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Radiolexikon: Kraft

Männer mit Kraft erkennt man an muskelbepackten Armen und Beinen, die sie sich üblicherweise in Muckibuden antrainieren. "Pumpen" heißt das in der Fachsprache. Doch darin allein erschöpft sich nicht das Geheimnis der Kraft.

Von Mirko Smiljanic | 26.01.2010
    Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung für Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung. Zehn mal zehn Meter misst der Raum, der aussieht, wie Fitnessstudios eben aussehen: Voller eiserner Trainingsgeräte, an denen schlaffe Arme und Beine, Bäuche und Schultern auf Vordermann gebracht werden. Wer hier regelmäßig trainiert, hat nach kurzer Zeit vor allem eines: Kraft!

    "So Nico, jetzt gehst Du bitte mal an die beiden Griffe."

    Dr. Heinz Kleinöder, Leiter der Abteilung Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln:

    "Jetzt drückst du die raus, jawoll, es geht auch ein bisschen schneller, ja, jetzt bitte noch ein paar Scheiben mehr auflegen, bitte, jetzt kommen wir mehr in dem Bereich des Muskelaufbautrainings, jawoll, das hört man auch gleich, dass es schwerer wird, davon machst du jetzt zwölf Wiederholungen."

    Immer und immer wieder drückt der Sportstudent die Griffe raus und aktiviert damit Muskelgruppen, deren Existenz er allenfalls aus Lehrbüchern kennt. Die Brustmuskeln werden beansprucht, seine Schultern, aber auch der Trizeps und die Unterarmmuskulatur. Nach zehn Wiederholungen beginnen seine Muskeln leicht zu zittern.

    "Wir sehen jetzt das Zusammenspiel der motorischen Einheiten, da kann es durchaus dazu kommen, werden höhere Lasten bewegt werden, dass es zum Muskelataxien kommt, also zum Zittern der Muskulatur, man sieht dann, wie die Motoneurone feuern, man sieht das natürlich nicht, man kann aber sehen, was die Auswirkungen sind, wenn er versucht, die Bewegung mit höheren Gewichten zu koordinieren."

    Ob ein Mensch kräftig ist oder schwach, das hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen unter anderem der Muskelfaserquerschnitt, die Anzahl der Muskelfasern, die Struktur des Muskels, die Koordination der Muskeln, die Muskelvordehnung – also ob der Muskel durch ständiges Sitzen verkürzt ist oder ob er seine optimale Länge hat – die Motivation des Sportlers und natürlich sein Ernährungszustand. Manches ist genetisch vorgegeben, so wie es eben von Natur aus starke Menschen und von Natur aus schwache Menschen gibt, vieles lässt sich aber auch trainieren. Durch gezieltes Üben kann die Kraft um 300 Prozent gesteigert werden – und zwar in allen Altersstufen.

    "Die Belastbarkeit hängt natürlich zunächst einmal davon ab, dass eine bestimmte Muskelmasse da ist, wenn der Masse da ist, habe ich mehr Kraftpotenzial, das ist also die Quantität des Muskels, könnte man sagen, also ein großer Umfang wäre eine günstige Voraussetzung. Aber, was wir auch beim Spitzensport sehen, ist, dass wir eine hohe Muskelqualität haben, und Qualität zeichnet sich dadurch aus, dass wir viele Muskelfasern, viele motorische Einheiten, gleichzeitig ansteuern können, das heißt, das, was ich als Potenzial haben, kann ich auch in Kraft umsetzen, das kann trainiert werden, und das macht man, wie wir gerade gesehen haben, mit relativ hohen Gewichten."

    Kraft ist die Basis aller Bewegung – nicht nur für Sportler. Da wird ihr Nutzen aber besonders deutlich. Etwa beim Fußballspielen:

    "Zum einen, um schneller zu werden, wenn ich mehr Kraft in den Beinen habe, werde ich schneller, und ansonsten in Zweikämpfen, Sprüngen, im Fußballspiel ist auch Kraft gefragt", sagt Sportstudent Nico Wirtz. Bis wohin sich Kraft trainieren lässt, hängt übrigens nicht nur von den Muskeln ab. Entscheidende Bedeutung haben die Sehnen und Bänder. Sie gehören zum "passiven Bewegungsapparates, ist extrem wichtig, ist letztlich auch limitieren dafür, mit welchen Gewichten man arbeiten kann, der passive Bewegungsapparat passt sich langsam an, viel weniger, als der aktive, deshalb ist dieser passive Bewegungsapparat limitierend. Aus diesem Grund sollte man ein Krafttraining sehr, sehr frühzeitig durchführen sollte, zum Beispiel schon im Kindes- und Jugendtheater, damit sich der passive Bewegungsapparat zunächst mit leichteren Gewichten parallel entwickelt."

    Und vor allem sollte um biochemische Kraftmacher ein großer Bogen gemacht werden. Nicht nur Profis, auch Amateure nutzen immer häufiger zum schnelleren Kraftaufbau Dopingmittel, Experten schätzen, dass bundesweit mehr als 200.000 Hobby-Athleten so ihre Leistung steigern. Besonders brisant ist zudem, dass immer mehr Jugendliche zu unerlaubten Mitteln greifen.

    "Das sind zunächst mal ganz einfache Sachen wie Aminosäuretabletten oder Kreatin, die ja noch erlaubt sind, bis hin zu Testosteron oder Sachen zum Spritzen, da ist die ganze Bandbreite dabei zum Muskelaufbau, zum Stoffwechsel anregen, zum Fettabbau, Koffeintabletten und so weiter," sagt Heiko Diedrich, Sportarzt aus Köln. Unerlaubte Mittel zu kaufen, ist mittlerweile ein Kinderspiel: Übers Internet lässt sich fast alles im Ausland bestellen, der Zoll kommt mit den Kontrollen kaum noch nach. Zum Schaden der Freizeitsportler, die – sagt Mario Thevis, Professor für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln – kaum etwas über das medizinische Risiko wissen.

    "Das fängt an, nehmen wir mal die anabolen Steroide als, bei Herzerkrankungen, unwahrscheinlich schlechte Blutwerte, die Blutfettwerte steigen ins unermessliche, es kommt zur Arteriosklerose, Akne, Herzklappenprobleme, um nur einige zu nennen, Krebsrisiko steigt gewaltig, vor allem beim Mann, beim Mann kann es zum Brustwachstum kommen, bei der Frau zur Virilisierung, zur Vermännlichung. Wenn wir dagegen die Wachstumshormone in Betracht ziehen, kommt es zu sogenannten Akren, das sind Verlängerungen nicht verknöcherter Körperpartien, die Palette ist endlos zu erweitern."

    Noch konsumieren vor allem Männer unerlaubte Dopingmittel, doch Frauen holen auf. Natürlich ebenfalls mit gravierenden gesundheitlichen Risiken, vom Wachstumsstopp bis zum Ausbleiben der Menstruation, alles ist möglich. In einem Punkt grenzen sie sich allerdings von Männern ab: Sie dopen aus anderen Gründen.

    "Mädchen sind eigentlich mehr an der Figurformung und Bodyshape und Straffung und Gewichtabnahme interessiert, da kommen mehr Substanzen zum Einsatz, die den Fettabbau anregen, die Stoffwechsel beschleunigen," Bodyshape – die Formung der Figur – ist aber auch mit Krafttraining möglich – auch bei Frauen.

    "Jetzt kommt die Bauchmuskulatur, eine ganz wichtige Muskulatur, weil wir ja gerade in der heutigen Zeit viele Probleme haben Haltungssektor, sprich Bauchmuskulatur, Rückenstreckmuskulatur sind ganz entscheidend, dass man eben keine Haltungsschäden, Rückenschmerzen etc. bekommt, Dinge, die jede Krankenkasse entlasten würden, wenn sie den frühzeitig gemacht würden."

    Ulrike Dörmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Deutschen Sporthochule, gibt alles, noch ist alles in Ordnung, es wird schon schwieriger werden. Wer sich Kraft antrainiert, muss schwitzen, ohne Arbeit läuft gar nichts! Abschrecken sollte das aber niemanden.

    "Der Aufbau ist immer, mit vielen Wiederholungen anzufangen und mit leichten Lasten zunächst mal im Bereich eines Kraftausdauertrainings. Durch die vielen Wiederholungen lernt man die Koordination und gibt dem passiven Bewegungsapparat die Möglichkeit, sich anzupassen. Danach ist es natürlich ganz wichtig, dass man weitergeht und das Gewicht erhöht, mit höheren Massen arbeitet, dann kommt man in den Muskelaufbau- oder Hypertrophiesektor hinein, wenn man dann die Qualität verbessern will als letzte Stufe, das muss auch in dieser Reihenfolge geschehen, denn der passive Bewegungsapparat ist limitierend, dann ist es wichtig, dass man mit wenigen Wiederholungen arbeitet, gegen hohen Lasten."

    Mit einem langsamen und sich allmählich aufbauenden Training kann jeder seine Kraft steigern – wirklich jeder! Das fördert die Gesundheit, außerdem – wenn wir mal ehrlich sind – sehen starke Menschen einfach sexy aus.

    "Ja, natürlich steht man als Frau auf den Stärkeren, keine Frage."