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Radiolexikon Gesundheit: Diabetes mellitus

Knapp neun Prozent aller Deutschen leiden an Diabetes mellitus. Damit zählt die Zuckerkrankheit zu den großen Volksleiden. Hinter dem Begriff Diabetes mellitus verbirgt sich gleich ein ganzes Bündel unterschiedlicher Stoffwechselstörungen, die allerdings einen gemeinsamen Nenner haben: Im Blut der Patienten befindet sich zu viel Zucker.

Von Mirko Smiljanic | 03.09.2013
    Knapp neun Prozent aller Deutschen leiden an Diabetes mellitus. Damit zählt die Zuckerkrankheit zu den großen Volksleiden. Vor allem aber ist sie eine der großen Zivilisationskrankheiten, die immer auch viel mit Ernährung und Bewegung zu tun hat. Hinter dem Begriff Diabetes mellitus verbirgt sich gleich ein ganzes Bündel unterschiedlicher Stoffwechselstörungen, die allerdings einen gemeinsamen Nenner haben: Im Blut der Patienten befindet sich zu viel Zucker.

    Diabetes mellitus ist die Epidemie des 21. Jahrhunderts! Zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO 1994 weltweit nur rund 110 Millionen zuckerkranke Menschen, so sind es heute schon knapp 300 Millionen, in 20 Jahren liegt die Zahl bei etwa 500 Millionen. Tendenz: weiter steil steigend!

    "Das Kennzeichen des Diabetes mellitus ist, dass die Blutzuckerwerte erhöht sind."

    Privat Dozent Dr. Udo Schmitz, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin im Waldkrankenhaus Bonn:

    "Das ist das Maßgebliche, darauf stützt sich die Diagnose, und durch diese Erhöhung des Blutzuckers können nun verschiedene Sachen passieren. Das erste, was halt der Patient merkt, wenn die Blutzuckerwerte in die Höhe gehen, ist, dass er sehr viel Durst bekommt, dass er viel Wasser lässt und viel trinken muss und dass er sich halt schlapp und müde fühlt. Das wären so die typischen Symptome einer Zuckererkrankung."

    Es sei übrigens ganz normaler Traubenzucker, der sich im Blut befinde – sagt Udo Schmitz, in moderater Menge sei er ein unerlässlicher Energieträger, vor allem das Gehirn komme ohne nicht aus. Aber eben nur in genau austarierter Konzentration. Kontrollinstanz für den Zuckerpegel ist die Bauchspeicheldrüse.

    "In der Bauchspeicheldrüse wird das Insulin gebildet, das den Blutzuckerspiegel senkt und den Blutzucker letztlich in die Zellen hineinbringt, sodass die Zellen die Glukose zur Verfügung haben, um sie zu verstoffwechseln. Beim Diabetes mellitus gibt es ja nun unterschiedliche Formen des Diabetes mellitus, aber letztlich allen gemein ist, dass die Insulinwirkung halt nicht mehr vorhanden ist und damit der Blutzucker nicht mehr in die Zellen geschafft werden kann, sondern im Blut verbleibt."

    Mediziner unterscheiden bis zu sechs verschiedene Diabetestypen – wobei Typ 1 bis Typ 4 die häufigsten sind. Beim jugendlichen oder juvenilen Typ 1 werden die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse – die Betazellen – durch Entzündungsprozesse so weit zerstört, dass ein absoluter Insulinmangel herrscht. "Jugendlich" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Diabetes häufig in jungen Jahren auftritt – aber nicht auftreten muss. Typ 1-Diabetes entwickelt sich hin und wieder auch bei älteren Menschen.

    "Beim Typ 2-Diabetes ist die Situation eine ganz andere. Der Typ 2-Diabetes ist die mit Abstand häufigste Ursache mit über 90 Prozent in unserer Bevölkerung und hat viel mit dem Übergewicht und der Bewegungsarmut zu tun. Beim Typ 2-Diabetes ist es so, dass noch Insulin gebildet wird, es wird sogar etwas mehr Insulin als üblich gebildet, aber das Insulin wirkt nicht mehr so gut in den Zellen, in denen es wirken muss. Das sind insbesondere die Leber, das Fettgewebe und die Muskulatur."

    Die eine schleichende Insulinresistenz erleben: Das Hormon verliert nach und nach seine Wirkung, Diabetes-Symptome wie Durst und Müdigkeit stellen sich ein. Weil Übergewicht und Bewegungsmangel zu den wichtigsten Ursachen des Typ2-Diabetes zählen, macht den Prozess zumindest teilweise rückgängig, wer sich viel bewegt und abnimmt. Teilweise deshalb, weil dieser Diabetes-Typ auch einhergeht mit einer genetischen Komponente. Sind Vater und Mutter Typ2-Diabetiker, erkranken die Kinder mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 80 Prozent ebenfalls an Diabetes mellitus des gleichen Typs.

    Beim Typ3-Diabetes liegen die Ursachen in ganz anderen Bereichen: Er geht einher mit hormonellen Erkrankungen, mit Morbus Cushing etwa, einem Tumor der Hirnanhangdrüse oder der Acromegaly, einem Überschuss von Wachstumshormonen.

    "Es gibt dann noch den Typ4-Diabetes, das ist der Diabetes, der lediglich in der Schwangerschaft auftritt, der sogenannte Gestationsdiabetes, und der sich dann nach der Schwangerschaft auch wieder zurückbildet. "

    Typ5- und Typ6-Diabetes sind vergleichsweise seltene Formen mit genetischem Hintergrund. Unbehandelt führt Diabetes mellitus zu teilweise schweren Folgeerkrankungen, beim Typ1-Diabetes etwa zu einer Übersäuerung des Blutes, an der vor 100 Jahren viele Menschen verstorben sind. Daneben gibt es aber auch langfristige Veränderungen, etwa bei den kleinsten Blutgefäßen.

    "Und das kann dann zu Veränderungen des Augenhintergrundes führen, der Netzhaut, sodass es im schlimmsten Fall zu einer Erblindung kommen kann, das kann dazu führen, dass die Niere geschädigt wird, sodass es im schlimmsten Fall zu einer Dialysepflichtigkeit kommen kann, und es kann sein, dass die kleinsten Nerven geschädigt werden, die dann zu einem Gefühlsverlust im Bereich der Beine und Füße führen, sodass hier Wunden entstehen, die dann bis zur Amputation reichen."

    Solche Komplikationen sind aber glücklicherweise vergleichsweise selten. Dank einer flächendeckenden medizinischen Versorgung ist sogar die Lebenserwartung von Diabetikern gestiegen: Lag sie beim Typ 1 Mitte des letzten Jahrhunderts noch 15 Jahre unter dem statistischen Mittel, sind es heute nur zwei Jahre. Beim Typ 2 liegt die durchschnittliche Lebenszeiteinbuße zwar bei acht Jahren, allerdings kann der Patient durch Sport und Ernährung eine Menge tun, um seine Situation drastisch zu verbessern. Mitverantwortlich für diese positive Entwicklung ist aber noch ein anderer Faktor: Diabetiker können heute ihren Zuckerspiegel wesentlich genauer prüfen als in früheren Jahren.

    "Leider ist es so, dass der Blutzucker ein sehr schnell wechselnder Parameter ist."

    Dr. Dieter Scholz, Diabetologe am St.-Antonius-Krankenhaus, Köln:

    "Das heißt, die Insulineinstellung, die mich gestern in einen optimalen Status versetzt hat, kann heute schon die Falsche sein, und deswegen muss ich ständig nachmessen."

    Und zwar mit einem Blutzuckermessgerät, dem ständigen Begleiter von Diabetikern. Grundsätzlich gilt: Je genauer der Blutzuckerspiegel eingestellt ist, desto besser ist die allgemeine Situation des Patienten. Herzstück ist dabei das Blutzuckermessgerät! Es besteht aus der Messeinheit und aus den Teststreifen, auf die der Diabetiker einen winzigen Blutstropfen aufbringt. Messen ohne Pieksen funktioniert – leider – noch nicht. Den Teststreifen mit dem Blut schiebt er anschließend in das Gerät.

    "Und in dem Moment, wo der Blutstropfen mit dem Messstreifen in Berührung kommt, misst das Gerät, und bereits nach fünf bis zehn Sekunden je nach Gerätetyp, haben Sie Ihre Blutzuckermessung im Display."

    Weder müssen Knöpfe gedrückt, noch Daten eingegeben werden – die Geräte arbeiten vollautomatisch. Und zwar sowohl die Großen als auch die Kleinen. Das Kleinste hat die Form einer Armbanduhr und wird deshalb von jugendlichen Diabetikern gerne genutzt. Für alle, die eine permanente Kontrolle brauchen, gibt es die Luxusvariante. Mit diesem Gerät – sagt Dieter Scholz – habe man die Möglichkeit:

    "Den Blutzucker kontinuierlich zu messen. Das geht derart vor sich, dass Sie sich einen winzig kleinen Plastikschlauch in die Bauchhaut einführen und dieser Plastikschlauch zusammen mit der Elektronik, die sie anbringen, kann über drei bis zu fünf Tagen alle fünf Minuten Ihren Blutzucker messen."

    Der Traum aller Diabetiker aber ist die Künstliche Bauchspeicheldrüse: Sie führt dem Körper punktgenau das fehlende Insulin zu. Vor allem für Kinder, die ja auch den Blutzuckerspiegel alle paar Stunden messen müssen, wäre sie ein Segen. Weltweit arbeiten viele Firmen an solchen Systemen, marktreife Geräte gibt es aber noch nicht.