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Pyrrolizidin-Alkaloide in Kräutertees entdeckt

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat in Kräutertee-Proben unerwartet hohe Konzentrationen an Pyrrolizidin-Alkaloiden ermittelt - giftige Naturstoffe. Solange Kinder und Erwachsene aber nicht ständig Kräutertee konsumieren, sieht die Behörde keine akute Gesundheitsgefährdung.

Von Volker Mrasek | 16.07.2013
    Pyrrolizidin-Alkaloide – das sind Giftstoffe aus der Apotheke der Natur. Verschiedene Wildkräuter wehren damit Fressfeinde ab. Geraten diese Pflanzen versehentlich mit in die Ernte von Teesorten, finden sich Spuren der Alkaloide später im Getränk, das der Verbraucher zu sich nimmt. So erklärt sich das BfR, das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin, die aktuellen Messergebnisse.

    Analysiert wurden demnach über 220 Proben aus Lebensmittelmärkten und Apotheken im Raum Berlin. Vorwiegend Kräutertees und Kräutertee-Mischungen, aber auch Schwarzer, Grüner und Roibusch-Tee. Das Ergebnis laut BfR:

    "Fencheltee und Grüner Tee weisen ( ... ) im Durchschnitt eher geringere [Alkaloid-]Gehalte auf. Kamillen- und Melissentee zeigen im Gegensatz dazu die höchsten durchschnittlichen Werte an Pyrrolizidin-Alkaloiden."

    Das Bundesinstitut spricht von "unerwartet hohen" Alkaloid-Gehalten in einzelnen Proben, weist aber auch darauf hin, dass die gefundenen Konzentrationen sehr stark schwanken. Eine akute Gesundheitsgefährdung sieht die Behörde nicht, solange Kinder und Erwachsene Kräutertee nicht ständig konsumieren.

    "Per sé sind diese Stoffe praktisch nicht akut toxisch."

    Das bestätigt auch Helmut Wiedenfeld, Pharmazeut und Leiter der Arbeitsgruppe für Pflanzenchemie an der Universität Bonn. Wiedenfeld forscht unter anderem über Pyrrolizidin-Alkaloide.

    "Das Tückische daran ist aber, dass diese Stoffe in der tierischen oder menschlichen Leber zu toxischen Stoffen metabolisiert, also verstoffwechselt, werden. Und diese Stoffe können dann zu starken Lebervergiftungen führen, bis hin zum Leberkrebs."

    Die chronische Aufnahme der Pflanzengifte ist also das Problem. Sie erhöht möglicherweise das Risiko, an Leberzirrhose oder Leberkrebs zu erkranken. Das hebt auch das BfR in dem neuen Bericht über die Belastung von Tee hervor:

    "Die Weltgesundheitsorganisation stellte bereits 1988 fest, dass die Giftwirkungen der Pyrrolizidin-Alkaloide kumulativen Charakter besitzen. Daher können auch niedrige chronische Belastungen ein gesundheitliches Risiko darstellen. Als Langzeit-Effekte beim Menschen stehen die Leberzirrhose und die Entstehung von Tumoren im Vordergrund."

    Die Fachbehörde des Bundesgesundheitsministeriums spricht zwar von "ersten Ergebnissen" und von "nicht repräsentativen Untersuchungen" im Rahmen eines Forschungsprojektes. Gleichwohl gibt das BfR aber eine Empfehlung an bestimmte Verbrauchergruppen:

    "Es besteht (...) bei längerfristigem Verzehr von Produkten mit hohen Gehalten [von Pyrrolizidin-Alkaloiden] insbesondere bei Kindern, Schwangeren und Stillenden ein Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung. ( ... ) Eltern wird empfohlen, ihren Kindern nicht ausschließlich Kräutertees und Tee anzubieten. Schwangere und Stillende sollten Kräutertees und Tee abwechselnd mit anderen Getränken konsumieren."

    Es gibt aber auch Dinge an dem Bericht, die den Leser stutzen lassen. Zum Beispiel eine Tabelle, die besagt: Sämtliche untersuchten Melissen- und Baby-Fencheltee-Proben waren mit Pyrrolizidin-Alkaloiden belastet. Pfefferminz- und Kamillentee sowie Kräutermischungen darüber hinaus zu fast 90 Prozent.

    Das sind ungewöhnlich hohe Quoten! Bei der Kontamination von Lebensmitteln mit Schadstoffen liegen sie üblicherweise viel niedriger. Häufig erweist sich nicht einmal die Mehrzahl der Proben als positiv, also belastet. Könnte es sich also um einen Messfehler handeln?

    Die Experten des BfR schließen das aus. So äußerte sich Angelika Preis-Weigert heute Nachmittag gegenüber dem Deutschlandfunk. Die Lebensmittelchemikerin leitet die Fachgruppe Kontaminanten im BfR:

    "Wir haben umfangreiche qualitätssichernde Maßnahmen, die jede unserer Analysen begleiten. Und außerdem wurden zwei Teeproben mit unserer Methode von mehr als 20 Laboren im Ringversuch untersucht. Und diese Auswertung der 20 Labore hat unsere Analysenergebnisse klar bestätigt. Insofern können wir Messfehler wirklich ausschließen."

    Bei den Teeanbietern ist die Aufregung jetzt groß. Dem Vernehmen nach planen sie, eigene Analysen in Auftrag zu geben.