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Quanten-Gedächtnis für Licht

Physik. - Eine absolut abhörsichere Datenübertragung im Internet – das bietet die Quantenkryptographie. Sie basiert drauf, dass die Geheimcodes mit einzelnen Lichtquanten übertragen werden, sog. Photonen. Das Ganze funktioniert zwar – aber nur über Strecken von ein paar Dutzend Kilometern. Abhilfe versprechen Forscher aus Genf in der heutige Ausgabe des Fachmagazins Nature.

Von Frank Grotelüschen | 11.12.2008
    Annähernd 300.000 Kilometer pro Sekunde. Das ist die Geschwindigkeit, mit der ein Lichtteilchen durch Raum und Zeit eilt. Anhalten lässt sich so ein Lichtteilchen, im Fachjargon Photon genannt, bislang nur mit beträchtlichem Aufwand – etwa durch eine Wolke aus ultrakalten Atomen. Jetzt aber präsentiert das Team um den Genfer Physikprofessor Nicolas Gisin eine deutlich simplere Methode. Im Zentrum dieser Methode steht ein kleiner, unscheinbarer Kristall.

    "In einer Mikrosekunde, also einer millionstel Sekunde, legt ein Photon normalerweise einige hundert Meter zurück. Doch wir sind in der Lage, dieses Photon aufzuhalten und einzufangen – und zwar in einem Kristall, der kleiner ist als ein Millimeter."

    Der Kristall ist durchsichtig und gespickt mit Abermillionen von Neodym-Atomen. Diesen Kristall beschießen die Genfer mit extrem schwachen Laserblitzen – wobei "extrem schwach" meint, dass die Laserblitze im Schnitt nur aus einem einzigen, einsamen Photon bestehen. Fliegt so ein Photon in den Kristall hinein, passiert das Entscheidende: Es interagiert mit den Abermillionen Neodym-Atomen. Gisin:

    "Die Neodym-Atome absorbieren das Photon, und zwar kollektiv, also alle gemeinsam. Aber im Gegensatz zu einer dunklen Wand, die das Licht einfach nur so verschluckt, erzeugen die Neodym-Atome in unserem Kristall eine Art Echo des Photons. Dieses Echo geistert dann durch den Kristall – ähnlich wie das Echo Ihrer Stimme durch eine Höhle geistert, wenn Sie in dieser Höhle laut gerufen haben."

    Das Echo, das Nicolas Gisin erwähnt, entspricht bestimmten Anregungswellen, die im Kristall hin- und herwabern. Nach einer gewissen Zeit dann gibt der Kristall das Photon wieder frei, und es kann weiterfliegen. Nur: In ihrer Veröffentlichung in "Nature" schreiben die Physiker, sie könnten ein Photon gerade mal eine Mikrosekunde lang speichern, also eine millionstel Sekunde. Ein ausgesprochenes Kurzzeitgedächtnis also. Reicht das schon für irgendwelche Anwendungen?

    "Nein, eine Mikrosekunde reicht noch nicht. Diesen Wert haben wir zwar in unserer Veröffentlichung angegeben, aber inzwischen schaffen wir schon mehr. Und es sieht ganz danach aus, als sollten wir im kommenden Jahr in den Bereich von Millisekunden vordringen, also tausendstel Sekunden. Und vielleicht sind dann sogar Speicherzeiten von mehreren Sekunden drin."

    Und damit wäre der Genfer Quanten-Speicher tatsächlich interessant für Anwendungen – insbesondere die Quantenkryptographie. Das ist eine neue Verschlüsselungsmethode für digitale Daten. Im Gegensatz zu den üblichen Verfahren ist sie absolut abhörsicher. Denn sie basiert darauf, dass die Geheimcodes mit einzelnen Lichtquanten, einzelnen Photonen übermittelt werden. Wenn nun ein Lauscher diese Photonen abfängt, bekommen das Sender und Empfänger unverzüglich mit und können die Datenübertragung rechtzeitig abbrechen, sagt Nicolas Gisin.

    "Unser Quantenspeicher wird vor allem dann nützlich sein, wenn man Geheimcodes über lange Distanzen übertragen möchte, das heißt über Strecken, die größer sind als nur einige Kilometer. Dafür braucht man nämlich spezielle Zwischenverstärker, die die äußerst schwachen Signale immer wieder auffrischen. Unser Quantenspeicher ist die Kernkomponente eines solchen Zwischenverstärkers. Und genau daran arbeiten wir jetzt."