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Altersweitsichtigkeit

Altersweitsichtigkeit trifft jeden - früher oder später. Verschiedene Hilfsmittel stehen zur Verfügung: Brillen, Kontaktlinsen, künstliche Linsen, Lasern. Sie alle bieten jedoch nur Kompromisse. Nah oder fern gut zu sehen, bleibt im Alter schwierig.

Von Lisa von Prondzinski | 25.03.2014
    So zwischen 40 und 50 Jahren bemerkt fast jeder, dass er alles, was nah ist, nicht mehr scharf sehen kann. Das nennt man Altersweitsichtigkeit. Mediziner sprechen auch von Presbyopie. Das Nahsehen wird schlechter, weil die Augenlinse unbeweglicher wird und die Muskeln um sie herum erschlaffen. Deshalb kann sich die Linse nicht mehr so gut an unterschiedliche Entfernungen anpassen. Wer denkt, diesen Alterungsprozess mit Vitaminen, Nahrungsergänzungsmitteln oder speziellen Augenübungen aufhalten zu können, steht auf verlorenem Posten:
    "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass bei Patienten, die das Augentraining machen, die Altersweitsichtigkeit im Laufe des Lebens gänzlich ausbleibt, sondern allenfalls, darauf gibt es wissenschaftliche Hinweise, keine Beweise, dass die Altersweitsichtigkeit später kommt dadurch.", sagt Manuel Hermann, Oberarzt im Zentrum für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln.
    Das Kleingedruckte
    Um das Kleingedruckte lesen zu können, greifen Menschen, die ansonsten gute Augen haben, also zum Beispiel weder kurz- noch weitsichtig sind, meist zu Fertigbrillen. Diese Lesehilfen gibt es bereits für ein paar Euro in der Drogerie oder im Supermarkt. Viele Menschen haben gleich drei, vier solcher Fertigmodelle, was im Alltag nicht immer stressfrei ist:
    "Eigentlich habe ich das Gefühl, man müsste in jedem Zimmer eine Brille haben, mindestens eine, weil man immer gerade da ist, wo man die Lesebrille nicht hat." So wie dieser 48-Jährigen geht es vielen Frauen und Männern: Braucht man die Brille, ist sie unauffindbar. Wie helfen sich andere?
    "Ja, also früher habe ich sie tatsächlich immer verlegt und jetzt tue ich sie mir einfach in die Haare." Das ist keine Lösung für jeden.
    "Also das mit den Haaren hält bei mir nicht. Da bewundere ich immer andere Leute, die das toll können und wo das super aussieht."
    Und ein Band, an dem die Brille festgemacht und um den Hals gehängt wird, ist häufig lästig. Genauso wie das Verstauen in der Brusttasche. So bleibt vielen am Ende nichts weiter als die ewige Sucherei: "Wenn Sie mir ein System sagen könnten, würde ich es anwenden."
    Eine Brille, die man immer trägt, könnte eine weitere Option sein, meint zumindest der Kölner Optikermeister Michael Pfiffner. So ein Modell hat oben Fensterglas und unten die nötige Stärke zum Lesen. Doch eigentlich ist das nur etwas für den, der wirklich gerne eine Brille tragen möchte - als modisches Accessoire sozusagen. Bei Fertigbrillen von der Stange rät der Optiker Pfiffner jedoch zur Vorsicht:
    "Helfen tun die schon: Für zehn Minuten so eine Lesebrille, um etwas zu erkennen, ist überhaupt kein Problem."
    Billigbrillen sind nichts für die Dauer
    Kritisch sei es, damit längere Zeit zu lesen. Denn diese 08/15-Brillen haben meistens einen Einheitsabstand zwischen den Pupillen. Sie sind auf einen festen Wert eingestellt. Reiner Zufall also, wenn die eigene Pupillendistanz genau diesen Wert hat. Um ganz entspannt lesen zu können, sollte die Pupillendistanz der Brille mit den eigenen Augen übereinstimmen. Sonst können womöglich Beschwerden wie Kopf- oder Nackenschmerzen auftreten. Doch Fertigbrillen kommen ohnehin nur für eine begrenzte Trägerschaft in Frage, sagt der Augenarzt Manuel Hermann:
    "Wenn die Augen unterschiedlich sind oder eine Hornhautverkrümmung im Spiel ist oder grundsätzlich eine hohe Kurz- oder Weitsichtigkeit besteht, dann helfen Lesehilfen nicht."
    Irgendetwas davon trifft auf die meisten Menschen zu. Damit sie mit ihrer zusätzlichen Altersweitsichtigkeit gut leben können, sind viele Hilfsmittel auf dem Markt. Man muss nur das Passende für sich finden - was schwer genug ist. Am beliebtesten sind Gleitsichtbrillen. Meistens sind die Gläser darin in mehrere Sehzonen eingeteilt. Diese sogenannten multifokalen Gläser gehen ineinander über, sodass man nah und fern, aber auch in dem mittleren Bereich gut sehen kann. Der Augenarzt Hermann:
    "Dieser mittlere schmale Bereich ist bei guten Gleitsichtgläsern breiter und dadurch ist das Sehen deutlich besser, weil man ein großes Blickfeld hat, das scharf ist."
    Um aber auch im unteren Bereich möglichst viel scharf sehen zu können, ist auch dort ein breites Blickfeld nötig. Das alles hat seinen Preis. Gute maßgeschneiderte Gläser kosten pro Stück bis zu 500 Euro. Doch so praktisch Gleitsichtbrillen sind, so gewöhnungsbedürftig sind sie auch. Manche Träger klagen in den ersten Tagen über Schwindel, andere brauchen Wochen, bis sie gut sehen können. Wer damit auf Dauer nicht glücklich wird, kann die Gläser umtauschen. Außerdem ist Gleitsicht nicht für jeden optimal: Das Alter, der Grad der Sehschwäche und der Beruf spielen bei der Wahl von Brillen eine große Rolle.
    "Ein Programmierer, der täglich acht Stunden nur vor dem PC sitzt, und keine Kundenkommunikation hat, für ihn ist eine reine PC-Brille viel, viel praktischer."
    Alternativ zu Brillen gibt es Kontaktlinsen in vielen Varianten und verschiedenen Materialien. Die meisten Gleitsicht-Kontaktlinsen funktionieren wie Mini-Brillengläser. Allerdings kommt nicht jeder damit zurecht: Vor allem weil man damit Hell-dunkel-Kontraste schlecht wahrnimmt. Daher sollte man solche Linsen beim nächtlichen Autofahren nicht tragen.
    Der Laser ist kein Allheilmittel
    Seit einigen Jahren kann Alterssichtigkeit auch gelasert werden. Dabei wird mit einem Laserstahl die Hornhaut ähnlich wie bei einer Gleitsichtbrille geschliffen. Oder aber: Ein Auge wird so gelasert, dass es weit gut sehen kann und das andere Auge so, dass es in der Nähe gut sehen kann. Doch auch dieses sogenannte Monovision-Verfahren hat Mängel, wie der Augenarzt Manuel Hermann erklärt:
    "Die Monovision stört meistens in der Ferne nicht, aber in der Nähe, also wenn ich zum Beispiel ein Glas einschenke oder eine Menü-Karte lese kann es irritieren, dass ein Auge scharf sieht und ein Auge unscharf sieht."
    Lasern kommt ohnehin nur für Patienten mit ausreichend dicker Hornhaut in Frage. Nicht mehr gelasert wird, wenn die Alterssichtigkeit zu weit fortgeschritten ist. Außerdem kann Lasern den Alterungsprozess der Linse und der Muskeln nicht aufhalten, sodass einige Jahre später doch wieder eine Lesebrille nötig wird. Erst zwischen 65 und 75 Jahren stagniert die Altersweitsichtigkeit:
    "Es gibt von der medizinischen als auch von der optischen Seite her keine Möglichkeit bis jetzt, die Altersweitsichtigkeit so wieder herzustellen, dass die Nah- und Ferneinstellung automatisch, lautlos ohne Probleme funktioniert."
    Auch die Erfahrungen mit künstlichen Linsen lassen bisher zu wünschen übrig: Die speziellen Kunstlinsen werden meistens im Rahmen von ohnehin notwendigen Grauen-Star-Operationen eingepflanzt. Da die Krankenkasse meist aber nur die Kosten für einfache Linsen übernimmt – also solche, die fürs Sehen in die Ferne oder in die Nähe gut sind, zahlt der Patient für seine speziellen Kunstlinsen selbst dazu. Das können bis zu 3.000 Euro sein. Im Gegensatz zu anderen Operationsverfahren bleibt die Sehschärfe bei künstlichen multifokalen Linsen zwar bis zum Lebensende gleich, aber es können dauerhafte Probleme auftreten: Man sieht dann etwa in der Dämmerung störende Lichtkreise. Doch ganz gleich, mit welchem Hilfsmittel man die Alterssichtigkeit in den Griff bekommen möchte: Es kommt auf die Beratung an, meint der Augenarzt Manuel Herrmann. Man solle nicht vergessen:
    "Jeder Arzt und auch jeder Optiker wird eher die Methoden zur Verfügung stellen, die er beherrscht und auch direkt anbieten kann. Deswegen lohnt es sich möglicherweise einen Arzt zu besuchen, einen Optiker, und im Zweifelsfall einen zweiten Arzt und einen zweiten Optiker."