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Radewahn: Schwarzer-Peter-Spiel hilft keinem

Die Kontrollen der Länder müssten noch besser durch den Bund koordiniert werden, fordert der Geschäftsführer des Deutschen Verbandes Tiernahrung, Peter Radewahn. Politik und Wirtschaft sollten sich zusammensetzten und gemeinsam vernünftige Ansätze finden.

Peter Radewahn im Gespräch mit Mario Dobovisek | 04.03.2013
    Mario Dobovisek: Höfe, die keine Milch liefern dürfen, verunsicherte Verbraucher, das Warten auf Testergebnisse – im Skandal um 45.000 Tonnen mit Schimmelgiften verunreinigten Futtermaises sind viele Fragen offen. Eine der Fragen wurde bereits am Morgen beantwortet: Die Menschen könnten wieder ohne Bedenken Milch trinken und Fleisch essen, sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister bei uns hier im Deutschlandfunk. Bereits 70 Prozent der betroffenen Milchbauern dürften wieder ausliefern.
    Am Telefon begrüße ich Peter Radewahn, den Geschäftsführer des Deutschen Verbandes Tiernahrung. Guten Tag, Herr Radewahn!

    Peter Radewahn: Schönen guten Tag, Herr Dobovisek.

    Dobovisek: Wir hören also aus der Politik, die Tierfutter-Industrie beziehungsweise die Eigenkontrollen der Wirtschaft hätten versagt, deshalb müssten staatliche Kontrollen stattfinden und die Wirtschaft müsse dafür zahlen. Ist das ein probater Ansatz, Herr Radewahn?

    Radewahn: In diesem Ansatz stecken gleich mehrere einzelne Tatbestände. Man muss, glaube ich, ein wenig sortieren. Der eine Vorwurf ist, die wirtschaftlichen Kontrollen hätten versagt. Das ist in dieser Form so nicht richtig. Erstens ist das Kontrollsystem natürlich ein mehrstufiges. Es kann nicht und darf nicht sein, dass es zunächst mal bis zur Milch durchgeht. Aber es gab durchaus Kontrollen von dieser importierten Partie im Dezember bereits.

    Dobovisek: Warum haben die nicht angeschlagen?

    Radewahn: Das hat mit der Verteilung des Aflatoxins und des Pilzes in der Gesamtware zu tun. Es gibt sehr, sehr unterschiedliche Werte von dieser Ware. Wie intensiv die kontrolliert worden ist vom Importeur, wird sich noch herausstellen müssen. Ich gehe davon aus, dass die Landesbehörden in dem Fall bereits aktiv sind.

    Dobovisek: Die Europäische Kommission warnte ja bereits im Herbst vor mit Schimmel verunreinigten Maislieferungen aus Serbien und schlug entsprechende Sonderkontrollen vor. Die Botschaft wurde über Bundes- und Landes-Landwirtschaftsministerin an die Wirtschaft weitergeleitet. Warum aber offenbar ohne Konsequenzen?

    Radewahn: Dass das ohne Konsequenzen geblieben ist, kann ich so auch nicht bestätigen. Ich muss tatsächlich zugestehen: Wir sammeln gerade die Kontrollergebnisse, die Eigenkontrollergebnisse unserer Mitglieder ein, die natürlich über diese Warnung des Bundesministeriums informiert worden waren und ihre Kontrollen gemacht haben. Wir versuchen gerade, all das zusammenzutragen, was seit Oktober an Aflatoxin-Kontrollen erfolgt ist.

    Dobovisek: Aber haben Sie, Herr Radewahn, Kenntnis darüber, ob in welcher Form auch immer darauf reagiert wurde?

    Radewahn: Soweit wir das nachvollziehen können, gibt es mehr Aflatoxin-Kontrollergebnisse, als das in normalen Jahren der Fall ist. Ich kann allerdings derzeit noch keine Zahlen nennen.

    Dobovisek: Der zweite Vorwurf, den Sie ja ansprechen wollten beziehungsweise den ich gerade schon in der Frage angesprochen habe, ist, dass die Eigenkontrollen versagt hätten und deshalb staatliche Kontrollen auf Ihre Kosten, nämlich auf die Kosten der Wirtschaft, nun stattfinden sollten. Wäre das vielleicht auch eine Art Kompromissvorschlag, um auch ein bisschen das Vertrauen wiederherzustellen?

    Radewahn: Die Frage der Bezahlung von Kontrollen ist, glaube ich, keine Vertrauensfrage. Wenn es so ist, dass die staatlichen Kontrollen heute bereits da sind – das ist das eine; es ist ja so, dass wir eine Kontrolle der Eigenkontrollergebnisse durch den Staat vollziehen; so ist das System insgesamt aufgebaut -, dann ist es eine Frage, warum sollte jetzt durch eine Änderung der Bezahlung alleine mehr Vertrauen entstehen. Im übrigen ist es so, dass die Kontrollen, soweit sie anlassbezogen stattfinden, das heißt es gibt irgendwo ein Ereignis und die staatlichen Kontrollbehörden haben Anlass zu sagen, wir müssen intensiver heran, wir brauchen mehr Proben, dann sind diese anlassbezogenen Kontrollen bereits heute mit der Wirtschaft abrechenbar. Das heißt, sie können in Rechnung gestellt werden.

    Dobovisek: Wer sollte künftig vielleicht ohne diesen Anlassbezug zuständig sein, verantwortlich sein für die Kontrollen, deren Durchführung und deren Überprüfung?

    Radewahn: In der Futtermittelkontrolle ist es im Übrigen anders, als Frau Höhn das heute Morgen schon ausgeführt hatte, offensichtlich so, dass wir eine Landeskontrolle haben. Wir haben staatliche Kontrolleinrichtungen, wie das Laves in Niedersachsen, bei dem alle Kontrollversuche jetzt zusammenlaufen. Es ist eine landesweite Kontrollstelle. Im Übrigen ist das in den meisten Bundesländern so. Dass hier eine stärkere Koordination auf Bundesebene der Kontrolltätigkeiten der Länder erfolgen kann und muss, hat sich auch schon vor einiger Zeit herausgestellt, entspricht auch einer Forderung, die wir haben.

    Dobovisek: Da können wir an den Dioxin-Skandal vor zwei Jahren erinnern, als Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ihren Zehn-Punkte-Plan vorschlug. Da erkennen wir heutzutage einige Punkte wieder. Allerdings: Die Politik zeigt auf Sie, die Wirtschaft, und Sie zeigen nun mit dem Finger auf die Politik. Habe ich das richtig verstanden?

    Radewahn: Es ist nicht nur eine Frage von Kontrolleinrichtungen und Kontrollorganisationen, sondern auch von der Durchführung, wie intensiv und an welchen Stellen was kontrolliert wird. Es hilft uns allen nicht, wenn wir hier ein Schwarze-Peter Spiel betreiben, weder von der Politik in Richtung Wirtschaft noch von uns in Richtung Politik. Wir müssen uns zusammensetzen und gemeinsam vernünftige Ansätze finden.

    Dobovisek: Die Skandale der vergangenen Jahre haben ganz offensichtlich gezeigt, dass so, wie die Kontrollen derzeit stattfinden, es nicht funktioniert. Wie, noch mal gefragt, soll es aus Ihrer Sicht stattfinden, damit ein solcher Skandal nicht wieder vorkommt?

    Radewahn: Das System hat sich weitestgehend bereits bewährt. Wir haben sicherlich im Moment eine Massierung von Vorfällen, die allerdings nicht im Futtermittelsektor zunächst mal angesiedelt waren.

    Dobovisek: Deswegen sprach ich auch den Dioxin-Skandal vor zwei Jahren an.

    Radewahn: Der Dioxin-Skandal hat nun wirklich eine ganz andere Dimension offensichtlich als das, was wir jetzt erleben. Gott sei Dank ist es so, dass wir hier, ähnlich wie seinerzeit bei Dioxin, keine Produktbeeinträchtigungen haben, die über Grenzwerten liegen. Die Kontrollen selbst werden von der Wirtschaft sehr, sehr ernst genommen und eine Überprüfung unserer Eigenkontrollen durch die Bundesländer erfolgt durch die amtliche Kontrolle. Noch mal: Wenn es hier Verbesserungsbedarf gibt, müssen wir uns zusammensetzen und das gemeinsam erörtern.

    Dobovisek: …, sagt Peter Radewahn vom Deutschen Verband Tiernahrung über die Kritik an der deutschen Futtermittelindustrie nach dem Fund schimmelbelasteter Maislieferungen aus Serbien. Ich danke Ihnen für das Gespräch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.