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Quanteninformatik
Physiker tüfteln an neuem Rechnerkonzept

Am Quantencomputer tüfteln die Physiker schon lange. Bislang hat die Forschung aber nur Laborprototypen entwickelt. Denn die Geräte leiden unter Gedächtnisverlust und die Informationen gehen allzu rasch wieder verloren. Dem will nun ein Forscherteam aus Dänemark und den Niederlanden entgegentreten.

Von Frank Grotelüschen | 08.06.2016
    Seitenansicht: Atomfalle im Max-Planck-Instutiut für Quantenoptik in Garching. Den hier gespeicherten Atome lässt sich ein Quantenbit aufprägen.
    Seitenansicht: Atomfalle im Max-Planck-Instutiut für Quantenoptik in Garching. Den hier gespeicherten Atome lässt sich ein Quantenbit aufprägen. (Deutschlandradio/Frank Grotelüschen)
    Leo Kouwenhoven gerät ins Schwärmen, wenn er vom Quantencomputer erzählt. Der neue Rechnertyp böte ganz neue Möglichkeiten, sagt der Physiker der TU Delft.
    "Ein Quantencomputer funktioniert anders als ein normaler Rechner: Letzterer rechnet mit Bits, also mit Informationseinheiten, die entweder auf Null oder auf Eins stehen. Der Quantencomputer dagegen basiert auf Quantenbits. Die können gleichzeitig auf Null und auf Eins stehen."
    Das würde den Quantencomputer zu einem wahren Rechenmonster machen: Datenbanksuchen, Computersimulationen, das Knacken digitaler Codes, all das könnte er ungleich schneller erledigen als ein Superrechner. Könnte, denn einen funktionierenden Quantencomputer gibt es noch nicht. Der Grund:
    "Im Alltag beobachten wir keine Quantenphänomene, weil sie instabil sind und schnell wieder verschwinden. Genau das ist die Herausforderung für den Bau des Quantencomputers: Man muss die Quantenbits stabil halten, sodass sie ihre Information nicht gleich wieder verlieren. Und das ist extrem schwierig. "
    Manche Physiker versuchen es mit Atomen, eingesperrt in Laserfallen. Andere setzen auf supraleitende Schaltkreise, die Strom bei extremer Kälte verlustfrei leiten. Nur: Sonderlich stabil sind diese Quantenbits nicht. Meist haben sie in Sekundenbruchteilen ihre Information wieder verloren. Deshalb folgt Kouwenhovens Team einer anderen Idee, entlehnt aus der Teilchenphysik. Hier hatte der italienische Physiker Ettore Majorana vor rund 80 Jahren ein neues Teilchen postuliert, das Majorana-Fermion. Zwar suchen die Teilchenforscher diesen Exoten bis heute vergebens. Dennoch besitzt Majoranas Theorie für Kouwenhoven ihren Reiz.
    "Das Schöne an die ser Idee: Gelänge es, eine Quanteninformation in einem Majorana-Teilchen zu speichern, sollte sie überaus stabil sein. Das Problem des Quantencomputers wäre gelöst. "
    Denn Majorana-Fermionen könnte es nicht nur in der Teilchenphysik geben, sondern auch in Festkörpern, und zwar als sogenannte Quasiteilchen. Darunter versteht man ein kollektives Verhalten vieler Elektronen, die sich zu einem gemeinsamen Vorgehen verabreden - ähnlich wie Fußballfans, die eine La-Ola-Welle durchs im Stadion laufen lassen. Allerdings war es kniffelig, so ein Majorana-Teilchen zu erzeugen. Dazu brauchte es exotische Materialien wie Indium, Antimon und Niob.
    "
    2012 haben wir die ersten Anzeichen für dieses Teilchen entdeckt. Dafür mussten wir zwei unterschiedliche Materialklassen perfekt miteinander verbinden - einen Halbleiter und einen Supraleiter. Dadurch konnten die supraleitenden Eigenschaften auf den Halbleiter rüberschwappen und ein Majorana-Teilchen formen."
    Bald konnten Forscher aus Kopenhagen die Entdeckung bestätigen. Nun haben sich beide Teams zusammengetan mit dem Ziel, das erste Majorana-Quantenbit zu kreieren. Dazu müssen sie zwei dieser Exoten in enger Nachbarschaft platzieren, um sie dann mittels elektrischer Signale zu einem Positionstausch zu bewegen - eine Art Bäumchen wechsle dich. Durch den Platztausch sollten die Majoranas eine Quanteninformation aufnehmen und minutenlang halten können - viel länger als die bisherigen Systeme. Ein Meilenstein, den die Forscher fürs nächste Jahr anpeilen. Nur: Für einen Quantencomputer bräuchte es nicht nur zwei miteinander verbundene Quantenbits, sondern Hunderte. Kein Problem, meint Leo Kouwenhoven:
    "Sobald wir die Quantenbits realisiert haben, müssten es möglich sein, sie rasch zu größeren Systemen zu verbinden. Das würde die Konstruktion eines Quantencomputers enorm vereinfachen."
    Laufen aber würde das Gerät nur bei Temperaturen von minus 270 Grad Celsius. Die Kühltechnik dafür zu installieren, wäre für einen Internetriesen wie Google zwar kein Problem. Für den Schreibtisch-PC jedoch dürfte das sich wohl kaum lohnen.