Kralle übrigens singt auch gern, wenn er gerade mal nicht mit den scharfen Fingern in Leicheneingeweiden wütet oder Köpfe mit schnellem Schlag vom Leibe trennt; der Verbrauch an KunstKöpfen ist enorm. Ziemlich viele der sage und schreibe 36 Figuren am Rand von Kralles Flucht- und Schneiders Verfolgungsweg müssen Kopf oder Leben lassen; und werden hingebungsvoll (im zudem krankheitsbedingt geschrumpften Ensemblechen) von nur vier Schauspiel-Kräften des Hauses zuzüglich dreier Musiker bewältigt. Mindestens so viel wie auf Volker Hintermeiers wüst in sich verschachtelter und fleißig drehender Bühne wird also dahinter und daneben von Inspizienten, Ankleidern und den Mitarbeitern der Maske geleistet. Das ist das groteske, aber vielleicht ja auch programmatische Missverhältnis des Abends: zwischen diesem Maximum an Theaterbetriebsenergie und daneben dem Nichts an irgendwie gedanklicher, geschweige denn intellektueller Bemühung.
Das mag der Kern sein von Helge Schneiders Theater-Magie – so gründlich er sich nämlich (auch mit derlei Kasperltheaterauftrittssongs) allen ausgefeilteren Regeln des Theaters widersetzt, so grundsätzlich packt er es an der Seele: Intuition, Inspiration und Improvisation müssen offensichtlich jenseits all dessen, was sich "Inszenierung" nennen ließe, den Löwenanteil ausmachen in der Arbeit von allen, die sich einlassen auf das Abenteuer Schneider; wie "gaga" auch immer das Ergebnis sein mag.
Sehr "gaga" ist "Aprikose, Banane, Erdbeer"; und gerade wer die Methode kennt und vielleicht sogar schätzt, mag sich ein wenig langweilen. Doch am Ende (wenn auch noch der leibhaftige Teufel ins wirre Spiel kam und Satanskralle sogar ein Denkmal wie auf den Osterinseln bekommen hat) tritt Sergej Gleithmann auf - und da ist der Abend ganz bei sich: "Crazy Carl" soll er sein, ein Rapper auf Tournee - doch tatsächlich ist das ein schräger Schrat mit weissem Wallehaar unterhalb der Glatze, und er sieht aus wie übriggeblieben aus einer frühökologischen Land-Kommune der Siebzigerjahre, wie Baldur Springmann sozusagen frisch dem Jungbrunnen entstiegen. Er hampelt ein wenig parodistischen Ausdruckstanz hin, bevor Schneider ihn fragt: "Was machen Sie denn da?" "Ich?" antwortet er. "Nichts."
Genau. Das isses. Nichts und ein bisschen Ausdruckstanz. Und das Theater steht kopf.