Das Potenzial von Teeküche und Kantine
Die Philosophin und Sozialwissenschaftlerin Lisa Herzog im Gespräch mit Sibylle Salewski über eine politische Theorie des Wissens
Seit jeher beschäftigen sich Philosophen mit der Frage, wie wir zu Wissen gelangen, und Politikwissenschaftler versuchen zu ergründen, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte. Die Professorin für Politische Philosophie und Theorie Lisa Herzog verbindet beides miteinander. Der Zugang zu Wissen ist eine Frage der Gerechtigkeit. Um mitentscheiden zu können, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, um an demokratischen Prozessen teilnehmen zu können, müssen wir wissen, was wahr ist und was nicht. Doch Wissen wird heute anders gewonnen und verbreitet, als noch vor wenigen Jahren: Jeder kann im Netz publizieren, Inhalte werden in Echtzeit weltweit verbreitet, durch Computeralgorithmen gewonnene Erkenntnisse führen nicht nur zu personalisierten Newsfeeds oder Film-Vorschlägen, sie werden auch zunehmend dafür eingesetzt zu entscheiden, wer kreditwürdig ist, welche medizinische Diagnose ein Arzt stellt oder wo verstärkte Polizeikontrollen stattfinden sollten.
Diese neuen Formen von Wissen zu gewinnen und zu verbreiten, zwingen uns dazu, das Verhältnis von Politik und Wahrheit neu zu denken. Im digitalen Zeitalter lässt sich Wissen auf ganz neue Arten verschleiern und manipulieren. Diese Prozesse haben bei den jüngsten Wellen des Populismus eine große Rolle gespielt, vom Brexit über den Aufstieg der AfD bis hin zur Wahl Donald Trumps. Lisa Herzog entwirft eine politische Theorie des Wissens, in der es um die Frage geht, wie Wahrheit und moralische Entscheidungsprozesse im Zeitalter der Digitalisierung zusammenspielen. Lisa Herzog ist Philosophin und Sozialwissenschaftlerin. Sie hat die Professur für Politische Philosophie und Theorie an der Hochschule für Politik München inne. In Kürze erscheint ihr Buch ,Reclaiming the System. Moral Responsibility, Divided Labor, and the Role of Organizations in Society’ bei Oxford University Press.