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Die Brust als Last

Ab 1.000 Gramm pro Brustseite gilt eine weibliche Brust als übergroß. Damit einher gehen starke Rückenschmerzen und Einschränkungen bei der Auswahl der Kleidung. Doch medizinisch indiziert ist eine Brustverkleinerung dadurch nicht. Vielmehr müssen die betroffenen Frauen dafür 4.500 bis 7.000 Euro zahlen.

Von Andrea Westhoff | 26.07.2016
    Eine Frau mit kurzen Haaren, Rückensicht, mit Bandagen um die Brüste herumgewickelt
    Die Brust-OP und ihre Folgen sind nicht ohne, dennoch habe die Erleichterung im Alltag alles andere aufgewogen, schreiben Betroffene in Internet-Foren. (Imago/China Foto Press)
    Ein "üppiger Busen" gilt gemeinhin als Sinnbild von Weiblichkeit und Attraktivität. Deshalb hätten manche Frauen gern etwas mehr Oberweite, lassen vielleicht sogar mit Silikon nachhelfen. Dass aber sehr große Brüste auch zu einer körperlichen und seelischen Last werden können, zeigen die vielen ähnlichen Einträge von betroffenen Frauen in den einschlägigen Internetforen:
    "Ich leide furchtbar unter den Dingern, seit ich denken kann. In der Schule war ich immer nur die mit "viel Holz vor der Hütt'n". Während meine Freundinnen schicke Dessous kaufen konnten, musste ich BHs tragen, die wie ein Ein-Mann-Zelt aussahen. Und überall werde ich angestarrt. Ich traue mich nie, mich weiblich zu kleiden, das kommt bei meiner Oberweite immer irgendwie so "nuttig" rüber.
    Mittlerweile habe ich Größe 85G, und meine Brüste hängen wie bei einer alten Frau. Ich habe permanent Schmerzen im Rücken, Nacken oder in den Schultern. Meine Wirbelsäule ist schon richtig gekrümmt. Aber wenn ich Sport mache, tun mir die Brüste selbst dabei weh. Ich will mich endlich wieder wohl in meinem Körper fühlen."
    Krankenkassen: Kostenübernahme bei krankhafter "Gigantomastie"
    Helfen könnte eine Brustverkleinerung. Aber die ist kein kleiner, unproblematischer Eingriff. Oft hapert es schon beim Geld, denn eine solche Operation kostet zwischen 4.500 und 7.000 Euro und ist keine reguläre Kassenleistung.
    "Die Krankenkasse übernimmt nur Leistungen aufgrund einer Krankheit. Das heißt, es kann nicht um einen ästhetischen Eingriff gehen."
    Erklärt die Juristin Gaby Streib von der "Unabhängigen Patientenberatung Deutschland", UPD. Doch der Nachweis ist schwierig. Die echte krankhafte "Gigantomastie", bei der die Brüste mehrere Kilo schwer werden können als Folge einer Hormonstörung, kommt äußerst selten vor.
    Zwar wird von den meisten Krankenkassen ein Gewicht ab 1000 Gramm pro Brustseite schon als "übergroß" bewertet, aber das allein reicht für eine medizinische Indikation zur Brustverkleinerung noch nicht aus.
    "Es muss feststehen, dass Sie eine übergroße Brust haben, die einen eigenen Krankheitswert hat, dann müssen Sie äußerste Beschwerden haben, die Brust muss ursächlich für diese Beschwerden sein. Also, wenn Sie zum Beispiel Rückenbeschwerden haben, aber nicht festgestellt wird, dass diese aufgrund der Größe der Brust entstanden sind, gibt es auch keine Kostenübernahme von der Krankenkasse."
    Am besten, so empfiehlt die Patientenberaterin, sollte man sich zunächst ausführlich ärztlich beraten lassen und mehrere Atteste von verschiedenen Ärzten einholen.
    Schmerzhafte Operation
    In diesen Aufklärungsgesprächen sollen neben der Kostenfrage auch die medizinischen Aspekte besprochen werden. Zum Beispiel spielt das Alter eine große Rolle. Im Prinzip sollte eine Brustverkleinerung erst vorgenommen werden, wenn das Wachstum abgeschlossen ist, betont Dr. Christian Witzel, Leiter der Abteilung Plastische Chirurgie an der Berliner Charité. Ein Ausnahmefall wäre die jugendliche Gigantomastie. Auch wenn eine Frau in absehbarer Zeit schwanger werden will, rät der Chirurg zu warten:
    "Dann sollte man sich wahrhaft überlegen, eine solche Operation nach der Stillzeit zu verschieben, das kann man sich vorstellen: Wenn man operiert, also Gewebe entfernt und großflächige Narben hinterlässt, dass eine Stillunfähigkeit oder eine reduzierte Stillfähigkeit resultieren kann."
    Nach oben gibt es im Prinzip keine Altersgrenze, allerdings sollte bei älteren Frauen immer eine Mammografie gemacht werden, um Brustkrebs auszuschließen. Außerdem erhöhen altersbedingte Begleiterkrankungen das generelle Operationsrisiko. Denn anders als die Brustvergrößerung ist die Verkleinerung ein ziemlich komplexer Eingriff. Sie wird in Vollnarkose durchgeführt und dauert zwischen zweieinhalb und vier Stunden. Da viel Fett- und Drüsengewebe entfernt und die Hauthülle reduziert werden muss, entsteht eine großflächige Wunde – äußerlich und im Körper.
    "Das ist etwas, was ich wichtig finde zu artikulieren, dass wir ohne Narben nicht operieren können. Die Narben können sich individuell sehr unterschiedlich ausprägen, und ich beschreib es den Patienten auch so, dass die Narben, die sie auf der Haut sehen, quasi nur die Spitze des Eisbergs darstellen."
    Risiken wie Nachblutung, Hämatome, Infektion, Wundheilungsstörung
    Selbstverständlich werden die Narben möglichst in den unteren Brustbereich gelegt. Aber das geht auch nur bedingt, weil bei einer Verkleinerung meistens eine ganz neue Brust geformt werden muss.
    "Die Brustwarze mit dem Brustwarzenhof wird von weiter unten etwas in die obere Richtung der Brust verschoben. Und daraus resultiert schon eine Narbe, die um den neu definierten Brustwarzenhof gelegen ist."
    Es gibt unterschiedliche Verfahren und Schnitttechniken, je nachdem, wie stark die Brust verkleinert werden soll. Die Operationsrisiken sind bei allen ungefähr gleich, sagt der Plastische Chirurg Dr. Christian Witzel :
    "Grundsätzliche oder sehr allgemeine Risiken sind die Nachblutung und Hämatome, also Blutergussbildung, und die Infektion und Wundheilungsstörung. Sie sind unspezifischer Natur. Wobei sie hier, gerade bei der Operation schon nicht mehr so unspezifisch sind, weil wir große Wundflächen schaffen dabei."
    Normal sind auch Beschwerden und Einschränkungen nach der OP: Zwar sollten die postoperativen Schmerzen im Krankenhaus effektiv bekämpft werden, aber die Frauen müssen sechs Wochen lang einen speziell angepassten Stütz-BH tragen, sie dürfen keinen Sport machen, nicht schwer heben und eine Weile nur auf dem Rücken schlafen.
    "Die Erleichterung im Alltag hat alles andere aufgewogen"
    "Wenn keine Komplikationen auftreten, dann ist nach sechs Wochen eigentlich ein normales uneingeschränktes Leben wieder möglich."
    Die betroffenen Frauen beschreiben das naturgemäß etwas "differenzierter", wenn sie in den Internetforen ihre Erfahrungen zur Brustverkleinerung austauschen:
    "Ich muss sagen, die Schmerzen waren schon heftig, besonders solange die Wundschläuche drin waren. Und die Narben sieht man doch sehr deutlich. Aber ich kann jetzt ganz normale T-Shirts anziehen und beim Sport tut nicht mehr alles weh und wackelt herum!
    "Ich hab leider nach Monaten immer noch in beiden Brüsten Taubheitsgefühle."
    "Bei mir ist der linke Brustansatz irgendwie nach oben gerutscht, und jetzt sieht es unsymmetrisch aus."
    "Also ich persönlich kenne fünf Frauen (mich eingeschlossen), die sich die Brüste haben verkleinern lassen. Bereut hat die OP keine von uns, egal ob das Ergebnis schön oder nicht so schön geworden ist. Die Erleichterung im Alltag hat alles andere aufgewogen."
    Bei einer so komplexen Operation können Komplikationen nie völlig ausgeschlossen werden. Deshalb sollten Frauen, die an eine operative Brustverkleinerung denken, unbedingt auf die Qualifikation des Arztes achten. Die Bezeichnungen "Schönheitschirurg, ästhetischer Chirurg oder kosmetischer Chirurg" sind nicht geschützt, also nicht das gleiche wie ein "Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie".