Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Pussy-Riot-Aktivist
Berliner Charité bestätigt Vergiftung

Nachdem er in einem Moskauer Gericht etwas gegessen hatte, konnte Pjotr Wersilow kaum noch sprechen, sehen oder sich bewegen. Auf Wunsch seiner Familie wurde der 30-Jährige nach Berlin gebracht. Inzwischen ist der Aktivist von Pussy Riot außer Lebensgefahr. Die Ärzte sind sicher: Er wurde vergiftet.

Von Daniela Siebert | 18.09.2018
    Pussy-Riot-Mitglied Pjotr Wersilow liegt bei seiner Ankunft in Berlin auf einer Liege im Krankenwagen. Ein Pfleger der Feuerwehr versorgt ihn, im Hintergrund eine Freundin.
    Pussy-Riot-Mitglied Pjotr Wersilow bei seiner Ankunft in Berlin (Cinema for Peace Foundation/dpa)
    Die Ärzte der Berliner Charité formulieren ihre Erkenntnisse äußerst vorsichtig. Ihnen ist bewusst wie heikel der Fall ist und dass er internationale Aufmerksamkeit genießt. Zwei Aussagen treffen die Mediziner ganz eindeutig: es besteht keine Lebensgefahr für Pjotr Wersilow. Und: es handelt sich eindeutig um eine Vergiftung. Das sei die einzige plausible Erklärung für seine Symptome, an denen er zum Teil immer noch leidet.
    Wasilow außer lebensgefahr - aber noch verwirrt
    "Der kritische Zustand hat sich deutlich gebessert, er ist bei Bewusstsein, er ist auch teilweise bereits mobilisiert, hat das Bett verlassen können, aber er hat doch noch einen sehr ausgeprägten Verwirrtheitszustand, wir beobachten hier eine leichte tendenzielle Besserung, aber wir haben uns ja auch erst seit Kurzem bei uns in der Behandlung", so Professor Kai-Uwe Eckardt, der behandelnde Intensivmediziner und Nierenspezialist.
    Angefangen hatten Wersilows gesundheitliche Probleme vor einer Woche: nachdem er eine Freundin zu einem Gerichtstermin in Moskau begleitet hatte, fühlte er sich zunächst ungewöhnlich müde. Wenig später waren seine Pupillen stark geweitet, er konnte nicht mehr sehen, nicht mehr sprechen, nicht mehr laufen.
    Womit wurde Wasilow vergiftet? Die Ärzte haben einen Verdacht
    Die Mediziner der Charité wissen noch nicht genau, welche Substanz bei Pjotr Wersilow diese Symptome ausgelöst hat und wie sie in seinen Körper kam, aber sie haben eine Wirkstoffgruppe im Verdacht, die einen Teil des Nervensystems blockiert und dadurch vor allem die Funktion der inneren Organe einschränkt.
    "Der Fachausdruck dafür ist ein "anticholinerges Syndrom" und man hat dann eine Überaktivierung des sogenannten vegetativen Nervensystems. Da gehören Zeichen dazu wie beispielsweise weite Pupillen, hoher Blutdruck, trockene Haut und trockene Schleimhäute, weil die Schweiß-Sekretion beispielsweise blockiert ist, entsprechende Temperaturerhöhung kann auch damit einhergehen, und alle diese Symptome sind letztlich hier bei dem Patienten nachweisbar gewesen und zum Teil – in abgeschwächter Form - auch jetzt noch nachweisbar."
    Es war eine Überdosis - von was auch immer
    Die Substanzen kommen auch in manchen Medikamenten und als Beimengung in manchen Drogen vor. Ob Pjotr Wersilow solche Medikamente oder Drogen freiwillig konsumiert haben könnte, das konnten ihn die Ärzte noch nicht fragen. Eindeutig ist für sie aber, dass - von was auch immer - eine Überdosis in seinem Körper gelandet ist. Dazu der Charité-Vorstandsvorsitzende Professor Karl Max Einhäupl:"Es gibt natürlich auch Berichte über tödliche Verläufe, die durch diese Substanzen ausgelöst wurden, insofern können wir sagen: wir haben keine Hinweise, dass es sich um ein Drogenproblem handelt und es wäre auch extrem ungewöhnlich, wenn jemand eine solche Droge in dieser Dosis, die er offenbar genommen haben muss, genommen hätte. Das wäre dann in suizidaler Absicht, aber da haben wir überhaupt keinen Hinweis drauf, dass so eine Absicht vorgelegen hat."
    Wasilow wird wieder gesund
    Die Charité-Ärzte lassen derzeit eine umfangreiche Analytik durchführen, um das ursächliche Gift eindeutig zu identifizieren. Da die Vergiftung jedoch schon eine Woche zurückliegt, ist ihre Hoffnung begrenzt, zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Immerhin: Sie erwarten eine vollständige Heilung ihres Patienten. Ob Pjotr Wersilow während seines Klinikaufenthaltes Personenschutz erhält, wollten die Ärzte nicht preisgeben. Nur so viel deutet Max Einhäupl an:
    "Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass er nicht nur ein ganz normaler Patient ist, sondern dass er im Interesse einer internationalen Öffentlichkeit steht und selbstverständlich werden dem auch gerecht."
    Es war der Wunsch von Wersilows Familie, dass er an der Charité behandelt wird. An der Berliner Klinik geht man davon aus, dass Wersilows kanadische Krankenversicherung die Kosten übernehmen wird. Der 30jährige ist sowohl russischer als auch kanadischer Staatsbürger.