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Prozess
Urteil gegen früheren SS-Mann erwartet

Im Hagener NS-Prozess um die Ermordung eines niederländischen Widerstandskämpfers wird heute das Urteil erwartet. Angeklagt ist der frühere SS-Mann Siert Bruins. Die Staatsanwaltschaft hat eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Die Verteidigung forderte einen Freispruch.

08.01.2014
    Siert Bruins
    Siert Bruins vor dem Hagener Landgericht (dpa / Picture Alliance / Jan-Philipp Strobel)
    Der heute 92-Jährige muss sich seit Anfang September vor dem Landgericht Hagen wegen der Ermordung eines niederländischen Widerstandskämpfers verantworten. Die Tat ereignete sich im September 1944, zu einem Zeitpunkt, als die Alliierten in den Niederlanden schon auf dem Vormarsch waren und Hitler den sogenannten Niedermachungsbefehl gegeben hatte. Die Grenz- und Sicherheitspolizei in der Hafenstadt Delfzijl an der Emsmündung hatte das spätere Opfer Aldert Klaas Dijkema auf einem Bauernhof festgenommen. Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Zeugen hatten anschließend Bruins und sein direkter Vorgesetzter August Neuhäuser den Befehl, Dijkema auf einer fingierten Flucht zu erschießen.
    Laut Anklage nahmen sie den Mann im Auto mit und forderten ihn auf halbem Weg zu seinem Wohnort auf: "Geh mal pissen." Wenige Meter vom Auto entfernt trafen ihn mehrere Schüsse von hinten. Das arglose Opfer habe noch die Hände in den Hosentaschen gehabt, hatte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel im Dezember erläutert. Er betonte, der Befehl zu der Ermordung sei zwar von höherer Stelle gekommen, eine Befehlsverweigerung sei aber auch damals möglich gewesen und hätte keine schwersten Folgen gehabt.
    Zweites Urteil
    Die Staatsanwaltschaft hat eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Die Verteidigung forderte einen Freispruch, weil Bruins von dem Vorhaben der Vorgesetzten nichts gewusst und auch nicht selbst geschossen habe.
    Bruins hatte vor dem Plädoyer der Anklage erstmals im Prozess längere Aussagen gemacht. Dabei hatte er beschrieben, wie er nach Deutschland und zur Waffen-SS kam und später unter falschem Namen in Deutschland untertauchte. Der gebürtige Niederländer hatte zuvor im Prozess lediglich über seinen Anwalt den Vorwurf zurückgewiesen, an der Ermordung Dijkemas beteiligt gewesen zu sein.
    Bruins war schon 1949 in den Niederlanden von einem Sondergericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Ende der 70er Jahre fiel er in Deutschland auf und wurde 1980 in Hagen in einem anderen Fall wegen Beihilfe an der Ermordung zweier niederländischer Juden zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren wegen der Tötung des Widerstandskämpfers hatte die Staatsanwaltschaft damals eingestellt und erst jetzt wieder aufgenommen.