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Radiolexikon Gesundheit: Reizdarm

Gemüse ist zwar gesund, aber nicht gerade leicht verdaulich. Das bedeutet mehr Reizungen für den Darm. Für Menschen, die einen sogenannten Reizdarm haben, kann dies mit Schmerzen verbunden sein. Die Ursachen für einen Reizdarm sind vielfältig: von der Ernährung bis zu Stress können viele Faktoren eine Rolle spielen.

Von Renate Rutta | 23.08.2011
    "Porree, Möhren, Wirsing, Blumenkohl und an Obst: Apfelsinen, Clementinen und im Sommer: Blumenkohl und sehr viel Salat."

    Gemüse wird gerne gekauft auf dem Markt. Es enthält viel Ballaststoffe und ist damit zwar gesund aber nicht gerade leicht verdaulich. Das bedeutet Mehrarbeit für den Darm und auch mehr Dehnungsreiz für den Darm. Manche Patienten mit einem Reizdarm verspüren dann Schmerzen, sagt Prof. Remy Meier von der Medizinischen Universitätsklinik am Kantonsspital Liestal in der Schweiz:

    "Es gibt ja diesen Versuch: wenn man gesunden Probanden einen Ballon im Darm aufbläst, dann verträgt der ein viel höheres Volumen als ein Patient mit einem Reizdarm. Eine viszerale Hypersensitivität ist hier sicher vorhanden. Sie merken einfach mehr, was in ihrem Bauch abgeht. Sie spüren einfach die Bewegungen im Darm, sie realisieren das viel mehr als ein Patient, der nicht an einem Reizdarm leidet."

    Reizdarmpatienten reagieren also empfindlicher auf ganz normale Verdauungsvorgänge und nehmen diese bewusster wahr. Aber nicht jeder, der empfindlich reagiert, hat automatisch einen Reizdarm. Die Ärzte tun sich schwer mit einer eindeutigen Beschreibung.

    "Ein Reizdarm ist eine schwierig zu definierende Erkrankung. Man nimmt an, dass immer wiederkehrende Bauchschmerzen zusammen mit Blähungen zusammen mit Stuhlunregelmäßigkeiten für einen Reizdarm sprechen."

    Man schätzt, dass 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung unter einem Reizdarmsyndrom leiden mit Blähungen, Durchfall und Verstopfung. Nicht bei allen sind die Beschwerden so stark, dass sie zum Arzt gehen.

    "Der Reizdarm ist nicht eine Erkrankung, die eine Ursache hat. Es gibt verschiedene Umstände wie Psyche, wie Umfeld, wie Stress und auch wahrscheinlich die Ernährung spielt eine Rolle hier."

    Die Ursachen scheinen also vielfältig zu sein. Unklar ist, warum viel mehr Frauen als Männer vom Reizdarm betroffen sind.
    Wahrscheinlich ist jedoch, dass es eine genetische Veranlagung für das Reizdarmsyndrom gibt. Und ein Teil der Patienten bringt die Beschwerden mit Stress in Verbindung.

    "Man redet auch von einem Großhirn, das zentrale Nervensystem und dem Kleinhirn, dem Darmhirn und das hat enorm viele Nervenzellen und Synapsen im Darmbereich. Und diese stehen im Kontakt mit dem Zentralnervensystem und somit gibt es eine Interaktion zwischen Psyche, Stress und auch natürlich mit dem Darm."

    Es gibt aber auch eine größere Anzahl von Patienten, bei denen eine Darminfektion dem Reizdarm vorausgegangen ist.

    "Man nimmt an, dass etwa bis zu 30 Prozent der Reizdarmpatienten nach einer banalen viralen oder bakteriellen sogenannten Magen-Darm-Grippe dann in der Folge einen Reizdarm entwickeln. Es gibt verschiedene Arbeiten, die zeigen, dass nach einer Infektion im Darm die Wahrnehmung der Beschwerden bei diesen Patienten zunimmt, wahrscheinlich weil eine Entzündung im Darm vorliegt."

    Auch Prof. Dirk Haller vom Lehrstuhl für Biofunktionalität der Lebensmittel an der TU München vermutet einen Zusammenhang mit einer vorangegangenen Infektion.

    "Ich denke mal, beim Reizdarm gibt es unterschiedliche Kategorien, die postinfektiöse, die nervale und der gemischte Phänotyp. Postinfektiös geht zurück auf eine Campylobacterinfektion in England, wo quasi Ärzte feststellten, dass nach einer Campylobacterepidemie lokal plötzlich ein Jahr später viele dieser Patienten zurück in die Praxis kamen und Verdauungsprobleme hatten.

    Für Professor Haller gibt es noch eine weitere Spur, die mit Entzündung zu tun hat.

    "Man kann im Darm, Krankheiten unterscheiden, die eher chronisch-entzündlicher Natur sind. Das ist Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und dann natürlich der Reizdarm. Eigentlich haben diese zwei Krankheiten per se nicht so viel miteinander zu tun. Wobei man beobachtet, dass Patienten, die eine sehr starke Entzündung im Darm haben, also Morbus Crohn und Coiltis Ulcerosa, wenn man die therapiert und sie eine Weile entzündungsfrei sind, dass diese entzündungsfreie Phase ganz oft durch Symptomen gekennzeichnet ist, die man eigentlich vom Reizdarm kennt. Und im Umkehrschluss geht man davon aus, dass entzündliche Prozesse eine Rolle spielen beim Reizdarm."

    Für die Diagnose Reizdarm ist die genaue Schilderung der Beschwerden ausschlaggebend. Um Darmkrebs auszuschließen, wird vor allem Patienten über 50 Jahren eine Darmspiegelung empfohlen. Die Behandlung hängt davon ab, welche Beschwerden beim jeweiligen Patienten überwiegen, so Prof. Meier:

    "Es gibt den Reizdarm mit vornehmlich Verstopfung, denjenigen mit vornehmlich Durchfall. Dann gibt es noch die Mischform, da beides auftreten kann. Man muss mit dem Patienten das besprechen, man muss ihm sagen, dass es keine ernsthafte Krankheit ist, dass diese Krankheit nie Komplikationen macht und dass da auslösende Faktoren eine Rolle spielen. Somit ist ein ärztliches Gespräch entscheidend wichtig. Es gibt leider keine Therapie, welche das ganze Reizdarmsyndrom in einem behandelt."

    Bei einem Patient mit vermehrten Blähungen, versucht der Arzt, die Blähungen mit Probiotika zu reduzieren. Hat jemand häufig Bauchkrämpfe, dann helfen krampflösende Mittel.

    "Pfefferminz, besonders diese hochgereinigten Pfefferminzöle, die in Kapseln verpackt werden, die haben eine sehr gute Wirkung für Patienten mit Krämpfen und Schmerzen.
    Pfefferminzöl ist sehr krampflösend."

    "Das sind Kapseln, die im Dünndarm aufgehen und das Pfefferminzöl dann die muskelrelaxierende Wirkung erzeugt."

    "Die Flosamen, die sind einsetzbar bei Patienten, die entweder Verstopfung aber auch Durchfall haben, um die Stuhlbeschaffenheit etwas zu regulieren. Man kann es versuchen, einer spricht an, der andere spricht nicht an."

    Auch rezeptfreie Mittel wie Kümmel, Anis und Fenchel können bei leichteren Beschwerden Linderung bringen. Manchen hilft auch eine Wärmflasche, ein entspannendes Bad oder ein Spaziergang.

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