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"Pseudoelitäre Straßenpenner"

Ein Leben wie eine Party oder ein Leben hinter Büchern - das Studentenleben ist mit vielen Klischees behaftet. Die meisten zeichnen das Bild eines lockeren Lebens, doch spätestens seit der Bologna-Reform haben manche Nicht-Akademiker auch Mitleid mit Studenten.

Von Vanessa Klüber | 20.08.2013
    "Was bringt die Uni? / Die Uni bringt nichts! / Fick die Uni, fick die Uni! / Was ist die Uni? / Die Uni ist ein Sammelbecken / für eine Bande pseudoelitärer Straßenpenner. / Und sie gehn‘ immer auf diese schlechten Unipartys /und machen auf fokussiert aber verkacken 100 Jahre."

    Studenten sind beschränkt und leben nur in ihrer eigenen kleinen Welt. Das sagen die Rapper von der Antilopengang in ihrem Hit "Fick die Uni". Der Rap ist Klartext, diesmal nicht aus dem Uni-Umfeld. Was Nicht-Akademiker sonst denken, wird öffentlich höchstens in Internet-Foren diskutiert. "Dumm, faul und arrogant" sind die Schlagworte. Auch Nicht-Akademiker und Rapper Daniel Pongratz alias Danger Dan von der Antilopengang lästert:

    "Ich war hier neulich im Park, und da tanzten und pogten zehn halbnackte besoffene Männer um einen Kassettenrecorder herum und hielten das für eine Party."

    Danger Dan hat sein Musiktherapie-Studium in Aachen nach kurzer Zeit abgebrochen. Seine Ausbildung war nur von Misserfolgen gekrönt, sagt er. Mit dem bösartigen Raptext meint er aber nicht alle Studenten: Unter seinen Fans nicken schließlich viele mit dem Kopf zu "Fick die Uni". Danger Dan ist außerdem der einzige Nicht-Akademiker in der Antilopengang. Seitenhiebe an seine Bandkollegen bleiben da nicht aus:

    "Kolja ist ein notorischer Besserwisser, der mich ständig korrigieren muss. Und Panik Panzer ist jemand, der für jede Gelegenheit das richtige Klebeband hat und alle Briefumschläge in den richtigen Größen sortiert. Die sind zumindest recht gut organisiert. Die entsprechen jetzt natürlich nicht so einem klischeehaften Studierendenbild. Zumal sie halt Rapper sind."

    Während Danger Dan mit Band durch die Lande tourt und Studenten trifft, arbeitet Hausmeister Andreas Pape schon seit 14 Jahren am gleich Ort: In einem Düsseldorfer Studentenwohnheim. Sein T-Shirt ist nassgeschwitzt: Er muss bei 30 Grad unter dem höllischen Lärm einer Maschine den Keller reinigen. Für ihn sind und waren Studenten schon immer Träumer, für die die Realität ein Fremdwort ist.

    "Die meisten sind sehr schludrig. Diese Art, bis spät in die Nacht feiern, dann am nächsten Tag bis elf Uhr noch im Bett liegen. Und was mir immer wieder auffällt, wenn ich draußen den Weg kehre, dann kommen die Studenten so um 12 Uhr raus und sagen ‚Guten Morgen!‘ Und dann sag ich immer: ‚Ja Mahlzeit!‘ – ‚Oh, wir haben ja schon so spät!‘"

    Wenn also die Klischees stimmen, haben sich Studenten auch nach der Bologna-Reform nicht verändert. Leben ziemlich locker. Und tatsächlich, laut Studien von HIS-Institut für Hochschulforschung und Uni Hamburg lernen sie durchschnittlich nicht so viel wie Vollzeitbeschäftigte arbeiten.

    Doch der gefühlte Stress ist gestiegen - auch das fand das HIS-Institut heraus. Und so sehen es auch einige Nicht-Akademiker, die Mitleid mit den Studenten haben. Zum Beispiel Erika Felicetti, die seit 23 Jahren in einer Düsseldorfer Kantine an der Uni Studenten bedient .

    "Viele kommen hier rein, die sind einfach kaputt. Gestern zum Beispiel kam hier eine rein. Und die ging so, gebückt. Ich frage: Was ist los? Die sagte: ‚Ich muss so viel lernen.‘ Und die tun mir dann irgendwie leid. Da sag ich dann ein paar aufmunternde Worte. Komm, das schaffst du schon, das wird schon!"

    Gleichzeitig bewundert Erika Felicetti Studenten und findet, dass die meisten intelligenter sind als Nicht-Akademiker. Und meistens höflich.

    Die Unterschiede zwischen Studenten und Nicht-Akademikern hat das Allensbacher Institut 2011 erforscht. Demnach ist zum Beispiel Studenten Unabhängigkeit im Leben wichtiger ist als der Gesamtbevölkerung und gleichaltrigen Nichtakademikern. Auch der Drang etwas Neues zu lernen ist viel stärker da.

    Anne Stehl möchte mehr von Nicht-Akademikern lernen. Die 20-jährige Dortmunder Studentin im Bauingenieurwesen fürchtet, dass sie und andere Studenten zu sehr unter sich bleiben.

    "Ich finde immer, dass Studenten sehr sehr extrem theoretisch sind. Ich für meinen Teil kann viele Sachen nicht, die praktisch sind. Mal was bauen, oder mal was malen. Und solche Tätigkeiten, praktische Dinge, handwerkliche Dinge, Bürotätigkeiten - die kann man alle lernen von Leuten, die nicht fixiert sind auf Bücher lesen, lernen und sich reinarbeiten in irgendwelchen Stoff."

    Doch Sonntag Nachmittag sitzt Anne in der Bibliothek und lernt, ist im Prüfungsstress. Wie sie sich als Studentin verhält, findet sie aber richtig so. Ob sie Danger Dans Ansicht teilt? Wenn der Rapper etwas an Studenten ändern könnte, würde er sich wünschen,

    "dass sie diese Aufgabe, Rebell zu sein, und sich was Neues zu überlegen, die Welt neu zu gestalten, noch viel erster nehmen als sie es gerade tun."

    Erika Felicetti hat auch eine gute Idee für gestresste Studenten: Mal die Füße hochlegen und ausruhen. Hausmeister Pape findet, dass Studenten eigenständig denken sollen. Danger Dan von der Antilopengang ist ganz wichtig, dass Studenten nicht nur in ihrer eigenen Welt leben sollen. Er sagt:

    "Ich glaub im Endeffekt geht es nicht darum, in möglichst wenigen Semestern so ein Studium abzureißen und in irgendein Büro zu verschwinden. Sondern vielleicht geht’s darum, eine geile Zeit zu haben und während dieser geilen Zeit als Studenten auf die Gesellschaft einzuwirken."