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Protest gegen Uranabbau am Sharbot Lake

Kanada produzierte im vergangenen Jahr ein Viertel des weltweit angebotenen Urans. Doch die Förderung schädigt die Natur. Wegen weiterer Abbaupläne halten seit Ende Juni in der Provinz Ontario nahe des Sharbot Lake indigene und weiße Anwohner in seltener Solidarität eine Uranmine besetzt.

Von Maren Molthan | 12.09.2007
    Die staubige Einfahrt zur Mine hat sich in eine Diskussionsrunde verwandelt: Studenten, Anwohner, die Kinder der Besetzer, spirituelle Ältere der Algonquins. Manche sitzen auf Campingstühlen, andere stehen, während sie die Situation diskutieren. Donna Dillman von der frisch gegründeten Initiative gegen Uran-Tagebau (CCAMU) hat ungefähr 5000 Unterschriften gesammelt:

    "Die Besetzer harren aus, während wir zu unseren Jobs zurückkehren. Wir schätzen die Leute hinter der Absperrung daher sehr. Dies alles ist sehr nahe an meinem Zuhause. Ich finde jedoch, dass wir Uran nirgendwo auf der Erde abbauen sollten. Wir müssen aussteigen und als Gesellschaft, Staat und Welt unseren Energiebedarf zurückschrauben."

    Ontarios Durchschnittshaushalt verbraucht doppelt so viel Energie wie der Kaliforniens, das den niedrigsten Konsum in den Vereinigten Staaten aufweist. Uran kann für Atomkraftwerke und Atomwaffen verarbeitet werden, aber Kanada hat bereits schlechte Erfahrungen mit dem Uranabbau gemacht. Im ebenfalls ontarioschen Elliotlake, 400 Kilometer nördlich von Detroit am Nordufer des Huronensees, hatte Radioaktivität und ätzender Schlamm jahrelang alles Leben im nahen Serpent River abgetötet. Dave Martin koordiniert Energiebelange für Greenpeace Kanada und hat damals mitgeholfen, die radioaktiven Bestandteile aus Fluss und See zu binden und teilweise zu entfernen:

    "Das größte Problem sind die Kuhlen mit dem feingemahlenen, anfänglich flüssigen Abfall, nachdem das Uranerz aufgeschlossen ist. Typischerweise sind das 85 bis 99 Prozent des ursprünglichen Erzes. Fast alle aufgelassenen Uran-Abfallschlämme beinhalten große Mengen Säure, was ein weiteres, riesiges Umweltproblem darstellt wie bei vielen anderen aufgelassenen Minen. Nur das Einzigartige an Uran ist seine Radioaktivität. Seine Zerfallsprodukte sind stark radioaktives Radium und ein geruch- und farbloses Gas, Radon, das schnell zerfällt, jedoch auch kontinuierlich und in großen Mengen produziert wird und in manchen Fällen Hunderte von Kilometern weiter getragen werden kann."

    Die kanadischen Medien kritisieren außerdem, dass Randy Cota, ein Polizist und früherer Chief der Ardoch Algonquin First Nation, nach Beginn der Besetzung ins Hunderte von Kilometern entfernte Orillia versetzt worden ist. John Beck jedoch, Top-Manager einer der größten Baufirmen, die auf Kernkraftwerke spezialisiert ist, wurde Mitte August zum Chairman der Ontario Power Authority gewählt. Die Energiebehörde veröffentlichte kürzlich Empfehlungen für die Provinz, 40 Milliarden Dollar für die Modernisierung der Energieversorgung zu verbuchen, AKW-Neubau eingeschlossen.

    Obwohl vereinzelt von Polizei eingeschüchtert, bringen Nachbarn Lebensmittel, Trinkwasser, Kochgeräte und warme Decken. Einzelne Anrainer wollten sogar ihr Land den Algonquins überschreiben, um es besser vor der Bergbaufirma Frontenac Ventures zu schützen. Doreen Davis ist die gewählte Anführerin der Shabot Obaadjiwan Nation. Sie hat kurzes, graues Haar und trägt anlässlich eines nahe gelegenen Powwows ein traditionelles Leder-Outfit:

    "Wir haben dieses Land niemals in Krieg verloren, niemals aufgegeben, niemals an die Regierungen abgetreten. Die königliche Anordnung von 1763 bestätigt dies, und deshalb stehen wir heute hier. Es existiert keine einzige Unterschrift, dass wir fast vier Millionen Hektar des Ottawa-Tals aufgegeben haben."

    Vom Uranabbau sind ungefähr drei Prozent dieser Fläche betroffen. Der Ontario Mining Act gibt Bergbau-Unternehmen jedoch das Recht auf Zugang zu Rohstoffvorkommen nicht nur auf öffentlichem Land, sondern sogar wenn der Boden in privater Hand ist. Deshalb hat das Unternehmen Frontenac Ventures die Algonquins auf 77 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt. Und da ein Gericht entschieden hat, dass die Demonstranten das Minengelände verlassen müssen, sind Festnahmen jederzeit möglich, vier Wochen vor der Wahl in Ontario jedoch nicht wahrscheinlich.