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Protest gegen den Pestizid-Aktionsplan

Der Pestizid-Aktionsplan des Bundeslandwirtschaftsministerium sollte eigentlich für Frieden im Streit um die Wirkung von Pestiziden in der Landwirtschaft sorgen. Doch Industrie und Landwirte auf der einen und Umweltverbände auf der anderen Seite sind weiterhin gespalten.

Von Philip Banse | 25.11.2011
    Die EU möchte, dass die Mitgliedstaaten genauer festlegen, wie sie Pestizide zulassen und einsetzen. Wie das geschehen soll, hat die EU in einer Pestizidrichtlinie festgelegt, die nun in deutsche Gesetze gegossen werden muss. Deshalb hat die Regierung jetzt ein neues Pflanzenschutzgesetz vorgelegt, das im Dezember vom Bundesrat verabschiedet werden soll. In diesem Gesetz ist – wie von der EU – verlangt festgeschrieben, dass ein Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutz erarbeitet wird.

    Dieses Papier macht dann eine Bestandsaufnahme des Pestizideinsatzes in Deutschland und soll genau festlegen, wie dieser Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbessert werden kann: Wie können Rückstände in Wasser und Nahrungsmitteln verringert werden? Wie können Lebensräume für Tiere erhalten bleiben. Dieser Aktionsplan soll von allen beteiligten Gruppen erarbeitet werden. Agrarindustrie, Ministerien und Umweltgruppen schreiben also seit Monaten an diesem Plan. Doch nun, kurz bevor eine neue Fassung des Aktionsplans erstellt werden soll, stellt das Landwirtschaftsministerium eben dieses neue Pflanzenschutzgesetz vor. Und da ist Umweltschutzverbänden, Imkern und der Wasserwirtschaft der Kragen geplatzt.

    "In diesem neuen Gesetz sind maßgebliche Punkte, die wir immer wieder eingefordert haben, unter den Tisch gefallen. Wir lassen uns nicht als ökologisches Feigenblatt in einem untergesetzlichen Gremium wie diesem Aktionsplan Pflanzenschutz missbrauchen. Wir halten es für Zeitverschwendung, sich in diesem Gremium weiter in die Diskussion mit einzubringen."

    sagt Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland. Zwar lege das Landwirtschaftsministerium jetzt nur ein neues Pflanzenschutzgesetz vor und rede in den Aktionsplan eigentlich nicht rein:

    "Aber der Aktionsplan hat unter dem Strich eben nur so viel Durchsetzungskraft, wie er auch den Rückenwind aus dem Gesetz erhält. Und wenn das Gesetz schwach ist, dann kann der Aktionsplan das an der Stelle nicht kompensieren."

    Umweltverbände und Wasserwirtschaft kritisieren, dass das neue Pflanzenschutzgesetz allein den Interessen der Landwirtschaft diene, Anliegen des Umweltschutzes aber unter den Tisch fallen lasse. So müsse im Gesetz festgeschrieben werden, dass Pestizide nur in einem Abstand von zehn Metern zu Gewässern eingesetzt werden dürfen. Das Landwirtschaftsministerium entgegnet: Der Abstand zu Gewässern werde bei der Zulassung für jedes Pflanzensschutzmittels festgelegt. Außerdem erlaube das Pflanzenschutzgesetz den Ländern, solche Sicherheitsabstände zu Gewässern festzulegen. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BdEW), Martin Weyand, vermisst auch konkrete Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel in Gewässern:

    "Wir hätten gern einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm je Liter konkret verankert. Und wenn wir erkennen sollten, dass dieser Wert zu 75 Prozent erreicht ist, sollten Trendumkehrmaßnahmen umgesetzt werden, die diesen Wert im Trink- oder Grundwasser weiter vermindern."

    Der Lobbyist der deutschen Wasserwirtschaft sieht im neuen Pflanzenschutzgesetz sogar Rückschritte. Pflanzenschutzmittel würden EU-weit zugelassen, sagt Martin Weynand vom BdEW. Heute aber habe etwa das deutsche Umweltbundesamt die Möglichkeit, gegen eine Zulassung etwa aus Rumänien Einspruch zu erheben. Das könne dazu führen, dass das Pflanzenschutzmittel in Deutschland nicht zugelassen werde:

    "Jetzt sehen wir die Entwicklung, dass das zurück geschraubt wird, dass es konzertierte Verfahren gibt, dass die Umweltbehörde hier nicht mehr die Möglichkeit hat, hier einzugreifen. Das ist ein eklatanter Rückschritt: In Deutschland verwendete Pflanzenschutzmittel können und Rumänien und Bulgarien zugelassen werden und hier ist niemand, der aus umweltpolitischer Sicht die die strenge Hand drauf hat, um schauen, ob da nicht doch Gefahren für Mensch und Umwelt entstehen."

    Ein Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte: "Das kann ich mir nicht vorstellen." Ihre Fachabteilung hätte gesagt, an der Zulassung für Deutschland würden auch in Zukunft die gleichen drei Behörden beteiligt sein wie heute. Das entkräftet jedoch nicht den Vorwurf des BdEW, dass diese Behörden weniger Macht bei der Zulassung haben werden.