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Prototyp trotzt selbst Taifunen
Dämpfungs-Pool hält schwimmende Windräder stabil

Das offene Meer ist perfekt für die Windkraftgewinnung. Allerdings sind selbst Küstengewässer oft zu tief, um Windräder am Boden zu verankern. Schwimmende Plattformen sollen das Problem lösen, müssen aber auch ohne festes Fundament stabil im Wind stehen. Ein französischer Prototyp hat sich bewährt.

Von Monika Seynsche | 22.08.2019
Das Besondere an diesem Konzept: das Windrad schaukelt kaum, obwohl die ganze Konstruktion auf den Wellen schwimmt und nur mit Ankerleinen am Meeresboden vertäut ist. Verantwortlich dafür ist das Loch in der Mitte des schwimmenden Rahmens. Entwickelt und errichtet wurde die schwimmende Windenergieanlage, vom französischen Ingenieurbüro Ideol.
Der "Damping-Pool" auf dem das Windrad montiert ist, verhindert, dass die Anlage schaukelt (©Ideol)
Hohe Wellenberge türmen sich vor der japanischen Pazifikküste. Jedes Jahr im Spätsommer wird die Region von besonders vielen, besonders heftigen Taifunen heimgesucht. Von denen ist Ole Stobbe begeistert.
"Also in Japan der Prototyp hat in den ersten Septemberwochen schon den ersten Taifun erlebt. Bis jetzt hat er drei Taifune erlebt. Nicht das Auge des Sturms, aber sehr, sehr hohe Windgeschwindigkeiten und die damit verbundenen sehr hohen Wellenbedingungen. Und das Ding steht immer noch, funktioniert immer noch. Also da ist der Test bestanden."
Das "Ding" ist eine schwimmende Windenergieanlage, entwickelt und errichtet vom französischen Ingenieurbüro Ideol, Ole Stobbes Arbeitgeber. Er und seine Kollegen beobachten zurzeit, wie sich die beiden Prototypen ihrer Anlage schlagen. Neben dem Windrad in Japan schwimmt ein zweites vor der französischen Atlantikküste.
'Dämpfungs-Pool' als Erfolgskonzept
"Wir lernen besonders viel davon, dass wir diese diversen Weltregionen erkunden mit diesen Pilotprojekten und daraus dann halt unser Design so verbessern können, dass es global anwendbar ist und für jeden Markt zuzuschneiden ist, anzupassen ist."
Bei beiden Prototypen schwimmt ein quadratischer Hohlkörper in Form eines Rahmens auf dem Wasser. In Frankreich besteht dieser Hohlkörper aus Beton, in Japan aus Stahl. Auf einer der vier Seiten des Rahmens steht das Windrad. Das besondere an diesem Konzept: Das Windrad schaukelt kaum, obwohl die ganze Konstruktion auf den Wellen schwimmt und nur mit Ankerleinen am Meeresboden vertäut ist. Verantwortlich dafür ist das Loch in der Mitte des schwimmenden Rahmens.
"Wir brauchen dieses Loch in der Mitte. Das ist der 'Damping-Pool', den wir patentiert haben. Und der erlaubt es uns, eben extrem kompakt zu bauen. Andere brauchen viel größere Baumaße, um die gleichen Dämpfungseffekte zu erreichen."
Dämpfungseffekt durch Gegentakt
Jede Art von schwimmendem Windrad muss einen Weg finden, die Wellenbewegung auf dem Meer zu dämpfen. Denn wenn ein Windrad zu stark schaukelt, schadet das der Maschine. Ole Stobbe und sein Team nutzen bei ihrer Anlage einen hydrodynamischen Effekt aus: Wenn man den Rahmen in genau der richtigen Größe baut, dann hebt und senkt sich das Wasser innerhalb des Rahmens im gegenläufigen Takt zu den umgebenden Wellen. Steigen die Wellen drumherum, sinkt das Wasser im sogenannten "Damping-Pool". Steigt es hier wieder an, sinken die Wellen außen. Dadurch entsteht ein extremer Dämpfungseffekt, der die Windenergieanlage relativ ruhig auf dem Meer schwimmen lässt. Die beiden Prototypen vor Japan und Frankreich bestehen aus einem Rahmen mit einer Kantenlänge von 35 mal 35 Metern und tragen eine Zweimegawatt-Turbine.
"Wir haben viel daran gearbeitet, das weiter zu treiben, das Design. Zwei Megawatt ist natürlich für ein Demonstrationsprojekt. Schön und gut, aber die nächste Maschinenklasse wird zwölf Megawatt haben. Wir haben ein Design gemacht für eine Zwölfmegawatt-Mühle und rausgefunden, dass die Fundamentgröße dann halt 55 mal 55 Meter ist und nicht irgendwie sechsmal so groß wie das Ursprungsding. Was wieder zeigt, wie schön kompakt das ist. Weil was hat man von einem Fundament, was dann irgendwie 150 Meter im Quadrat hat? Man kommt in keinen Hafen rein oder raus."
In Deutschland sei das Interesse an schwimmenden Windenergieanlagen sehr gering, sagt Ole Stobbe. Die Nordsee ist hier so flach, dass die Windräder einfach auf den Meeresboden gestellt werden können. In den meisten anderen Weltregionen sieht das aber anders aus: "In Taiwan, in Indien, in Südafrika, in Korea haben wir überall Anfragen, wo es einfach keine Alternativen gibt, wo die Küstenmeere halt sehr tief sind und der Energiebedarf sehr groß ist."
Konstruktion-Geheimnis nicht erklärbar
Die Geschäftsaussichten sind also gut. Auch wenn die Ingenieure das Geheimnis ihrer Konstruktion bis heute nicht erklären können. Denn niemand weiß, warum sich die Wellen innerhalb des Rahmens anders bewegen als außerhalb, warum es also zu den großen Dämpfungseffekten kommt.
"Wir haben das modelliert, wir haben das in fünf Wellenkanalkampagnen überprüft, unsere Modellversuche. Wir haben es jetzt real life damit abgeglichen und wir haben ein relativ gutes Verständnis, dass es funktioniert, wenn man das und das macht. Aber ganz genau bis ins letzte Detail können wir es nicht erklären. Wir wissen, dass es funktioniert, wir haben es patentiert, das kann uns keiner wegnehmen. Und ja, damit haben wir eigentlich eine Goldgrube gefunden."