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Pure Lebensfreude

Autor Peter Mayle ist mit seinem Krimi ein ziemlich vergnügliches Werk gelungen. Ein Muss für alle Weinliebhaber und Frankreichfreunde.

Von Sacha Verna | 03.08.2010
    Auch die originellsten Beispiele zeitgenössischer Spannungsliteratur bewegen sich zwischen den Polen hart und herzig. Peter Mayles "Ein diebisches Vergnügen” ankert klar im Hafen der Herzigkeit. Denn die einzige rote Flüssigkeit, die in diesem Roman fließt, ist Traubensaft. Der allerdings ist vom Feinsten: Bordeaux, darunter 1961er Latour, 1975er Yquem und 1983er Margaux. Insgesamt fünfhundert Flaschen im Wert von drei Millionen Dollar. Und um genau zu sein, fließen diese Jahrgänge auch nicht, vielmehr verschwinden sie über Nacht aus dem perfekt temperierten Keller eines Prominentenanwalts in Hollywood. Die Versicherungsgesellschaft beauftragt Sam Levitt mit der Untersuchung des Falles, einen Juristen mit zwielichtiger Vergangenheit und einem eindeutigen Talent dafür, sich nach Möglichkeit ausschließlich mit den schönen Seiten alles Irdischen zu befassen.

    Peter Mayle ist der Vater der Bucolica Mediterranea. Sein Bestseller "Mein Jahr in der Provence” stellte die Knospe des äußerst erfolgreichen Literaturzweiges dar, dem wir inzwischen unzählige Erzeugnisse über Trüffelsuche und Selbstfindung in der Toskana und seelische Orgasmen in selbst renovierten griechischen Hirtenhütten verdanken. Dementsprechend steigt einem bei Mayle nicht der ranzige Geruch des Schicksals in die Nase, sondern der Duft wilden Lavendels. Hier lockt die ewige Happy Hour, und das Schlagen einer letzten Stunde wäre entschieden ein Missklang.

    So führen Sam Levitts Recherchen ihn nach Südfrankreich, wo sich die Verfolgung von Kriminellen ungleich angenehmer gestaltet als auf dem heißen Pflaster, auf dem sich Philip Marlowes Söhne und Töchter ihr klägliches Brot verdienen. Peter Mayle lässt seinen Sam großzügig frische Baguette in die köstlichen Reste einer Bouillabaisse tunken und gönnt ihm dabei den Blick auf den Hafen von Cassis. Nicht, dass Sam sich vor der Arbeit drückt. Doch erleichtern eine charmante französische Begleitung neben Seebarsch mit Fenchel, Ziegenfrischkäse mit Tapenade sowie Rosmarinsorbet das Lösen gewisser Probleme ungemein. Zum Beispiel jenes, wie man sich Zugang zum spektakulären Weinkeller von Marseilles bestbegütertem Trikoloren-Schwinger Francis Reboul verschafft, um herauszukriegen, ob sich nicht zufällig fünfhundert Flaschen Bordeaux aus dem Besitz eines amerikanischen Prominentenanwalts dorthin verirrt haben.

    Überraschenderweise entpuppt sich "Ein diebisches Vergnügen" kraft seiner Anspruchslosigkeit tatsächlich als ziemlich vergnüglich. Dieser schmale Schmöker gleicht einem Hochglanzprospekt für Urlaub in einem Luxusresort. Die ausnahmslos langbeinigen Damen tragen Hermès, die Herren Wildlederslipper von Gucci und keine Socken, und alle sind in sanftes Licht getaucht, während sie an einem Aperitif nippend den Wonnen entgegenschauen, die ihrer noch harren. Peter Mayle serviert diesen Aufguss aus Klischees, Kitsch und Markennamen mit so viel ironischer Verschmitztheit, dass man ihm das Ganze glatt als Ausdruck purer "joie de vivre” abnimmt. Derart unverschämter literarischer Eskapismus kann keine Sünde sein.

    Peter Mayle: Ein diebisches Vergnügen. Roman. Aus dem Englischen von Ursula Bischoff. Karl Blessing Verlag, München 2010. 255 Seiten, 17,95 Euro.