Marion Poschmann liest aus ihrem Gedichtband: "Geliehene Landschaften" (1/2)
(2. Lesung am 11.5.16)
Marion Poschmann ist die bekannteste Unbekannte in der deutschen Literatur dieser Jahre. Wer ihre Romane, Gedichte und Essays kennt, schätzt sie, aber doch bleibt es ruhig um die 1969 in Essen geborene Autorin, die Germanistik und Slawistik studierte und heute in Berlin lebt. Für ihre Prosa und Lyrik wurde sie vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den vom Deutschlandfunk vergebenen Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2013.
»Geliehene Landschaft« heißt ein traditionelles Stilelement in der ostasiatischen Gartenkunst. Eine Szenerie außerhalb der Gartenanlage, oft ein Berg oder ein imposantes Gebäude, wird bewusst in die Gestaltung mit einbezogen. Ein kleiner Raum öffnet sich so ins Weite und steigert seine Pracht. Nicht anders verfahren Marion Poschmanns Gedichte. Jeder Stadtpark kann als Jenseitslandschaft gelesen, jede öffentliche Grünfläche auf ihr utopisches Potential hin untersucht werden. Marion Poschmann leiht sich einen Lunapark in den USA oder ein Stück der finnischen Taiga und geht den spirituellen Sehnsüchten und politischen Implikationen nach, die in diesen Landschaften zum Ausdruck kommen. Ihre Gedichte reflektieren - teils in der Adaption klassischer Formen wie dem Lehrgedicht, der Elegie oder dem japanischen No-Spiel -, wie jede Landschaft als ästhetisches Konstrukt auftritt, und sie zeigen die schöpferische Kraft der Sprache und der Natur. Marion Poschmann gibt Auskunft über ihr Schreiben und liest selbst Gedichte aus "Geliehene Landschaften".