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Augenzucken

Augen-Yoga, progressive Muskelentspannung, Botoxbehandlungen oder Psychotherapie: All dies sind Methoden zur Behandlung von unwillkürlichem Lidzucken. Überanstrengung, zu lange Bildschirmtätigkeit oder Stress können Ursache sein, auch Magnesiummangel, eine Infektion oder erhöhter Blutdruck.

Von Andrea Westhoff | 03.12.2013
    Das Internet ist ein Spiegelbild für Hilferufe der verschiedensten Art...
    "Hallo zusammen! Ich habe zurzeit immer öfter so’n Zucken in den Augenwinkeln. Das Komische ist, dass man es nicht sieht, sondern nur spürt. Meistens tränen dann auch meine Augen ein bisschen. Is total nervig...."
    "Bei mir ist es unterhalb des Auges. Die Haut und auch die Lider zucken ab und zu in unregelmäßigen Abständen. Und jeder sieht es! Sind das die Nerven oder Muskelkrämpfe? Ich mache mir Sorgen, dass das nicht mehr weg geht."
    Unter dem Stichwort "Augenzucken" findet man zahlreiche Einträge in den verschiedenen Internetforen zu Gesundheitsfragen, und auch der Neurologe Dr. Walter Raffauf wird damit häufiger konfrontiert:
    "Also viele Menschen kommen und klagen über ein mal gelegentlich auftretendes Augenzucken, was eigentlich ein Lidzucken ist, was Minuten, Stunden oder auch manchmal Tage anhalten kann, und es gibt Leute, die das extrem beunruhigt, und wenn das dann Tage nicht aufhört, dann gehen sie zum Arzt und fragen, 'kann das irgendeine gefährliche Krankheit sein?', und in den meisten Fällen kann man sagen, 'nein, das ist momentane Anspannung, wird sich zurückbilden' – und fast immer ist das dann auch so."
    Manchmal ist es eine Überanstrengung der Augen, die zu diesem unwillkürlichen Lidzucken führt: durch zu lange Bildschirmarbeit, eine Fehlsichtigkeit oder "falsche Brille". Oder generell zu viel Stress. Da hilft am besten ein gezieltesEntspannungstraining wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, empfiehlt die Psychologin und Leiterin einer psychosomatischen Tagesklinik in Berlin, Christel von Scheidt:
    "Die progressive Muskelentspannung gilt als eines der am leichtesten zu erlernenden Entspannungsverfahren, weil die Menschen was tun. Das macht es auch manchmal leichter, gerade wenn die innere Anspannung sehr hoch ist; also das Hauptprinzip ist es, die Körperwahrnehmung zu verbessern, frühzeitiger zu merken, wenn Muskeln angespannt sind und sie auch wieder bewusst entspannen zu können. "
    "Ziehen Sie Ihre Augenbrauen kräftig nach oben, sodass Sie die Stirnmuskulatur angespannt spüren, halten Sie die Spannung – und wir lassen wieder locker."
    Besonders geeignet ist die progressive Muskelentspannung auch, weil man dabei nicht immer den ganzen Körper trainieren muss: Es gibt spezielle Übungen für das Gesicht und die Augen:
    Und nun kneifen Sie die Augen kräftig zusammen, rümpfen die Nase, als wenn sie in eine saure Zitrone gebissen hätten – kräftig, ja - und wieder locker lassen."
    Empfohlen wird neuerdings auch "Augen-Yoga". Aber bei näherer Betrachtung ist das nichts weiter als eine bewusste Augendrehung in alle Richtungen – ohne dabei den Kopf mit zu bewegen. Das kann man sich im Internet auf youtube von allen möglichen selbst ernannten Experten vorführen lassen, unter anderem sogar vom Ex-Beatle Paul McCartney. Auch Magnesiummangel oder eine Infektion am Auge kann für das Lidzucken verantwortlich sein, das muss man dann mit entsprechenden Medikamenten behandeln.
    "HILFE Ich habe das Augenlidzucken schon seit SECHS Monaten und werde es einfach nicht mehr los. Habe schon haufenweise Magnesium und Vitamine in mich hineingekippt, mich gesund ernährt, auf Alkohol und Nikotin verzichtet und mich immer wieder versucht zu entspannen, doch NICHTS hilft!!! Langsam krieg’ ich wirklich Angst..."
    "Es gibt allerdings Augenzucken, was permanent da ist oder auch immer wieder kommt über Wochen, und das ist dann schon etwas, was von neurologischer Seite abgeklärt gehört."
    Sagt Dr. Walter Raffauf, Sprecher des Berufsverbands Berliner Nervenärzte. Allerdings muss man auch dann nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen:
    "In meiner persönlichen Praxis habe ich das vielleicht einmal erlebt, dass ein Tumor hinter so einem Lidzucken steht, in den allermeisten Fällen sind es im Prinzip behandelbare Krankheiten, die nicht bösartig sind, die nur im Alltag extrem lästig sein können und deshalb auch regelmäßig behandelt werden müssen."
    Zum Beispiel kann ein "pulsierendes Blutgefäß" für das Lidzucken verantwortlich sein, eine Ader im Gehirn, die den Augennerv irritiert:
    "Diese Ader führt dann durch ständiges Klopfen quasi an dem Nerven dazu, dass der immer wieder unwillkürliche Impulse losfeuert, und dann kommt es zum Zucken eines Auges oder der gesamten Gesichtshälfte, und das nennt man Spasmus hemifacialis, das ist etwas, was sehr gut behandelt werden kann mit Injektion von Botox, was ja viele kennen durch die kosmetischen Behandlungen, und mit dem Botolinumtoxin – so ist ja der eigentliche Name – wird dann das Lid und der Muskel ums Auge herum ruhiggestellt für einige Monate, und das Zucken hört dann auf, diese Behandlung muss allerdings dann wiederholt werden, weil es die Tendenz hat, immer wieder zu kommen."
    Für diese "klopfende Ader" im Gehirn kann wiederum Stress eine Ursache sein oder ein generell erhöhter Blutdruck. Deshalb empfehlen Ärzte neben der Botoxbehandlung zusätzlich Entspannungsübungen. Es gibt auch eine chirurgische Behandlungsmöglichkeit, aber die sieht der Neurologe Walter Raffauf eher kritisch:
    "Es gibt einen neurochirurgischen Eingriff, der darin besteht, dass man quasi den Nerven von der Schlagader, die in der Nähe liegt, trennt, indem man zwischen die beiden ein Schwämmchen einsetzt, und dann lässt das Zucken am Auge nach und im Gesicht nach, diese Operation ist nicht ganz harmlos, ein Patient, der selber gern operiert werden wollte, hatte als Nebenwirkung eine Taubheit auf dem Ohr der betroffenen Seite, das ist für mich eigentlich ein zu hoher Preis um so eine Operation zu rechtfertigen. In manchen Fällen, wenn die Patienten wirklich verzweifelt sind, mag das indiziert sein, aber man sollte es erst ohne Operation versuchen."
    Länger anhaltendes Augenzucken kann auch ein erstes Zeichen sein für einen so genannten "Lidkrampf", eine schwerere neurologische Störung im Augenbereich, die meistens beide Seiten betrifft:
    "Die Leute haben, meistens in schwierigen Situationen, dann ein Zukneifen der Augen, was sehr beeinträchtigend ist und letztlich sogar zu einer so genannten funktionellen Blindheit führen kann, das hält dann Minuten an, dann gehen die Augen wieder auf, aber das kann den ganzen Tag über wiederkommen und sehr störend sein. Auch dieses würde mit Botoxinjektionen um die Augen herum behandelt, das macht der Neurologe, denn es handelt sich dabei um eine Krankheit des Gehirns, die sich an der Muskulatur der Augen abspielt."
    Die genaue Ursache für einen solchen Lidkrampf ist noch nicht bekannt, und besonders betroffen davon sind ältere Frauen. Aber auch ganz junge Menschen haben bisweilen Probleme mit unwillkürlich zuckenden Augenlidern, sagt der Neurologe Dr. Walter Raffauf:
    "Das sind sogenannte Tics, was häufig bei Schülern auftritt, wenn sie angespannt und nervös sind, und das ist eigentlich etwas, was man psychotherapeutisch behandeln sollte, in vielen Fällen ist es aber auch etwas Harmloses und bildet sich im Laufe des Lebens von allein zurück, es ist natürlich für den entsprechenden Schüler sehr unangenehm, wenn er immer wieder darauf angesprochen wird, und daher macht es wahrscheinlich in manchen Fällen Sinn, dass da psychologische Unterstützung gesucht wird."