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Radiolexikon: Computertomografie

Seit der Entdeckung der Röntgenstrahlung haben sich die bildgebenden Methoden dramatisch weiter entwickelt. Andere Verfahren kamen hinzu, die Kernspintomografie etwa oder das Ultraschall, trotzdem hat das Röntgenbild nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil: Mit der Computertomografie erlebt es eine fulminante Renaissance.

Von Mirko Smiljanic | 24.08.2010
    Universitätsklinik zu Köln, Herzzentrum, 15:00 Uhr:

    "Wir befinden uns hier im neuen CT des Herzzentrums Köln, im Bedienraum, wo die MTAs die Untersuchungen planen und die Patienten überwachen," erklärt Dr. Henning Bovenschulte, Oberarzt und Leiter des Computertomografen, während zwei Medizinisch-Technische Assistentinnen eine Untersuchung vorbereiten.

    "Sieht so ein bisschen aus wie auf einer Raumschiffbrücke mit lauter Monitoren und verschiedenen Überwachungsgeräten, ja und wir können gleich mal in den Untersuchungsraum selbst reingehen und ein Blick auf das Gerät werfen."

    Eine höhenverstellbare Liege, an deren Ende sich ein mächtiger Block mit einer Öffnung in der Mitte befindet, gerade groß genug, um die Liege hindurchzuschieben.

    "Das ist hier in Appleweiß gehalten mit schönen weißen Tasten, ein sehr modernes Gerät," womit Henning Bovenschulte untertreibt: Es ist nicht nur ein modernes CT, es ist das aktuell weltweit modernste überhaupt. Dabei sind CT genau genommen auch nichts weiter als Röntgengeräte, natürlich mit einigen Besonderheiten. Die Wichtigste: Die Röntgenröhre – bei klassischen Geräten lassen sie sich gerade mal nach oben und unten, nach rechts und links verschieben – dreht sich beim CT in einer Kreisbahn um den Patienten.

    "Das Prinzip des CT besteht darin, dass sich um den Patienten eine Röntgenröhre mit einer Detektoreinheit dreht und den Patienten aus verschiedenen Richtungen auf dieser Kreisbahn aufnimmt, und was Sie hören, das ist das Hochfahren des Geräts, das hört sich ein bisschen an wie eine Waschmaschine im Schleudergang und dreht sich auch mit fast fünf Umdrehungen pro Sekunde, das sind schon ordentliche Kräfte, wenn man sich vorstellt, was da an Fliehkräften entsteht, bis zu 40 Tonnen ungefähr."

    Aber keine Angst, die Röntgenröhre fliegt den MTA schon nicht um die Ohren, und Röntgenaufnahmen werden in dieser Phase auch noch nicht gemacht, noch wird das CT für eine Untersuchung vorbereitet. Wie die abläuft, erläutert Assistenzärztin Susanne Weigel:

    "Ein Patient kommt zur Untersuchung des Thorax, das heißt des Oberkörpers, der Patient steht gerade noch vor der Tür, kam von Station im Bett, das ist ja im Krankenhaus auch oft der Fall, dass wir mit Umlagern beschäftigt sind."

    Zwei Pfleger schieben das Bett mit der 68-jährigen Dame in den Untersuchungsraum, heben sie vorsichtig aus dem Bett und legen sie auf die Liege des CT.

    "Sie wird dann noch zugedeckt, dass es nicht so kalt ist, die Geräte werden immer schön gekühlt."

    Langsam fährt der Tisch hoch, die MTA gibt der Patientin noch ein paar Hinweise, beruhigt sie ein wenig, wirklich wohl muss man sich ganz allein in einem appleweißen Raum ja nicht fühlen.

    "Jetzt wird die Untersuchung der Patientin an der Konsole geplant, es werden alle persönlichen Daten erfasst, Name, Vorname, Geburtsdatum."

    Und dann kann es schon losgehen:

    "Bitte die Luft anhalten", ruft eine Computerstimme der Patientin zu.

    "Die Patientin bekommt das Atemkommando, das sind Gott sei Dank immer sehr kurze Intervalle, die von den meisten Patienten auch eingehalten werden können."

    Die Röntgenröhre kreist um die Patientin und macht binnen weniger Sekundenbruchteile Übersichtsaufnahmen der Lunge.

    "Jetzt startet die richtige Untersuchung und Sie sehen schon, das ist eine sehr schnelle Daten-Akquise an diesem CT, in dieser Zeit haben wir die Untersuchung schon gemacht!"

    Die Pfleger kommen in den Untersuchungsraum, heben die Patientin in ihr Bett und bringen sie zurück auf die Station. Die restliche Arbeit übernimmt zunächst ein leistungsstarker Computer, der aus den vielen Aufnahmen ein digitales Bild berechnet und grafisch zusammensetzt; anschließend schaut sich der behandelnde Arzt die Bilder an und stellt eine Diagnose. Und da hat er, sagt Oberarzt Dr. Henning Bovenschulte, weit mehr Möglichkeiten als bei klassischen Röntgenbildern. Das Kölner CT liefert Aufnahmen ohne störende Überlagerungen mit extrem hoher Tiefenschärfe. Damit kann der Arzt "in die Tiefen des Körpers hineinsehen und auch Strukturen, die in niedrigem Submillimeterbereich liegen, darstellen. Also dieses Gerät bietet Auflösungen, die im Bereich von einem halben Millimeter liegen. Bis auf diese Winzigkeit kann man den Patienten auflösen und sich die verschiedenen Organe anschauen," und zwar in ganz unterschiedlichen Formaten – wobei das klassische Röntgenbild aus Wackelkunststoff, das der Arzt mit Schwung in die Halterung eines Lichtkastens knallt, allerdings nicht dabei ist.

    "Man kann es sich in Schwarz-Weiß angucken, es gibt heute aber auch sehr leistungsstarke Rechner, in denen man sich zum Beispiel auch dreidimensionale Abbilder generieren kann, Sie können sich zum Beispiel das Herz - dieses Gerät ist sehr gut für Herzuntersuchungen geeignet – Sie können sich in Bruchteilen von Sekunden das Herz hier scannen und direkt danach als dreidimensionales Abbild hier auf dem Monitor anschauen und die verschiedenen Herzkranzgefäße anschauen und das dem Patienten und den anderen Kollegen darbringen" und wenn spezielle Fragen zu klären sind, greifen Ärzte schon mal auf Kontrastmittel zurück, die sie dem Patienten vor der Untersuchung in die Vene spritzen.

    "Und im Körperkreislauf wird das Kontrastmittel verteilt und erfüllt dann den Zweck, dass wir Gefäße besser darstellen können, wir können die verschiedenen Organe uns besser anschauen, es ist oft bei der Suche nach Tumoren oder Entzündungen ein ganz entscheidendes Kriterium, es verbessert bei den meisten Fragestellungen die Bildqualität."

    Schauen sich Patienten die CT-Bilder an, wirken die Aufnahmen in ihrer Präzision und Detailtreue auf sie fast unwirklich, wie ein kleines Wunder! Allerdings hat dieses Wunder einen Haken.

    "Das CT ist insgesamt für einen nicht unbedeutenden Anteil der Gesamtstrahlenexposition im medizinischen Bereich verantwortlich, deshalb ist man auch bemüht, heute die Geräte möglichst so zu entwickeln, dass mit einem geringsten Maß an Dosis, an Strahlendosis, ein höchstes Maß an Bildqualität erreicht wird. Aber Sie haben Recht, man muss beim CT immer im Kopf behalten, dass da durchaus ein nicht unerklecklicher Teil an Röntgenstrahlung auf den Patienten aufgebracht wird."

    CT kommen also möglichst nur bei schweren Leiden zum Einsatz, bei Tumoren und Gefäßerkrankungen zum Beispiel. Schlichte Knochenbrüche gehören nicht dazu. Es sei denn, es sind viele Brüche. Aus der Unfallchirurgie ist das CT nicht mehr wegzudenken.

    "Sie können mit einem solchen Gerät innerhalb weniger Sekunden den gesamten Körper untersuchen, zum Beispiel ein Patient, der einen schweren Verkehrsunfall hat, wird hier in der Uniklinik nach einem ersten orientierenden Check von Kopf bis Fuß durch den CT geschoben, um dann innerhalb weniger Sekunden die wichtigsten Verletzungsfolgen aufzeigen zu können, um entsprechend die anstehenden Operationen zu planen."

    Eine Revolution, die genau genommen am 8. November 1895 mit den Entdeckungen des Würzburger Physikers Wilhelm Conrad Röntgen ihren Anfang nahm!