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Qualifizierungschancengesetz
Bessere Weiterbildung für Beschäftigte

Mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen hat der Bundestag neue Möglichkeiten zur Weiterbildung für Arbeitnehmer beschlossen. Das Qualifizierungschancengesetz sieht auch vor, dass der Arbeitslosenbeitrag sinkt. Für den Einzelnen ist diese Entlastung allerdings gering.

Von Frank Capellan | 30.11.2018
    Mitarbeiter in einem Büroraum mit Laptops und Flipchart
    Mit dem neuen Gesetz werden Arbeitnehmern neue Weiterbildungsmöglichkeiten garantiert (Imago)
    Etwas Eigenlob ist im Bundestag nicht zu überhören. Die wirtschaftliche Lage ist glänzend, das schafft Spielräume, erklärt der Abgeordnete Peter Weiß. Um 0,3 Prozentpunkte sollte der Arbeitslosenversicherungsbeitrag laut Koalitionsvertrag gesenkt werden. Jetzt sind sogar 0,5 drin, und mehr noch, so der Christdemokrat, die Rücklagen der Bundesagentur (*) für Arbeit können trotzdem steigen, auf 23 Milliarden Euro zum Jahresende.
    "Das heißt, wir bekommen das Kunststück hin, die Bürgerinnen und Bürger, auch die Unternehmen zu entlasten und gleichzeitig für mehr Sicherheit in der Arbeitslosenversicherung in Nürnberg zu sorgen – ich finde, das ist eine großartige Leistung!"
    Sozialer Fortschritt aus technischem Wandel
    Allerdings macht sich das für den Einzelnen kaum bemerkbar. Bei einem Bruttolohn von 2000 Euro bringt die Beitragssenkung von 3 auf 2,5 Prozent eine Ersparnis von 10 Euro monatlich, Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden dabei jeweils um die Hälfte entlastet. Geplant ist, den Beitrag bis 2022 zu halten und dann dauerhaft bei 2,6 Prozent zu deckeln. Entscheidender ist für Sozialdemokrat Hubertus Heil ein anderer Punkt der Gesetzesänderung
    "Es geht in einem Satz darum, aus technologischem Wandel sozialen Fortschritt zu machen."
    Den Fortschritt sieht der Arbeitsminister darin, dass Arbeitnehmern künftig neue Weiterbildungsmöglichkeiten garantiert werden. Drei Millionen Arbeitsplätze werden durch die Digitalisierung wegfallen, rechnet der Minister vor, zwei Millionen neue aber könnten entstehen. Unabhängig von Betriebsgröße oder Alter sollen sich Beschäftigte qualifizieren können:
    "Wir wollen beispielsweise Dachdeckern die Möglichkeit geben, um Umgang mit Drohnen geschult zu werden, damit sie weniger gefährdet arbeiten müssen, sondern mit einer Drohne gucken, wo es rein regnet, damit dann die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Wir müssen Techniker in der Automobilindustrie genauso wie Ingenieure weiterbilden, die bisher sehr stark auf den Verbrennungsmotor orientiert sind, damit sie auch neue Antriebe entwickeln und produzieren können und zum Beispiel auch als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen mit künstlicher Intelligenz umzugehen."
    Linke fordert Rechtsanspruch auf Weiterbildung
    Profitieren sollen auch die sogenannten Aufstocker, die zum geringen Lohn Hartz IV erhalten. Arbeitslose allerdings, glaubt Sabine Zimmermann von der Linkspartei, werden viel zu wenig auf Weiterbildungsangebote zurückgreifen können, daher gehe das Gesetz an den eigentlichen Problemen vorbei:
    "Es muss doch endlich Schluss damit sein, dass der Eindruck erweckt wird, erwerbslose Menschen würden viele vermeintlich bestehende Angebote nicht annehmen. Das ist falsch. Sie wollen nämlich sich weiterqualifizieren!"
    Die Linke fordert einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung, zudem mehr Geld für die Jobcenter, um die Förderung von Arbeitslosen zu verbessern. Die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages bringt einem Beschäftigten fünf Euro im Monat, bei großen Unternehmen sind es aber Millionen, die da zusammenkommen, so der Vorwurf. Das beklagt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, dem die Pläne des Gesetzgebers nicht weit genug gehen. Leiharbeiter, Beschäftigte im Niedriglohnsektor werden viel zu oft sofort in Hartz IV System durchgereicht, moniert Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Das meint auch Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sozialexperte der Grünen.
    "Dieses Qualifizierungschancengesetz ist eigentlich ein Verpasste-Chancen-Gesetz!"
    FDP: keine echte Entlastung
    Der Bund müsste viel mehr Geld in die Hand nehmen, um Menschen während einer Weiterbildungsphase besser abzusichern. Johannes Vogel von der FDP stört sich vor allem an der Senkung des Beitrages, die seiner Überzeugung nach viel deutlicher sein müsste
    "Eine echte Entlastung ist das heute ja nicht! Sie senken den Arbeitslosenversicherungsbeitrag jetzt weniger stark als sie könnten und um genau dieselbe Höhe haben sie gestern den Pflegeversicherungsbeitrag erhöht, das heißt, sie nehmen aus der linken Tasche wieder heraus, was sie in die rechte Tasche zugesteckt haben. Das ist keine Entlastung gerade der Geringverdiener, die bräuchten wir aber!"
    Die Reform ist Teil einer Reihe von Arbeitsmarktgesetzen, die sich die Große Koalition vorgenommen hat. Anfang des Monats erst hatte der Bundestag beschlossen, Langzeitarbeitslose mit Lohnkostenzuschüssen wieder in Jobs vermitteln zu wollen.
    (*) Im Onlinetext haben wir an dieser Stelle eine falsche Bezeichnung korrigiert.