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Solidarität statt Einsamkeit

Den ganzen Tag in der Bibliothek verbringen und am eigenen Thema herumdoktern: Eine Promotion kann ziemlich einsam machen. Es geht aber auch anders. Einige Unis verpflichten ihre Doktoranden, Seminare zu besuchen. Der soziale Kontakt tut ihnen gut.

Von Tobias Krone | 12.05.2018
    Ein Student lernt am 06.12.2017 in Stuttgart (Baden-Württemberg) in der Bibliothek der Universität Hohenheim.
    Der Alltag eines Doktoranden kann sehr einsam sein (picture alliance / dpa / Sina Schuldt)
    Montagabend im Restaurant des Münchner Literaturhauses. Eine Handvoll Männer und Frauen sitzen zusammen am Tisch – und stecken die Köpfe zusammen. Heute Abend haben sie ihre Theoriebücher gegen die Getränkekarte eingetauscht. Einmal im Monat ist Promovierendenstammtisch. Für Hendrik Schnitzer, 33, Hornbrille, ordentliche Frisur, sind die Abende eine willkommene Abwechslung.
    Er hat festgestellt, "dass es eine Zeit der Einsamkeit ist, die Promotion, und natürlich irgendein Austausch oder ein weiterer Austausch mit Menschen in dieser Phase nur gut sein kann, irgendwie."
    Hendrik Schnitzer promoviert an der Ludwig-Maximilians-Universität im Fach Philosophie.
    "Der offizielle Arbeitstitel heißt "Das Realismus- und Antirealismusproblem in der philosophischen Interpretation ökonomischer Theorien. Im Grunde Grundlagenreflexion für wirtschaftswissenschaftliche Theorien zu machen. Darum geht es."
    Promotion auf eigene Faust
    Realismus in wirtschaftlichen Fragen, das beschäftigt ihn auch in seiner eigenen Lebenssituation. Hendrik Schnitzer promoviert auf eigene Faust. An eine bezahlte Stelle am Institut ist nicht zu denken.
    "Das ist grundsätzlich im Fach Philosophie sehr schwierig, dass es nur eine sehr, sehr schmale Anzahl von festen Stellen gibt. Zum Beispiel die beiden an meinem Lehrstuhl, die diese festen Stellen haben, sind keine Doktoranden, sondern sind schon lange Doktor. Von daher ist das ziemlich schwierig, wenn man kein Stipendium hat, sich über die rein universitäre Einstellung zu finanzieren."
    Noch finanzieren die Eltern die Promotion. Hendrik Schnitzer hofft darauf, dass Ende dieses Monats ein positiver Förderbescheid von der Studienstiftung des Deutschen Volkes kommt. Denn ewig will er nicht von seinen Eltern abhängig sein.
    "Also ich bin permanent unzufrieden mit dem Pensum an Arbeit, was ich sozusagen geleistet habe und wollte eigentlich insgesamt in drei Jahren fertig sein, das hatte ich zumindest so gesagt. Und ich denke momentan, dass das vier werden."
    Eintöniger Alltag
    Der Alltag in der Doktoranden-Einsamkeit, er kann eintönig sein.
    "Und das läuft dann halt so ab, ich gehe in die Bibliothek, hänge den ganzen Tag in der Bibliothek rum und gehe dann irgendwann abends nach Hause – und tue da irgendwas."
    Dass dabei etwas abhandengekommen ist, merkt der Philosophie-Doktorand erst, seit er wieder freiwillig Uni-Seminare besucht.
    "Ich wollte es eigentlich nicht. Ich dachte, ich fokussiere mich nur auf meine Promotion und besuche jetzt keine Seminare. Was bringt es mir, sozusagen, so als wäre ich ein normaler Student. Merke aber, dass ich, als ich jemals in den zwei Seminaren war, ich sehr viel mehr das Gefühl habe von Tagesstruktur, das ich sonst die letzten zwei Jahre über größtenteils ziemlich vermisst habe."
    Ganz anders promoviert Ulrich Obermair. Der Jungunternehmer hat an der Technischen Hochschule München studiert.
    "Ursprünglich bin ich Wirtschaftsingenieur und in der Dissertationsfindung sozusagen geht’s um die Thematik der Regionalökonomie, da geht’s um regionale Grundstücksmärkte, was jetzt die Planung der Arbeit ist."
    Österreich hat Pflichtseminare für Doktoranten
    Wegen seines FH-Studienabschlusses war eine Promotion in Volkswirtschaftslehre für ihn nur an der Uni Salzburg möglich. In Österreich gibt es das Doktoratsstudium. Mit Pflichtseminaren, ähnlich einer Graduiertenschule in Deutschland.
    "Das ist strukturiert im Endeffekt wie ein PhD-Programm in den anglikanischen Ländern.
    Anstatt allein in der Bibliothek zu sitzen, wird ihm der Kontakt zu anderen gewissermaßen verordnet.
    "Es ist jetzt vielleicht durch meine Person begründet, dass ich auch in meinem Studium gesehen habe, sehr erfolgreich zu sein mit Solidarität von Mitstudenten zum Beispiel."
    Solidarität statt Einsamkeit. Für Ulrich Obermair ist die Promotion im Kollektiv der richtige Weg.