Perfektionistin mit erotischer Stimme
Die Mezzo-Sopranistin Christa Ludwig (*1928)
Von Kirsten Liese
Mit der Rolle der Suchenden, zum Beispiel in Gestalt der Kundry oder des Erzählers von Schuberts ,Winterreise’, konnte sich Christa Ludwig am besten identifizieren. Der Text inspirierte sie dabei stärker als die Musik. Ihre packenden Ausdeutungen umfassten keineswegs nur alle großen Rollen des Mezzo-Fachs, sondern auch so manche hoch anspruchsvolle Sopranpartien wie die Leonore im ,Fidelio’, die Färberin in der ,Frau ohne Schatten’ und die Marschallin im ,Rosenkavalier’. Sogar die Isolde und Brünnhilde hätte die Berlinerin um ein Haar gesungen. Ihre wichtigsten drei Dirigenten Karl Böhm, Herbert von Karajan und Leonard Bernstein, der sie als simply the best würdigte, wollten sie in dieser hochdramatischen Partie besetzen. Angesichts einer schweren stimmlichen Krise Mitte der 60er-Jahre war Ludwig allerdings gut beraten, von diesem Plan rechtzeitig wieder Abstand zu nehmen und sich auf die großen Bühnenfiguren ihres Fachs zu konzentrieren, mit denen sie Maßstäbe setzte: Amneris, Eboli, Carmen, Kundry, Fricka und Ortrud. 1994 verabschiedete sich eine der besten Mezzo-Sopranistinnen ihrer Zeit als Klytämnestra in Strauss’ ,Elektra’ von ihrem Publikum. Am 16. März wird Christa Ludwig 90 Jahre alt.