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Prozess in Berlin
Kudamm-Rasern droht lebenslange Haft

Ein illegales Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm endete 2016 mit einem tödlichen Unfall. Die beiden Raser wurden wegen Mordes verurteilt. Jetzt wird der Fall vor Gericht aufgerollt - nicht zum ersten Mal.

Von Anja Nehls | 19.11.2018
    Die Lichter der Fahrzeuge auf dem Kurfürstendamm sind am 27.02.2017 in Berlin bei der Langzeitbelichtung als bunte Streifen zu sehen. Nach den lebenslangen Gefängnisstrafen für die beiden Kudamm-Raser, die bei einem illegalen Autorennen auf dem Kurfürstendamm einen Mann bei einem Zusammenstoß getötet hatten, wird bundesweit über das Urteil diskutiert. Foto: Paul Zinken/dpa | Verwendung weltweit
    Die 29 und 27 Jahre alten Angeklagten sollen sich im Februar 2016 in der Berliner City ein illegales Autorennen geliefert und dabei tödliche Folgen billigend in Kauf genommen haben (Paul Zinken/dpa)
    Der nunmehr dritte Anlauf eines Prozesses gegen die Raser vom Berliner Kudamm endete am heutigen ersten Prozesstag schnell. Nachdem der Staatsanwalt die Anklageschrift verlesen hat, wollten sich beide Beschuldigten nicht zur Tat äußern.
    Für Maximilian Warshitsky, den Sohn des Opfers, der im Prozess als Nebenkläger auftritt war das keine Überraschung, aber dennoch eine Enttäuschung: "Es ist deren Recht, ja, aber ich finde es persönlich halt lächerlich einen auf dicke Eier zu machen, mit zwei dicken Autos rumzuprotzen, wir sind die coolsten, wir sind die besten sozusagen, aber sich im Endeffekt hinter den Anwälten zu verstecken, weil ihnen halt Mord droht, also die persönlich Verantwortung zu übernehmen."
    BGH hob Urteil auf
    Auch in diesem Prozess geht es erneut um Mord. Bei einem illegalen Autorennen mit bis zu 170 km/h auf dem Berliner Kurfürstendamm hatten die beiden jungen Männer den Vater von Maximilian Warshitzky getötet. Das Berliner Landgericht hatte sie deswegen 2017 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil aufgehoben, weil der bedingte Tötungsvorsatz nicht ausreichend bewiesen sei.
    Dann wurde der Fall wieder an das Berliner Landgericht zurücküberwiesen - aber an eine Kammer, die die Anwälte der Angeklagten für Befangen hielten. Die Kammer hatte nämlich entschieden, die Beschuldigten nach der Aufhebung des Mordurteils nicht aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
    Da sitzen sie allerdings noch immer, sagt Gerichtssprecherin Lisa Jani: "Wir verhandeln ja ganz neu, das heißt es ist quasi alles drin aber der Haftbefehl wurde auch wegen Mordes aufrecht erhalten. Befangen macht man sich damit als Richter automatisch nicht, es war beim letzten Mal das Problem der Begründung."
    Alle Zeugen werden neu befragt
    Die neue Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Matthias Schertz, Bruder von Promi-Anwalt Christian Schertz, habe die Fortdauer der Untersuchungshaft nun einfach etwas intelligenter begründet, knurrt der Anwalt des einen Angeklagten Rainer Elfferding, der den Richter nun akzeptieren will: "Ich halte den Beschluss trotzdem für falsch, aber das ist kein Grund für eine Ablehnung, wir werden es ja in der Hauptverhandlung sehen."
    Nun geht also alles von vorne los. Alle Zeugen werden neu befragt werden, alle Fotos und Videos neu ausgewertet. Maximilian Warshitzky will wie bisher auch an jeden Prozesstag dabei sein.
    Er will endlich persönlich abschließen können und hofft vor allem auf eine starke Signalwirkung des Prozesses: "In dem Sinne, dass das eben in voller Montur geahndet wird und nicht weiterhin als Ordnungswidrigkeit oder einfach mal als Larifari gilt, dass die Welt und die Idioten da draußen einfach mal erfahren, das ist eben kein Spielplatz und man kann nicht eben mal in der City mit 170 Sachen rasen."
    Fall sorgte für Gesetzesänderung
    Bereits nach dem Mordurteil von 2017 wurde ein neuer Paragraf in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Danach können illegale Autorennen und Raserei als Verbrechen eingestuft werden, auf das bis zu zehn Jahre Haft steht. Bisher galt es als Ordnungswidrigkeit. Neu ist außerdem, dass die Polizei jetzt nicht nur den Führerschein, sondern auch das Auto einziehen und versteigern lassen kann, was die Raser wahrscheinlich am meisten schmerzt.
    Weil die Gesetzesänderung aber erst nach dem Kudamm-Rennen in Kraft trat, kann sie auf den aktuellen Berliner Fall nicht angewendet werden. So besonders abschreckende Wirkung hat Gesetzesänderung offenbar auch nicht. Seit sie gilt, also seit Oktober vergangenen Jahres bis August dieses Jahres stoppte die Polizei in Berlin 150 Autorennen, also etwa 18 pro Monat. In den Jahren vor der Verschärfung waren es monatlich im Schnitt nur sechs. Das liegt unter anderem aber auch an häufigeren Kontrollen.
    Lebenslang oder kürzere Haftstrafe?
    Für das Gericht in Berlin gilt es jetzt nachzuweisen, ob die beiden Angeklagten mit einer bedingten Tötungsabsicht gehandelt haben oder nur bewusst fahrlässig. Es geht darum, ob sie gewusst haben, wie gefährlich das Rennen war, ob es ihnen schlicht egal war ob andere gefährdet werden und wie lange sie noch handlungsfähig waren.
    Sein Mandant war heute zum erneuten Prozessauftakt jedenfalls erstaunlich gelassen, meint Anwalt Rainer Elfferding: "Der scheint ganz gute Nerven zu haben. Ich meine man guckt nicht in ihn rein aber ich habe schon Angeklagte erlebt, die wesentlich fahriger gewesen sind und nervöser."
    Mord würde erneut lebenslang bedeuten. Wenn die bedingte Tötungsabsicht nicht ausreichend begründet werden kann, und es eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung geben würde, reicht der Strafrahmen von Geldstrafen bis zu fünf Jahren Haft.