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Puttrich: "Es muss um die sichersten Wege gehen"

Hessen komme als Zwischenlager für Atommüll nicht infrage, weil der Weg der Castoren dorthin zu lang sei und damit zu unsicher, sagt Landesumweltministerin Lucia Puttrich (CDU). Sie sehe keine Gefahr, dass deshalb der Kompromiss zwischen den Ländern noch scheitere.

Lucia Puttrich im Gespräch mit Jasper Barenberg | 18.05.2013
    Jasper Barenberg: Anfang Juli sollen Bundestag und Bundesrat den Neustart bei der Suche nach einem Atommüllendlager endgültig auf den Weg bringen, jetzt aber droht der Kompromiss auf den letzten Metern ein weiteres Mal zu scheitern, etwa an der Frage, wer sich bereit erklärt, 26 Castorbehälter zwischenzulagern. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein haben das angeboten, gebraucht aber wird noch eine weitere, eine dritte Option. Viele schielen deshalb nach Bayern oder nach Hessen, wo die CDU-Politikerin Lucia Puttrich Umweltministerin ist, jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Lucia Puttrich: Guten Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Frau Puttrich, warum sperren Sie sich dagegen, zumindest einige der Castoren nach Hessen zu holen und dort zwischenzulagern?

    Puttrich: Hier geht es nicht um sperren oder um Bereitschaft, sondern es geht darum, dass man den sinnvollsten Standort findet. Es werden 26 Castoren zurückkommen, fünf auf dem Landweg und 21 auf dem Seeweg. Die fünf auf dem Landweg, die werden auf dem kürzesten Weg nach Baden-Württemberg kommen, die 21 auf dem Seeweg, die müssen selbstverständlich im Norden Deutschlands sein. Es wäre vollkommen Unsinn, die quer durch Deutschland zu fahren, um sie irgendwo zu verteilen.

    Barenberg: Ist es fair, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bei dieser Aufgabe allein zu lassen?

    Puttrich: Das hat überhaupt nichts mit Fairness zu tun, sondern mit einer vernünftigen, sicheren Lösung. Hier geht es um einen sicheren Standort mit kurzen Wegen, mit kurzen Transporten und nicht um eine parteipolitische Verteilung.

    Barenberg: Warum hat das nichts mit Fairness zu tun? Es geht doch schließlich darum, dass die Castoren, die jetzt nicht mehr nach Gorleben sollen – so haben es sich alle in die Hand versprochen – gerecht verteilt werden müssen und dass sich alle ein wenig beteiligen an dieser Aufgabe.

    Puttrich: Es kann nicht um Verteilgerechtigkeit gehen, dass es auf mehrere Standorte verteilt wird, um das Gefühl zu haben, dass man damit das Richtige getan habe. Es muss um die sichersten Wege gehen, und es werden fünf auf dem Landweg transportiert. Die fünf auf dem Landweg, die gehen nach Baden-Württemberg, und die 21 auf dem Seeweg, die müssen selbstverständlich dort deponiert werden, wo die Transportwege sehr kurz sind, das heißt in Norddeutschland.

    Barenberg: Nun hat Schleswig-Holstein schon signalisiert, dass man für diesen Kompromiss dann nicht mehr stimmen wird, wenn es dabei bleibt, wenn man sozusagen alleine gelassen wird mit dieser Aufgabe. Sehen Sie da nicht eine Gefahr, dass der Kompromiss jetzt noch scheitern könnte?

    Puttrich: Nein, ich sehe keine Gefahr, dass der Kompromiss scheitert, weil am Ende alle miteinander sehen werden, dass die sicherste Lösung gefunden wird. Und es wäre vollkommen irrwitzig, wenn man anfangen würde, parteipolitisch zu verteilen nach dem Motto, die einen die, die anderen die. Wir brauchen eine Lösung, die langfristig ist, eine Lösung, die gut ist und die bedeutet, dass wir kurze Transportwege haben.

    Barenberg: Auf der anderen Seite, Frau Puttrich, stammt ja ein großer Teil des Materials, das im Ausland wiederaufbereitet wurde, aus Hessen, 14 Prozent um genau zu sein. Warum ist es also nicht Ihre Aufgabe, einen Teil dieses Mülls zumindest für eine gewisse Zeit lang zwischenzulagern und aufzunehmen?

    Puttrich: Ich wiederhole es noch einmal: Es geht um die Transporte, es geht um sichere Transporte, es geht um kurze Wege und es geht um fünf Landtransporte, also um fünf Castoren, die auf dem Landweg transportiert werden. Die werden alle in Baden-Württemberg deponiert. Die 21 anderen auf dem Seeweg, die müssen in den Norden Deutschlands. Man muss übrigens noch eins wissen: Wenn man an einem Standort Castoren deponieren möchte, dann braucht man dort eine entsprechende Anlage, um die Deckel zu wechseln, eine entsprechende Anlage kostet 50 Millionen Euro. Das heißt, jeder weitere Standort kostet auch noch mal zusätzliches Geld. Man kann also nicht einen Flickenteppich machen und überall ein paar verteilen.

    Barenberg: Und die Strecke ist dann das ausschlaggebende Argument neben der Sicherheit?

    Puttrich: Das Ausschlaggebende ist, dass wir den vernünftigsten Standort haben, dass wir nicht mehrere Transporte haben quer durch Deutschland, sondern dass wir möglichst wenige Transporte haben und dass wir Standorte haben, die bedeuten, dass wir kurze Transportwege haben und dass wir eine vernünftige Lösung im Konsens finden.

    Barenberg: Sie haben jetzt so allgemein vom Norden gesprochen, wohin die Castoren dann sollen neben den fünf, die Sie nach Baden-Württemberg gerne schicken möchten. Warum ist das aus Ihrer Sicht das Sinnvollste und welcher Standort wäre das denn, welchen würden Sie dann empfehlen unter diesen Bedingungen, die Sie nennen?

    Puttrich: Das wird Bundesminister Altmaier mit den Betroffenen im Norden entsprechend diskutieren. Es ist bekannt, dass in Brunsbüttel Castoren untergestellt werden können, die Frage ist, ob die Möglichkeit bestünde, auch dort noch mehr unterzustellen. Ich weiß, dass es im Norden einen entsprechenden politischen Druck gibt, auch auf die zuständige Ministerin, insofern ist deren Situation an dieser Stelle auch nicht ganz einfach. Aber es müssen die Standorte dort oben sein, bei denen es auch wiederum gilt, dass die Transportwege möglichst kurz sind, also möglichst nah an Häfen.

    Barenberg: Umweltminister Peter Altmaier hat ja gestern im Bundestag gesagt, dass er sehr zuversichtlich ist, diese und andere offenen Fragen noch bis Mitte Juni klären zu können. Von Ihrer Seite jedenfalls wird es aber kein Angebot geben, sich da zu beteiligen, an einer Lösung?

    Puttrich: Ich halte es für vollkommen falsch zu glauben, dass an den Zwischenlagerstandorten ein entsprechender Kompromiss scheitern würde. Ich war selbst bei den entsprechenden Verhandlungen dabei. Die haben monatelang gedauert, wir haben monatelang gerungen bezüglich unterschiedlicher Fragen – zum Beispiel, bis wann denn die Endlagersuche abgeschlossen sein soll, zum Beispiel, wie Kommissionen besetzt werden sollen, zum Beispiel, welche Kriterien angelegt werden sollen. Und ich halte das eben für ein durchsichtiges parteipolitisches Manöver, die Diskussion so aufzumachen, dass man nach Parteiengerechtigkeiten Zwischenstandorte sucht.

    Barenberg: Lassen Sie uns noch über einen anderen Aspekt sprechen: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich zu Wort gemeldet mit erheblichen Bedenken gegen den Gesetzentwurf, so, wie er jetzt auf dem Tisch liegt. Er sagt, die geplante Expertenkommission sollte nicht beim Bundestag angesiedelt werden, sondern er sieht das Umweltministerium, das Bundesumweltministerium in der Pflicht. Unterstützen Sie ihn in diesem Vorstoß?

    Puttrich: Da ich ja bei den entsprechenden Beratungen dabei war, weiß ich, warum die Kommission im Bundestag angesiedelt werden sollte. Das sollte bedeuten, dass unabhängig von Regierungen, von temporären zeitlichen Verhältnissen eine Kommission entsprechend arbeiten soll. Insofern kann ich nachvollziehen, warum die Lösung so, wie sie jetzt angestrebt wurde, auch durchgezogen werden soll.

    Barenberg: Und das heißt auch, am Ende ist das Umweltministerium außen vor. Aber ist es nicht in Wahrheit tatsächlich so, dass die Regierung am Ende über den Standort für ein Endlager entscheiden muss und dass man deswegen die Kommission auch eben dort ansiedeln müsste?

    Puttrich: Das Umweltministerium ist ja eingebunden, das ist ja nicht vollkommen aus der Sache draußen. Aber ich glaube, das ist ja ein Diskussionspunkt, der durchaus auch jetzt während des Verfahrens noch aufgeworfen werden kann, aber ich glaube auch, dass daran letzten Endes die Lösung nicht scheitern wird.

    Barenberg: Lucia Puttrich, die CDU-Umweltministerin aus Hessen, heute im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich bedanke mich dafür!

    Puttrich: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.