Trost und Musik
Von Jean-Pierre Wils
Der Hörende, der sich der Musik überlässt, ist dem Strudel der Zeiten für eine Weile enthoben. Ist er ein Leidender, vermag die Musik ihn zu trösten, denn sie macht „nicht neue Worte”. Dieses Zitat findet sich in den Tagebüchern von Elias Canetti aus dem Jahre 1942, also aus düsterer Zeit, demzufolge die Musik der beste Trost sei, weil sie nicht neue Worte macht. Und er fährt fort: „Selbst wenn sie zu Worten gesetzt ist, überwiegt ihre eigene Magie und löscht die Gefahr der Worte. Am reinsten ist sie aber doch, wenn sie für sich spielt.” Wenige Jahre zuvor, in seinen Erinnerungen aus 1936, formuliert Igor Strawinsky einen Gedanken, der in eine ähnliche Richtung weist: „Die Musik”, so Strawinsky, „ist der einzige Bereich, in dem der Mensch die Gegenwart realisiert.” Die Musik schaffe es, „die Zeit stillstehen zu lassen”. Scheinbar sind die beiden - die Musik und der Trost - Geschwister im Geiste. Sollte, wer Trost finden will, ihn bei der Musik suchen? Ein passionierter Essay, dessen Motto heißen müsste: Von der Musik lernen, heißt trösten lernen.