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Propaganda im DDR-Fernsehen
Vor 60 Jahren startete "Der schwarze Kanal"

Am 21. März 1960 wurde zum ersten Mal "Der schwarze Kanal" ausgestrahlt - eine Sendung des DDR-Fernsehens, die sich kritisch mit der Berichterstattung der Westmedien auseinandersetzten wollte. In erster Linie war die Sendung allerdings Propaganda im Sinne der SED.

Von Brigitte Baetz | 19.03.2020
Ein Besucher des DDR-Museums blickt auf einen Fernseher in dem die Sendung "Der Schwarze Kanal" mit dessen Moderator Karl-Eduard von Schnitzler läuft.
Adeliger Propagandist des "Arbeiter- und Bauernstaates": Karl-Eduard von Schnitzler, Chefkommentator des DDR-Fernsehens (Imago / Bernd Friedel)
Verzerrte Antennen- und Morsegeräusche, ein stilisierter Bundesadler mit den Farben des Deutschen Kaiserreiches, dazu das verfremdete Motiv des Deutschlandliedes - der Vorspann zu "Der schwarzen Kanal" gab die Richtung schon vor: die Medien der BRD sollten unter die Lupe genommen werden.
"Guten Abend, meine Damen und Herren", so begrüßte Karl-Eduard von Schnitzler von da an 29 Jahre lang Montag für Montag die DDR-Bürger - nicht ohne sie auch regelmäßig darauf hinzuweisen, welchen Sinn diese Sendung haben sollte. Nämlich:
"Am naheliegenden Beispiel des BRD-Fernsehens die Methoden kapitalistischer Massenmedien zu entlarven: Verbiegen oder Verschweigen der Wahrheit, Vertuschung oder Tarnung von Tatbeständen, Fälschungen, Verleumdungen, Eingeständnisse - kurz die ganze Skala der Manipulierung, wie sie unter dem Missbrauch von Rede- und Meinungsfreiheit und der Freizügigkeit für Informationen oder auch durch emsiges Saugen an den Fingerspitzen betrieben wird."
Das Westfernsehen als Gegner
Die Machart der Sendung war eine dialektische. Ausschnitte aus ARD und ZDF wurden gezeigt und dann von Karl-Eduard von Schnitzler im Sinne der SED-Parteilinie kommentiert - mit großer Lust an Polemik und manchmal auch mit Hass - hier zum Beispiel gegenüber dem Publizisten Wolfgang Leonhard, einem ehemaligen Kommunisten und gern gesehenem Gast in Werner Höfers ARD-Sendung "Frühschoppen":
"So was gibt sich angeberisch als 'Ostexperte' aus. Dieser hergelaufene Lump, der einst die DDR und alles, was ihn gefördert hat, verriet, der heute Adenauers Politik mit unverdauten oder gefälschten Lenin-Zitaten verteidigt und der den gutgläubigen westdeutschen und West-Berliner Fernsehzuschauern von Herrn Höfer als größtem Fachmann für Ostprobleme angepriesen wird."
Eingespielt wird daraufhin ein Ausschnitt aus dem "Frühschoppen", in dem Moderator Höfer seinen Gast Wolfgang Leonhard vorstellt: "Er kennt von uns allen hier am Tisch wahrscheinlich die Welt des Ostens am gründlichsten, nämlich von innen."
ARD-Experten wurden diskreditiert
Karl-Eduard Von Schnitzlers flapsiger Kommentar dazu: "Na dann, gute Nacht, wenn so ein kleiner intellektueller Hochstapler in dieser ohnehin schon simplen Runde am meisten weiß."
Ein wenig war die Sendung "Der schwarze Kanal" auch die Rache des überzeugten Kommunisten von Schnitzler an seiner Herkunft, nicht nur der adeligen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er kurze Zeit in Köln Leiter des Ressorts Politik des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks, bis er von Hugh Carlton Greene, dem britischen Ziehvater des bundesdeutschen Nachkriegsrundfunks, wegen seiner kommunistischen Kommentare geschasst wurde. In der DDR hingegen machte er schnell Karriere.
"Unser Studiogast heute, bekannt, geschätzt, nicht bei allen beliebt. Von Anfang an dabei in einem Betrieb, der die Aufgabe hat, Millionen zu informieren und zu unterhalten. Dem Zuschauer vertraut durch die Sendung 'Der schwarze Kanal'. Heute bei uns der populäre Journalist, der Chefkommentator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler.
Oberster Propagandist blieb DDR-Bürgern fremd
Beliebt war er wirklich nicht bei allen - was auch sein Spitzname Sudel-Ede bewies. Der oberste Propagandist der DDR blieb ihren Bürgern eher fremd. Das lag auch daran, dass sein teurer Lebensstil inklusive regelmäßigen Ausflügen nach Westberlin nicht gerade dem Ideal des Arbeiter- und Bauernstaates entsprach. Und das erfuhren viele DDR-Bürger ausgerechnet aus Westmedien.
Am Ende war es aber nicht der Klassenfeind, sondern das DDR-Fernsehen, das Karl-Eduard von Schnitzler im Oktober 1989 aus dem Programm nahm. Mit der Auflösung des Ostblocks war seine Sendung endgültig aus der Zeit gefallen. Doch er selbst blieb seinen Überzeugungen bis zum Schluss treu.

"Der Revanchismus bleibt uns erhalten. Der Klassenkampf geht weiter. Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: Auf Wiederschaun!"