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Qualitätsstandards für Lebensmittelimporte

Wegen der in Asien grassierenden Vogelgrippe hat die EU jetzt einen Importstopp über thailändisches Geflügel verhängt. Die EU ist für Thailand in diesem Bereich weltweit der zweitgrößte Markt. Japan als größter Abnehmer hatte bereits gestern einen Importstopp verhängt. Lebensmittelstandards und Maßnahmen zum Verbraucherschutz sind im internationalen Handel wichtig, aber sind sie auch immer berechtigt? Beispiel Aflatoxin in Nüssen: Das kann in zu hohen Dosen zu Krebs führen. Für diesen Stoff hat die EU die Grenzwerte so hoch gesetzt, dass Westafrikas Erdnussproduzenten keine Chance mehr auf unserem Markt haben. Diese Importhürde beschert ihnen Handelsverluste in Höhe von 700 Millionen US-Dollar. Aber in der gesamten EU verhindert die Regelung im Vergleich zu den international üblichen Grenzwerten gerade mal 0,7 Krebstote pro Jahr.

Von Monika Hoegen | 23.01.2004
    Der Vorwurf aus den Ländern des Südens ist unmissverständlich: durch immer mehr und immer neue Qualitätsstandards für Lebensmittel in Industrieländern - Sozialstandards, Umweltstandards, Gesundheitsstandards - gehen im Süden jährlich Exporte und damit Handelseinnahmen in Millionenhöhe verloren. Standards in der EU, die die gesundheitliche Verträglichkeit von Nahrung verbessern sollen, führen allein zu Exportverlusten von 64 Prozent in Afrika, so lauten einige Schätzungen. Auxillia Motsi, vom African Office der internationalen Verbraucherorganisation Consumers International in Simbabwe, übt die gleiche Kritik:

    Es gibt enorme Einkommensverluste. In einigen Fällen liegen die bei 700 Millionen US- Dollar, so wie bei den Mengenbeschränkungen für Aflatoxin in Nüssen. Wir sehen einen ähnlichen Trend bei tierischen Fetten in Schokolade, wo ebenfalls zwischen 530 und 630 Millionen US Dollar an Einnahmen verloren gehen. Das macht uns große Sorgen. Etwas anderes, das wir beobachten, ist, dass es für kleine und mittelgroße Farmer sehr schwierig ist, diesen Standards gerecht zu werden. Und deshalb bleiben sie automatisch beim Exportgeschäft außen vor.

    Verbraucherschutz hierzulande ist also unbekömmlich für die Menschen im Süden? Das sollte eigentlich im so genannten SPS-Abkommen - dem Abkommen über Sanitäre und Phytosanitäre Maßnahmen - verhindert werden, das 1995 von der Welthandelsorganisation WTO verabschiedet wurde. Es sieht vor, dass nationale Standards international harmonisiert werden müssen, um handelsverzerrende Wirkungen oder gar protektionistische Maßnahmen zu verhindern. Nur in Einzelfällen und bei "wissenschaftlicher Begründung" dürfen nationale Standards über internationalen Richtlinien liegen. Dennoch hat das SPS-Abkommen für die Entwicklungsländer nicht immer die gewünschte Wirkung, beklagt Lucy Namu, Regierungsvertreterin aus Kenia:

    Nun, das SPS-Abkommen ist da. Wir als Entwicklungsländer sehen uns aber vor der Herausforderung, dass wir nur unzureichend an den Gremien teilnehmen können, die die SPS-Standards setzen. Wir haben nur unzureichende Ressourcen, sie umzusetzen. Und auch die Harmonisierung von regionalen und nationalen gegenüber internationalen Standards ist eine Herausforderung, wenn es darum geht, das in Entwicklungsländern umzusetzen.

    Wie schwierig es für die Vertreter im Süden sein kann, ihre Interessen in internationalen Treffen durchzusetzen, wie zum Beispiel der Kommission des Codex Alimentarius, die Standards festsetzt, weiß auch Verbraucherschützerin Motsi aus Simbabwe.

    1995 bei einem Treffen der afrikanischen Codex Alimentarius Kommission, das in Abuja in Nigeria, stattfand, wurden Standards für Couscous festgesetzt. Sie hätten einige lokale Zutaten wie Hirse, Sorghum oder Mais völlig ausgeschlossen. Und dieser vorgeschlagene Standard hätte afrikanischen Couscous vom internationalen Markt ausgeschlossen. Und als die Verbraucherorganisationen, die bei dem Treffen dabei waren, das merkten, haben sie ihre nationalen Delegationen dafür sensibilisiert. Schließlich fiel die Entscheidung, einen anderen Standard für Couscous festzusetzen – inklusive der afrikanischen Version von Couscous.


    Doch trotz aller Klagen über die Standards. Natürlich weiß man auch im Süden, dass Gesundheitsrichtlinien für Nahrungsmittel wichtig sind. Schließlich sterben gerade in den Entwicklungsländern Jahr für Jahr zahlreiche Kinder an den Folgen von Durchfall – aufgrund qualitativ mangelhafter Nahrung. Die afrikanische Verbraucherschützerin Auxillia Motsi:

    Wir sind nicht gegen Standards. Wir denken, Standards sind gut, sie stellen sicher, dass Verbraucher gutes Essen haben, gesundes Essen. Aber wir denken auch, dass manchmal Standards unnötigerweise genutzt werden und dass sie zu einer Handelsbarriere werden. Consumers International unterstützt faire Standards, Standards die Produzenten von Entwicklungsländern befähigen, Zugang zu Märkten zu haben, gleichberechtigte Standards.


    Gretchen Stanton ist bei der WTO zuständig für das SPS-Abkommen und dafür, die Entwicklungsländer in den Komitees und Meetings für die Standards fit und zu gleichberechtigten Verhandlungspartnern zu machen. Stanton weiß, wie schwer das ist.

    BSE ist zum Beispiel bei diesen Treffen ein ständiges Thema. Es ist ein Problem für viele Länder, viele, die BSE selber nie hatten und jetzt trotzdem eine ganze Menge von Auflagen und Verpflichtungen erfüllen müssen, wenn sie in die Europäische Union exportieren wollen. Wir hatten auch schon Debatten über Cholera, Pestizide, kontaminierte Lebensmitteln, Grenzwerte für Antibiotika in einer Anzahl von Nahrungsprodukten. All das sind ernste Probleme für viele Entwicklungsländer.

    Hinzu kommt, dass es oft schon aus technischen Gründen schwierig ist, die hohen Standards der EU oder der USA zu erfüllen.

    Das Problem ist hauptsächlich mit der Frage verknüpft, was ist ein erkennbarer Wert. Werte, die in der Europäischen Union mit all seiner neuen Technologie gemessen werden können, sind kleinere Einheiten, als irgendein Entwicklungsland überhaupt messen kann.


    Bleibt nun umgekehrt die Frage, ob das berechtigte Anliegen der Entwicklungsländer nach fairem Marktzugang nun umgekehrt den Verbraucherschutz hierzulande bedrohen könnte. Diese Gefahr bestehe nicht, meint Clara Meynen vom Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen:

    Was wir hier erkämpft haben, dass der Verbraucherschutz hier einen ganz hohen Stellenwert in Deutschland auch bekommen hat, ist ganz ganz wichtig. Und ist natürlich für uns als Verbraucherverband ein großer Fortschritt. Und ich glaube auch nicht, dass das so angefochten wird. Es geht darum, dass man Standards so entwickelt, so einrichtet, dass sie halt nicht missbraucht werden können. Und dass es wirklich darum geht, einen Nutzen für den Verbraucher zu bekommen. Und nicht jetzt einfach nur die Märkte zu schützen. Das soll nicht der Sinn von Standards sein, aus unserer Sicht.


    Eine richtige Lösung für das Problem Qualitätsstandards contra Marktzugang können allerdings auch die Optimisten unter den Verbraucherschützern den Entwicklungsländern derzeit kaum bieten. Denn zurücknehmen wird man die Standards wohl kaum. Und so muss man im Süden darauf hoffen, dass der Norden wenigstens dieses Versprechen hält: den Entwicklungsländern finanziell und logistisch beizustehen, damit diese langfristig mit den Standards mithalten können.