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Radiolexikon Haarausfall

Wenn die Haarpracht langsam ausfällt, entstehen kahle Flecken. Von der Stirn aus wachsen sie nicht mehr nach: Mit der Zeit bildet sich eine Glatze. Was bei Männern interessant aussieht, ist für Frauen fast immer eine Katastrophe. Auch sie leiden unter Haarausfall, allerdings etwas seltener als Männer.

Von Mirko Smiljanic | 03.03.2009
    Köln, in der Haarsprechstunde des Dermatologen Dr. Hans-Georg Dauer. Langsam geht er um den Schreibtisch herum zu seiner nächsten Patientin: 52 Jahre ist sie alt, sie ist sehr schlank und sie hat langes dunkelblondes Haar.

    "Also, was macht es denn, erzählen Sie mal, was machen die Haare?

    Also ich finde es entwickelt sich weiterhin positiv. Das Thema mit dem Abbrechen, das habe ich ihn mir schon vergangene Woche berichtet, das ist nach wie vor noch aktuell, aber sie kommen nach, ... "

    ... und darüber ist die Sekretärin heute mehr als glücklich. Sie war schockiert, erzählt sie, als beim Föhnen plötzlich ganze Haarbüschel in der Bürste blieben.

    "Der Haarausfall hat begonnen vor gut drei Jahren, und zwar im Anschluss an eine Essstörung, die sich deutlich manifestiert hat. Ich bin immer sehr verwöhnt gewesen mit den Haaren, da habe ich immer ein besonderes Faible für gehabt, und sie sind deutlich ausgefallen, büschelweise ausgefallen, das war sich also für mich erschreckend."

    Sie ging zum Arzt, der diagnostizierte eine Unterversorgung der Haarfollikel mit Vitaminen und Mineralstoffen und riet erstens zum Kampf gegen die Essstörung und zweitens zu einer sogenannten Mesotherapie, bei der über Mikroinjektionen die fehlenden Nährstoffe zur Haarwurzel gebracht werden. An ihrer Essstörung arbeitet die Patientin mit wachsendem Erfolg, die Mikroinjektionen verabreicht Hans-Georg Dauer jede Woche einmal. Er ist zufrieden.

    "Es sieht im Moment fantastisch aus, sie haben sie ja vorher nicht gesehen. Die war rot, schuppend, ohne junge Haare, jetzt haben wir kräftige, stabile Haare, jetzt ziehe ich auch mal dran, ob ich ein paar in der Hand hab, ne, hab ich nicht, das ist sehr schön, die Kopfhaut ist zu 80 Prozent gesund, klar, ein paar Abgebrochene sieht man noch, aber in jedem Follikel kommt ein neues Härchen nach, das auch schon kräftig wird. Ich bin bis jetzt rundum zufrieden damit."

    Haare haben für Menschen eine hohe Bedeutung. Sie verkörpern Attraktivität, Jugendlichkeit und Vitalität. Umso dramatischer empfinden es viele, wenn diese Symbole einfach ausfallen. Jeder zweite Mann und fast ebenso viele Frauen leiden an Haarausfall - Mediziner sprechen auch von Alopezie. Bei 90 Prozent der betroffenen Männer beginnt der Haarausfall mit Anfang 20 an Stirn und Schläfen, setzt sich auf dem Schädeldach an der Tonsur fort, bis schließlich nur ein Haarkranz über den Ohren und am Hinterkopf übrig bleibt.

    "Also wir müssen unterscheiden zwischen einem Haarausfall und einer Verminderung der Haardichte im Bereich des Kopfes. Landläufig ist Haarausfall, wenn die Leute merken, dass sie mehr Haare im Kamm haben oder auf den weißen Fliesen, als eine Woche vor. Dann kommen Sie zum Arzt und sagen "Herr Doktor, ich habe Haarausfall!" Es gibt aber auch die Leute, die einfach wenig Haare auf dem Kopf haben, wenn man da mal nachfragt, dann sagen die nicht, "Ach, mir sind Hunderte von Haaren ausgefallen", sondern "Ach ja, über Jahre hinweg, schleichend ist die Kopfhaardichte weniger geworden, jetzt wird es nass, wenn es regnet"."

    Die Gründe für Haarausfall sind vielfältig, allerdings unterteilen Hautärzte ihn mittlerweile in einige große Gruppen. So hat etwa die Hälfte aller Erkrankungen eine genetische Ursache. Es besteht eine Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegen das Steroidhormon Dihydrotestosteron, kurz DHT. DHT entsteht bei der Umwandlung des männlichen Hormons Testosteron und übernimmt wichtige Aufgaben bei der Entwicklung eines Jungen zum Mann. Ist in der Kopfhaut viel DHT gespeichert und besteht gleichzeitig eine ererbte Überempfindlichkeit, verkürzt sich das Haarwachstum und die Haarfollikel verkümmern. Dabei spielt übrigens die Menge des Testosterons im Körper keine Rolle.

    "Wir haben Leute, die männliche Hormone im untersten Normbereich haben und kein Haar mehr auf dem Kopf haben, und Männer, die vor dem männlichen Hormon Testosteron nur so strotzen, aber keinen Haarausfall haben. Hauptgrund dafür ist nicht die Menge des Hormons, sondern die Kapazität des Körpers, gerade das Haarfollikels, aus diesem männlichen Hormon, das für den Haarausfall notwendige Hormonen herzustellen."

    Rund die Hälfte aller Fälle von Haarausfall lassen sich auf diese sogenannte Androgenetische Alopezie zurückführen, ...

    " ... die anderen 50 Prozent sind entweder bei Frauen hormonelle Veränderungen, Erkrankungen der Eierstöcke, der Schilddrüse, der Nebennierenrinde, wo wirklich mit Hormonen, mit starken Medikamenten behandelt werden muss. Aber auch ganz häufig bei leichteren Störungen, Disharmonien des Körpers, nach der Vollnarkose, dann bekommen Sie viel Chemie in den Bauch, damit sie schlafen während der OP, und das ist natürlich nicht besonders gesund. Dann werden die Haarfollikel schlechter angeflutet mit Nährstoffen und mit der Durchblutung, dann haben sie vier bis acht Wochen einen Haarausfall. Beliebtes Beispiel ist auch bei Frauen, wenn ein Kind gekommen ist. Solange sie schwanger sind, haben sie weibliche Hormone wirklich voll, und wenn das Kind gekommen ist, wenn sie Glück haben in zwei, drei Stunden, und die riesigen Mengen an weiblichen Hormone geht gegen null, also überwiegen kurzfristig die männlichen Hormone, Resultat ist, die Haare gehen büschelweise aus. Normalerweise reguliert der Körper das selber wieder nach ein paar Monaten. Eine ganz häufige Ursache von Haarausfällen sind Mangelerscheinungen, ganz gerne bei Teenies oder bei Menschen, die jung sind, a) von der Mutter weggehen und selber kochen müssen, oder b) von Leuten, die eine strenge Diät gemacht haben, Spurenelement- und Mineralstoffmangel haben, da sind wirklich Defizite, dass das Haarwachstum nicht mehr aufrechterhalten werden kann, ... "

    ... so wie bei dieser Patientin, deren Haare nach einer massiven Essstörung ausgefallen sind. Die Therapie erscheint hier vergleichsweise einfach: Was fehlt, muss der Haarwurzel einfach künstlich zugeführt werden. Genau darauf beruht die Mesotherapie, bei der winzige Nadeln einen Mineralien- und Vitamincocktail direkt in die oberste Hautschicht injizieren.

    "Das ist so eine Spezialkanüle ganz klein, ganz spitz, tut eigentlich überhaupt nicht weh, wenn man es richtig injiziert, wir sprangen sie jetzt ein ... "

    ... vorsichtig setzt der Hautarzt Hans-Georg Dauer die Kanüle in ein kleines pistolenartiges Gerät und beginnt - wie er es nennt - seine segensreiche Tätigkeit.