
Wahrscheinlich wird nirgendwo sonst auf der Welt so viel Fahrrad gefahren wie in den Niederlanden, denn dort gibt es sogar mehr Fahrräder als Menschen.
Das liegt mit großer Wahrscheinlichkeit auch an den gelungenen Verkehrswegekonzepten, denn an den meisten Straßen führen separate Radwege entlang, Fahrradfahrer haben eigene Straßenübergänge und Ampeln, Radschnellwege verbinden auch längere Distanzen und auf den meisten Wegen können Radelnde bequem nebeneinander herfahren.
Dirk Bussche arbeitet als Spezialist für Datenanalyse in der Mobilitätsplanung, lebt mit seiner Familie in den Niederlanden und genießt die gute Infrastruktur in Nimwegen. Die ist aus seiner Sicht so gut, weil man in den Niederlanden dem Fahrradverkehr eine hohe Priorität einräumt: "Damit beginnt es: das Planungsziel. Dieses 'Wir wollen das Fahrrad fördern'. Das zweite ist die Umsetzung. Das Fahrradfahren muss komfortabel, sicher, schnell und direkt möglich sein. Wenn ich mit meiner Familie in die Stadt fahre, dann fahren wir nebeneinander und quatschen miteinander. Das ist Familienzeit."

Deshalb plädiert er auch dafür, dass Fahrradwege passend sein müssen, um dann ohne Probleme Wege zurücklegen zu können: "Große Abstände, die ich in der Stadt zurücklege, die müssen direkt zu fahren sein und die müssen auch breit genug sein. Und dann brauche ich diese breite Struktur, sodass ich mich auch sicher fühle und nicht Angst habe, dass gleich jemand auf den Weg springt und ich deswegen schon ein bisschen langsamer fahre. Diese Sichtlinien sind sehr wichtig."
In den Niederlanden gibt es aus Bussches Sicht auch weniger Gegeneinander zwischen Rad- und Autofahrern. Autofahrer hätten ein Interesse daran, dass die Fahrradinfrastruktur gut ist aus drei Gründen: "Erstens: weil sie zu anderen Zeiten selber Fahrrad fahren. Zweitens: weil es für den Autofahrer relaxter ist, wenn er nicht dauernd darauf achten muss, dass er keine Fahrradfahrer anfährt. Und Drittens: dadurch, dass mehr Fahrrad gefahren wird, ist mehr Platz auf der Straße." Dazu nehmen Fahrradfahrer im Verkehr und in den Städten viel weniger Platz ein als Autofahrer.

Damit Menschen dauerhaft auf das Fahrrad zurückgreifen, müssen nach Ansicht von Dirk Bussche dauerhaft bestimmte Bedingungen erfüllt sein: "Die Infrastruktur muss stimmen. Das Verhalten muss stimmen. Die Kontrolle, dass niemand auf dem Radweg parkt muss stimmen. Der Winterdienst muss stimmen, dass der Radweg wirklich als Erstes freigeräumt wird. Es ist ein Gesamtpaket, was man auch nicht trennen kann."
Trennen sollte man aber unbedingt den Rad- und den Autoverkehr: "Es gibt Planungsparadigmen, die nicht ausgesprochen sind. Was wir versuchen, wenn es irgendwie möglich ist, ist den Radverkehr baulich zu trennen von der Straße - mit der Ausnahme von Wohngebieten. Dort ist es anders, da mischen wir den Verkehr. Auch bewusst, weil wir da auch die Begegnung wollen und weil wir auch die Geschwindigkeit so gering machen wollen, dass das auch geht. Aber sobald es aus dem Wohngebiet rausgeht, die Autos auch schneller werden, ist es eigentlich die einzige Option den Radweg auch baulich zu trennen. Dann kann der Radfahrer nämlich dort, wo er nicht an einem Konfliktpunkt ist, wirklich sicher und entspannt fahren. Das ist auch eine psychologische Entlastung."

Gerber Zibachaa, ist für den Radverkehr in Nimwegen zuständig. Er betont ebenfalls die baulichen Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, um ein gelungenes Radkonzept aufzubauen: "Es beginnt damit, ob es Stellplätze an deinem Haus gibt. Also: wo kannst du dein Rad abstellen? Es geht also auch um die Entwicklung von öffentlichem Raum. Wie werden Häuser gebaut? Damit fängt es an. Wir bringen unseren Kindern schon in jungen Jahren das Radfahren bei, sie begleiten uns beim Radfahren hinten auf dem Kindersitz. Die kennen das Radfahren also schon von klein auf und wissen wie es geht. Das kannst du nicht über Nacht verändern. Aber es gibt Dinge, die man einfach kopieren kann. Wenn neue Straßen gebaut werden, neue Stadtviertel - das geht einfach."
Wichtig ist es dabei nach Zibachaa, dass solch ein Umbau Verkehrsteilnehmern das Autofahren weniger attraktiv zu gestalten als das Radfahren: "Es geht auch darum Entscheidungen zu treffen, was das Parken angeht. Wenn Autos fast kostenlos abgestellt werden dürfen, dann wird man den Autoanteil nicht zurückdrängen. Man muss es also für Autos unattraktiver machen und attraktiver für den Radverkehr. Wir haben hier in Nimwegen gesagt: in allen Wohngebieten gilt Tempo 30. Nur auf den Hauptverkehrsachsen ist Tempo 50 erlaubt."
Nimwegen hat in den letzten Jahren viel Geld für einen Umbau der Stadt hin zu einer fahrradfreundlichen Verkehrsgestaltung investiert. Wie sich diese Investitionen im Stadtbild bemerkbar machen und welche Vorteile das Radfahren in der Stadt hat, untersucht die neue Episode des Radfunks. Wir fahren durch die niederländische Stadt und lassen uns erklären, welche Unterschiede durch einen Umbau einer Stadt gemacht werden können.