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Protestantische Fürsten gegen Kaiser

Ursprünglich sollte das Bündnis nur die Konfessionsfreiheit am Beginn der Reformationszeit sichern. Aber dann wurde es zu einem der wichtigsten deutschen Bündnisse der frühen Neuzeit: der Schmalkaldische Bund, benannt nach der thüringischen Stadt Schmalkalden. Heute vor 475 Jahren wurde der Schmalkaldische Bund gegründet.

Von Christian Berndt | 27.02.2006
    Im Februar 1537 feiert man den glanzvollsten Bundestag seiner Art. Der Schmalkaldische Bund steht im Zenit seiner Macht. Nicht nur Dutzende Fürsten sind nach Schmalkalden gereist, sondern auch zahlreiche ausländische Beobachter. Unter anderem bemühen sich Dänemark und Schweden um Aufnahme. Trotzdem verfolgt das Bündnis protestantischer Reichsstände laut Bundesvertrag rein defensive Ziele:

    "Es soll dieser unser christlicher Bund weder der kaiserlichen Majestät, unserem allergnädigsten Herrn noch irgendeinem Stand des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zuwider sein. Sondern allein zur Erhaltung christlicher Wahrheit und Friedens und zum Schutze unbilliger Gewalt gegenüber uns."

    Sechs Jahre zuvor sieht die Lage noch völlig anders aus. Auf dem Augsburger Reichstag wird das Wormser Edikt von 1521 erneuert, mit dem Kaiser Karl V. die Anhänger der Lehre Martin Luthers zu Reichsfeinden erklärt hatte. Die Protestanten stehen jetzt mit dem Rücken zur Wand. Für Landgraf Philipp von Hessen und den späteren Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen ist nun die Zeit zur Gegenwehr gekommen. Sie initiieren ein Bündnis zur Verteidigung des evangelischen Glaubens. Am 27. Februar 1531 wird der Schmalkaldische Bund gegründet.

    Die Protestanten fordern nicht mehr als die freie Konfessionswahl und den Ausbau ihrer Landeskirchen. Doch damit stellen sie nicht nur die Autorität des Kaisers als Hüter der Kirche in Frage, sondern die gesamte Machtbalance im Reich. Denn die Hoheit über die Landeskirchen bedeutet enormen Machtzuwachs für die Landesfürsten. Heinz Schilling, Experte für Frühe Neuzeit:

    "Es stand die Verfassungsfrage zur Diskussion. Es ging ganz einfach gesagt darum: Sollte die deutsche Verfassung ausgerichtet sein nach der Krongewalt oder sollten die Territorien, einschließlich der Reichsstädte, ihre im Mittelalter erworbenen Freiheiten behalten?"

    Für Karl V. ist die Glaubensspaltung untragbar. Der streng katholische Kaiser hängt der mittelalterlichen Idee eines universellen Reiches an, in dem Staat und Kirche unter dem Dach von Kaiser- und Papsttum eine untrennbare Einheit bilden. Der Reformation will Karl eine restaurative Reichsreform entgegensetzen. Allerdings weckt sein Machtanspruch auch bei katholischen Fürsten Argwohn. Der bayerische Kanzler Leonhard von Eck beschuldigt den Kaiser:

    "Es ist so, dass der Kaiser und König gewisslich des Vorhabens ist, die deutsche Nation zu unterdrücken und in eine Monarchie zu bringen. Damit man sich aber solcher Unterdrückung und Servitut der deutschen Nation erwehren kann und die Fürsten bei ihrer Libertät bleiben können, seien nun die Herren darauf bedacht, dass ein friedliches Vernehmen zwischen etlichen vornehmen Fürstenhäusern gemacht werde."

    In dieser ungeklärten Situation kann der Schmalkaldische Bund in ein Machtvakuum treten. Und Landgraf Philipp von Hessen und Johann Friedrich von Kursachsen wollen den Bund nun auch machtpolitisch positionieren. Doch die Mehrheit der Mitglieder will kein Bündnis, das sich zum Staat im Staate entwickeln könnte. Die Finanzierung einer schlagkräftigen Streitmacht wird selbst dann abgelehnt, als alle Zeichen auf Krieg stehen.

    Als die Gelegenheit günstig ist, schlägt der Kaiser zu. 1546 beginnt der Schmalkaldische Krieg. Die protestantische Propaganda erklärt den Kampf zur Sache der nationalen Freiheit und schürt Ressentiments gegen die ausländischen Berater des spanischstämmigen Kaisers. In Flugschriften heißt es:

    "Der Krieg muss allen geborenen Deutschen den Sinn und Mut geben, dass sie sich wieder ihr eigen Vaterland nicht gebrauchen lassen. Wie ohne Zweifel ein jeder, der einen Tropfen ehrlichen deutschen Blutes in sich hat, selbst es so bedenkt. Das edle deutsche Land ist unser Vaterland allein."

    Bereits nach einem Jahr waren die Protestanten besiegt. Doch der Triumph zahlte sich für Karl V. nicht aus. Auch die katholischen Fürsten verspürten wenig Neigung, sich nach der Niederlage der Protestanten dem Machtanspruch des Kaisers zu unterwerfen. Die Glaubensspaltung war nun nicht mehr aufzuhalten. Sie mündete 1555 in den Augsburger Religionsfrieden, der den Fürsten das Recht auf freie Konfessionswahl gewährte. Die 15-jährige Existenz des Schmalkaldischen Bundes hatte dazu geführt, dass die Reformation nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Und sie hatte auch endgültig alle Illusionen über einen deutschen Zentralstaat beerdigt.