Lösen von Problemen, sondern besteht im ständigen Streit darüber, was überhaupt ein Problem sei, wer mitreden darf, welche Interessen repräsentiert werden müssen. So divers und kontrovers eine Gesellschaft sein mag, muss sie doch, um überhaupt streiten zu können, eines teilen: einen Konsens darüber, was als wirklich anerkannt wird und was nicht”, schreibt Eva Horn in einem Essay der „Berliner Zeitung”, den sie für den Deutschlandfunk weiter denkt. Eva Horn, geboren 1965 in Frankfurt am Main, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie unter anderem in Bielefeld, Konstanz und Paris. Sie ist Professorin für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Wien. 2007 erschien „Der geheime Krieg. Verrat, Spionage und moderne Fiktion”. Im Herbst 2019 veröffentlichte sie ihr Buch „Anthropozän zur Einführung”.