Das Fortschreiten der Liebe
Eine Lange Nacht über die kanadische Schriftstellerin Alice Munro
Von Daniela Herzberg und Anne Ipsen
Regie: Daniela Herzberg
(Wdh. v. 9./10.7.2011)
„Es gibt kaum ein größeres Vergnügen für eine Schriftstellerin als sich eine eigene Stadt zu erfinden, ihre Muster zu entdecken, all diese Leben und Straßen, versteckten Räume und Geschichten.“ (Munro,1974) Alice Munro kam 1931 im kanadischen 3000-Seelen-Städtchen Wingham zur Welt, am falschen Flussufer, wo illegal mit Alkohol gehandelt wurde und Kinder und Erwachsene gefährliche Kämpfe austrugen. Auch alle späteren Stationen ihres Lebens - das Stummwerden in der Hausfrauenrolle, das Aufatmen und die Glücksuche der siebziger Jahre, Selbstbehauptung, Abschiede und Alter - hat sie kühn und mitfühlend in Short Stories beschrieben und dabei eine Geschichte der Gefühlslagen und Lebensumbrüche im zwanzigsten Jahrhundert geschaffen, auch eine Chronik der Aufbrüche von Frauen. Mit archäologischer Lust und Präzision verfolgt sie Familiengeschichten bis in die Zeit der ersten weißen Siedler in Kanada zurück. Fast immer geht es ihr dabei um Liebe, ihre Formen, Verwandlungen, ihren Verlust und ihr Fortwirken. Schriftstellerkollegen bewundern Alice Munro als Meisterin der kurzen Form. In der "Langen Nacht" durchstreifen wir die Straßen von Munros Imagination. Es gibt kaum ein größeres Vergnügen, als die Handlungsreisenden, Schlachter, Bibliothekarinnen, verkrachten Ehepaare und trotzigen Kinder in den Hinterzimmern kennen zu lernen. Alice Munro, die 2013 den Literaturnobelpreis erhalten hatte, ist am Montag im Alter von 92 Jahren gestorben.