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Proteste gegen Einheitsdenkmal
Streit um Wilhelms Sockel

Im Juni hatte der Bundestag nach langen Querelen den Bau eines Einheits- und Freiheitsdenkmals in der Mitte Berlins erneut beschlossen. Trotz Genehmigung ruht die Baustelle - zugleich formiert sich neuer Widerstand.

Von Claudia van Laak | 25.08.2017
    Die meist grauhaarigen Herrschaften sind fest entschlossen: Bis zum Tag der Bundestagswahl stehen sie jeden Abend um sieben Uhr mit mindestens sieben Demonstranten vor dem zukünftigen Humboldt-Forum, dem Nachbau des Berliner Stadtschlosses - an der Stelle, an der sich irgendwann einmal eine gigantische goldene Schale elegant hin und her neigen soll. "Wir lassen uns nicht verschaukeln" - steht auf ihrem Transparent. "Keine Wippe auf dem Sockel des Nationaldenkmals".
    "Wir sagen nur, der Ort ist verkehrt!", "Dieses Ding gehört nicht hierher!", "Dann bitte die Wippe an einen anderen Platz!", so Annette Ahme, Sprecherin der locker organisierten Protestler. Sie sind der Ansicht: Ein innerdeutsches Freudenmonument vor dem rekonstruierten Stadtschloss werde der Vision des Humboldt-Forums nicht gerecht.
    "Die Wippe verlangt nach mehr Freiraum"
    "Denn das Humboldt-Forum soll ja stehen für die Weltkulturen, es soll heißen, Dialog der Weltkulturen. Das hat dort einfach nichts zu suchen, es gehört in einen deutschen Zusammenhang, zum Beispiel Reichstag, oder zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus. Dort sind auch freie Flächen, die Wippe selber verlangt auch gestalterisch nach mehr Freiraum, sie ist dort zu begrenzt."
    Modellbild des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin
    Modell-Bild des geplanten Freiheits- und Einheits-Denkmals in Berlin. (dpa / BBR)
    In der Tat: Das vom Bundestag beschlossene, etwa 14 Millionen Euro teure Denkmal drängelt sich hinein in einen rundherum eng bebauten Stadtraum, wird eingeschlossen vom Humboldt-Forum, dem ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude, dem Auswärtigen Amt, der wieder zu errichtenden Schinkelschen Bauakademie. Norbert Heuer vom Berliner Landesdenkmalamt: "Die Attraktion dieses Ortes, die ist der Ort selber - und der braucht nicht die Schale des Einheitsdenkmals dafür."

    Norbert Heuer steht auf dem Sockel des früheren Denkmals für Kaiser Wilhelm I, direkt vor dem Eingang des künftigen Humboldt-Forums.
    "Zerstörung nicht noch weiter führen"
    Sockel sei eigentlich der falsche Begriff, sagt Denkmalpfleger Heuer: "Der Sockel ist ein Gebäude aus gemauerten Gewölben, das sind fast 3.000 Quadratmeter, und wenn man einen Größenvergleich braucht, die Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie hat 2.500 Quadratmeter."

    Das neun Meter hohe bronzene Reiterstandbild Kaiser Wilhelms des Ersten ist verschollen - viele vermuten, die Rote Armee könnte es in den Wirren der letzten Kriegstage eingeschmolzen haben. Wilhelm I. und sein Pferd standen auf einem prächtigen Mosaikfußboden aus Marmor. Denkmalpfleger haben diese Mosaike - sie zeigen Fabelwesen, geographische und florale Motive - gerettet und gesichert. Sie sollen allerdings nicht an den Originalort zurückkehren. Berlins Landesdenkmalamt protestiert.

    "Es ist ein historisches Bauwerk, die Mosaike gehören dazu, wenn das Denkmal den historischen Sockel nutzt als Aufstellfläche, dann geht ein Denkmalpfleger selbstverständlich davon aus, dass er das Denkmal ungeschmälert nutzt, dass diese Zerstörung nicht noch weitergeführt wird."
    Grütters kein Fan des Projekts
    Fragt man Monika Grütters, die Staatsministerin für Kultur, nach den Mosaiken, rollt sie als erstes mit den Augen. Es ist bekannt, dass das Freiheits- und Einheitsdenkmal keine Herzensangelegenheit der CDU-Politikerin ist. Von einem "in der Bevölkerung verbreiteten Unbehagen" sprach sie einmal. Doch, der Bundestag hat es beschlossen. Deshalb entgegnet Grütters den Denkmalpflegern:"Dieser Entwurf sieht die Wiederverlegung der historischen Mosaike auf dem Sockel nicht vor. Wir haben auch darüber diskutiert, ob man einen Teil der Mosaike an anderer Stelle sichtbar macht, sämtliche Maßnahmen wurden in Abstimmung mit der Denkmalbehörde des Landes Berlin durchgeführt."

    Besser gesagt: Die Denkmalpfleger haben sich dem Beschluss des Bundestages gebeugt. Trotzdem werden sie nicht müde zu betonen: Das geplante Einheits- und Freiheitsmonument zerstöre das historische Gebäude, den Sockel. Norbert Heuer ist der Ansicht...
    "Dass die Eingriffe, die erforderlich sind, um diese Konstruktion der Schale dort einzubringen, das sind sieben Stahlbetonpfeiler von 1,60 Meter Durchmesser, die teilweise auch das Gewölbe durchstechen, das ist ein ganz erheblicher Eingriff in die Substanz und bedeutet erheblichen Denkmalverlust."
    Denkmalpfleger und aufgebrachte Bürger machen also weiter Stimmung gegen das Einheitsdenkmal in der historischen Mitte Berlins. Unterstützt wird der zivile Ungehorsam von Wasserfledermäusen und Zwergfledermäusen. Diese genießen weiterhin den Gewölbekeller - obwohl sie längst hätten umgesiedelt werden sollen.