Kritik im Zeitalter der Digitalisierung
Zum Verhältnis von Künsten und Medien
Von Mercedes Bunz und Corina Caduff
Kulturrezeption findet im Internet statt, jeder hat eine Stimme, auch der Laie ist ein eigenmächtig auftretender Rezipient. In der Praxis der Kritik spielen numerische Bewertungssysteme und die von Suchmaschinen angelegte Logik eine große Rolle. „Der zeitgenössische Kulturpublizist tritt als Diskursproduzent und als Weitererzähler flüchtiger Wahrnehmung auf“, schreibt Ruedi Widmer im Buch ,Laienherrschaft’ im Jahr 2014, oder einfach nur als subjektiver Leser mit Meinung. Eine etablierte Autorität der Meinung über Literatur, Musik, Kunst existiert nicht mehr, jedenfalls nicht mehr allein. Geltung ist relativ, je nach Filter oder Blase. Die Geschichte der Medien im Sinne der Eigenlogik medialer Hardware wurde von Friedrich Kittler als prägend für die Diskursgeschichte beschrieben. Inspiriert davon lassen sich vergangene und gegenwärtige Kritikverständnisse vor dem Hintergrund der Digitalisierung beschreiben: als eine in der Software von Suchmaschinen angelegte Logik, welche die Praxis der Kritik im Zeitalter der Digitalisierung als eine heitere oder affirmative besonders stark beeinflusst, schreibt Mercedes Bunz in ihrem Essay. Aufmerksamkeit ist in der Mediengesellschaft eine omnipräsente und zugleich bedrohte Ressource, um die heute hart gerungen wird. Im künstlerischen Bereich ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung seit jeher zentral: Künstlerinnen und Künstler schreiben sich in der Regel mit Leib und Seele in ihre Werke ein und identifizieren sich stark mit diesen, was einen hohen Bedarf nach anerkennenden Worten mit sich bringt. Das digitale Medienzeitalter hat nun aber numerische Bewertungssysteme sowie Rankings ohne Ende hervorgebracht, die das inhaltliche Argument ersetzen. Dieser mediale Umbruch stellt das künstlerische Bewusstsein vor neue Herausforderungen, stellt Corina Caduff in ihrem Essay dar.
Mercedes Bunz, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin, schreibt über das Internet und Digitale Medien. Sie war u.a. tätig für Tagesspiegel, Spiegel Online, DeBug, Telepolis, Guardian u.a. Seit 2018 ist sie Senior Lecturer in Digital Societies am King’s College London.
Corina Caduff, Vizerektorin sowie Literatur- und Kulturwissenschaftlerin an der Hochschule der Künste Bern. Neben Regie- und Dramaturgieassistenzen am Theater war sie Redakteurin bei Radio DRS 2, Gastprofessorin, Privatdozentin und Gastwissenschaftlerin u.a. in Zürich, Berlin, Wien.