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Radiolexikon: Mandeloperationen

Mandeloperationen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen in Deutschland. Früher wurde der Eingriff bei Schulkindern schon fast routinemäßig vorgenommen. Heute ist man zurückhaltender, vor allem bei Kleinkindern. Zum Entfernen der Mandeln gibt es verschiedene Techniken.

Von Renate Rutta | 24.10.2006
    "Der Ben ist jetzt 2 ¾ Jahre alt. Die Mandeln sind absolut zu groß seit etwa zwei Monaten. Er hatte dieses Jahr zweimal ne starke Entzündung.
    Prof. 1b: Wenn ein Patient kommt mit einer akuten Mandelentzündung, kann man das sehr schön daran sehen, dass die Mandeln vergrößert sind, sie sind zerklüftet.

    Ich hab sehr stark geschnarcht, hatte Atemaussetzer. Dadurch bin ich nicht richtig in die Tiefschlafphase gekommen, war am Tag immer sehr müde. Daraufhin wurde mir geraten, diese Operation zu machen. Vater

    Nach der letzten Entzündung sind die Mandeln nicht wieder abgeschwollen.

    Sie haben oft sogenannte Stippchen, so Eiterbeläge und sind insgesamt von ihrer Farbe her tiefrot. Das ist das typische Zeichen einer akuten Mandelentzündung.

    Er hat so Schluckprobleme, schnarcht auch und jetzt stoßen beide Mandeln rechts und links aneinander und dann müssen sie in so jungen Jahren wohl operiert werden."

    Mandeloperationen gehören zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen in Deutschland.

    "Es gibt mehrere Indikationen. Eine Indikation ist die, wenn die Mandel so groß ist, dass der Betreffende Schluckbeschwerden hat, sogar Atemstörungen hat, insbesondere wenn er liegt, wenn die Mandeln nach hinten fallen und den Luftweg dadurch einengen können. Das ist eine Indikation. Die anderen Indikationen sind: immer wieder auftretende Entzündungen der Mandeln. Das heißt man spricht von chronischen Entzündungen, chronisch wiederkehrende Entzündungen, wenn es zwischen drei- und fünfmal pro Jahr auftritt."

    Ein weiterer Grund für die Entfernung der Mandeln sind sogenannte Herderkrankungen.

    "Das sind Erkrankungen, die entstehen durch eine Aussaat von Keimen aus der Mandel zum Beispiel Herzmuskelerkrankungen, Gelenkerkrankungen, Nierenerkrankungen, die durch Streptokokken verursacht werden und da kann es im Rahmen einer sogenannten Herdsanierung wichtig sein, die Mandeln zu entfernen. Und dann gibt es noch eine andere Indikation, wenn zum Beispiel eine einseitige Mandelvergrößerung auftritt. Insbesondere beim Erwachsenen ist das immer suspekt auf eine bösartige Erkrankung. In diesen Fällen sollte auch die Mandel entfernt werden, um sie feingeweblich untersuchen zu können."

    Professor Dr. Friedrich Bootz ist Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Bonn.

    "Wir sprechen eigentlich, wenn wir den Ausdruck Mandel erwähnen, immer von der Gaumenmandel. Die Rachenmandel ist eigentlich typischerweise im Kindesalter vergrößert. Sie bildet sich deutlich zurück im Erwachsenenalter und ist dort eigentlich fast nicht mehr zu erkennen. Sie macht auch keine Erkrankungen im Erwachsenenalter, wohl aber im Kindesalter. Im Kindesalter können immer wiederkehrende Infekte der oberen Luftwege auftreten und insbesondere auch Belüftungsstörungen der Ohren. Das wiederum kann zu einer Ergussbildung im Ohr führen und zu Schwerhörigkeit, die dann entsprechend behandelt werden muss."

    Früher wurde der Eingriff bei Schulkindern schon fast routinemäßig vorgenommen. Heute ist man zurückhaltender, vor allem bei Kleinkindern. Denn die Mandeln gehören zum Abwehrsystem. Etwa bis zum vierten Lebensjahr sind sie wichtig für dessen Aufbau. Das Immunsystem lernt quasi an den Mandeln, mit Erregern umzugehen. Für Keime, die über den Mund in den Körper gelangen, sind die Mandeln die erste Stufe der Abwehr. Deswegen werden sie inzwischen nur herausgenommen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, wie der Vater des knapp dreijährigen Ben berichtet:

    "Es waren zwei Entzündungen dieses Jahr, die dann auf die antibiotische Therapie nach fünf Tagen ganz gut angesprochen haben. Nur die letzte Entzündung vor zwei Monaten, da ist die Schwellung der Mandeln geblieben und hat sich auch durch einen dreiwöchigen Nordseeaufenthalt nicht zum Abschwellen bringen lassen, sodass jetzt die Operation als letztes Mittel der Wahl ansteht. Der Ben wird morgen früh als allererstes operiert. Er muss ja nüchtern sein und damit er nicht zu lange hungern muss, geht's direkt morgen früh los."

    Auch bei der scheinbar harmlosen Mandeloperation vertrauen die Ärzte heute lieber einer Vollnarkose, so Oberarzt Dr. Dirk Fingerhut von der Universitätsklinik Bonn:

    "Das ist üblicherweise eine Intubationsnarkose, also eine Vollnarkose, bei der ein Beatmungsschlauch in die Luftröhre eingeführt wird, um das Eindringen von Flüssigkeit, insbesondere von Blut und auch von Gewebeteilen in die Lunge zu verhindern.

    Wir erklären, wie das vor sich geht, wir erklären v.a., dass der Patient nichts davon spürt, aber wir erklären natürlich auch, dass er durch den Beatmungsschlauch, der ja aus Kunststoff ist, hinterher auch mal etwas heiser sein kann."

    Zum Entfernen der Mandeln gibt es verschiedene Techniken. Die häufigste ist die sogenannte Dissektionstechnik, bei der die Mandeln vollständig entfernt werden: Als Erstes wird ein sogenannter Mundsperrer eingesetzt. Denn der Patient hat ja eine Narkose bekommen und schläft. Doch sein Mund muss weit geöffnet werden.

    "Dazu gibt es ein spezielles Instrument, ein Spatel, dieser Spatel wird auf die Zunge gebracht und dann ein Bügel, der auf die Zähne gesetzt wird. Und dann kann man diesen Mundsperrer öffnen und hat dann einen breiten Zugang zur Mundhöhle und zum Mundrachen, wo sich die Mandeln befinden. Es wird dann die Schleimhaut ganz knapp am Gaumenbogen und zwar am vorderen Gaumenbogen eingeschnitten und man muss dann die Mandel aus ihrem Bett herausheben, weil die Mandel noch einen wesentlichen Anteil hinter dem Gaumenbogen besitzt, der primär nicht sichtbar ist.

    Und das ist ganz entscheidend, dass man genau an diesen Punkt kommt.
    Wichtig ist bei der Operation, dass man den hinteren Gaumenbogen auf jeden Fall nicht verletzen darf, weil sonst durch Narbenschrumpfung ein offenes Näseln oder sogar ein Speiseübertritt beim Schlucken in den Nasen-Rachenraum beziehungsweise in den Nasenraum entstehen kann."

    Bei dieser vollständigen Entfernung der Mandeln entsteht eine Wundfläche von etwa zwei mal eineinhalb Zentimeter, auf der sich erst weißliche Beläge bilden und nach und nach eine neue Schleimhaut.

    Eine Teilentfernung der Mandeln hat den Vorteil, dass Komplikationen wie etwa Nachblutungen deutlich geringer sind, weil man eben nicht bis in den Grund der Mandel operiert. Dadurch bleibt noch Mandelgewebe zurück. Die Meinungen gehen allerdings auseinander, ob das für den Patienten von Nutzen ist. Bei dieser Methode besteht möglicherweise die Gefahr, dass sich das Restgewebe später entzündet.

    Bei Michael Zapp, Mitte 30, wurden nicht nur die Mandeln vollständig entfernt:

    "Bei mir wurde das Gaumensegel gestrafft, das Gaumenzäpfchen verkürzt, die Nasenmuscheln verkleinert und die Mandeln entfernt. Und die Mandeln eben deswegen entfernt, weil eben eine Enge bestand im Rachenraum. Und um mehr Platz zu schaffen, werden da die Mandeln entfernt, ohne dass sie jetzt entzündet gewesen wären."

    Seit seiner Operation sind nun drei Tage vergangen, heute findet die Nachuntersuchung statt.

    "Ich hab mir die Stirnlampe aufgesetzt, nehme einen Mundspatel, bitte den Patienten den Mund aufzumachen und dann drücke ich mit dem Mundspatel die Zunge etwas nach unten, damit ich die Operationsgebiete einsehen kann und hier sehe ich Beläge, die ganz normal sind nach einer Mandeloperation, sagen Sie mal A ... AAAAA. Wie ist es mit den Schmerzen?

    Ja die Schmerzen sind schon da, aber wenn man genug Schmerzmittel bekommt, dann ist es auszuhalten.

    Sie sind vor drei Tagen operiert worden – Ja – wird's denn langsam besser?

    Im Moment hab ich das Gefühl, dass es was schlimmer wird – eher was schlimmer - treten denn ab und an Schmerzen im Ohr auf?

    Nein gar nicht, nur wirklich im Rachen-Mundbereich – Wie ist es denn mit dem Essen?

    Mh, fällt sehr schwer, weil, wenn man grade akut Schmerzen hat, ist das Schlucken natürlich sehr anstrengend.

    Und von was ernähren Sie sich oder was bekommen Sie bei uns? – hauptsächlich von Flüssignahrung, sprich Suppen oder Milchkost morgens, abends auch ne Suppe oder Astronautennahrung."

    Dass die Schmerzen nach ein paar Tagen stärker werden, scheint häufiger vorzukommen, so die Erfahrung von Schwester Sabine, die in der Bonner Universitätsklinik Patienten nach der Mandeloperation betreut:

    "Also die ersten Tage sind in der Regel relativ beschwerdefrei, wobei jeder Patient unterschiedlich ist. Aber dann so nach einigen Tagen, wenn sich da die Beläge bilden, dann haben die Patienten oft mehr Schmerzen und dann muss man halt gucken, dass man bisschen mehr Medikamente gibt."

    Meistens dürfen die Patienten nach fünf Tagen nach Hause gehen, weil die Gefahr einer Nachblutung in den ersten Tagen am höchsten ist. Allerdings können auch später noch Blutungen auftreten und zwar dann, wenn sich die gebildeten Beläge allmählich lösen. Um das zu verhindern, gibt es bestimmte Vorsichtsmaßnahmen:

    "Ja in der Regel fragen sie, was sie essen können oder was sie trinken können. Wir empfehlen dann halt Mineralwasser ohne Kohlensäure, weil das nicht brennt. V.a. Dingen keine Fruchtsäfte oder überhaupt Früchte.

    Die Patienten sollten insbesondere beim Essen vorsichtig sein. Sie sollten keine festen Speisen zu sich nehmen, insbesondere keine Pommes frites essen oder Chips essen, sie sollten insbesondere kein Aspirin nehmen, weil das Aspirin die Blutgerinnung verhindert und darunter Nachblutungen entstehen können.

    Die nächsten drei Wochen darf ich erst mal keine Nase putzen, ich darf mich nicht körperlich anstrengen, keinen Sport treiben, soll beim Essen aufpassen, dass ich nicht so stark gewürzte Sachen esse, weil es sonst die operative Stelle angreifen könnte und mich immer schonen, auf jeden Fall die nächsten zwei, drei Wochen."