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Radiolexikon: Massage

Unter Massage versteht man die manuelle Bearbeitung von Haut, Gewebe und Muskulatur durch dehnen, ziehen, klatschen und drücken. Dennoch gibt es unzählige verschiedene Massagerichtungen aus aller Herren Länder. Allen gleich ist, dass eine Massage nicht nur die behandelte Stelle des Körpers beeinflusst, sondern den gesamten Organismus und die Psyche.

Von Andrea Westhoff | 31.03.2009
    "Wenn der Mensch auf der Massagebank liegt und wenn er richtig gut gelagert ist, dann fängt man eigentlich an mit einleitenden Streichungen. Also erstmal ganz vorsichtig wird die Haut berührt. "

    Ganz "klassisch" geht es zu bei Masseur Michael Köhler: Je nachdem, ob man den Begriff aus dem Arabischen oder Griechischen herleitet, bedeutet Massage berühren, betasten - oder kneten.

    "Und nach den einleitenden Streichungen kommen dann so ein bisschen erwärmende Griffe, bisschen auflockernde Griffe, und im Grunde erst danach geht man in die Tiefe und versucht dann die Muskulatur oder die Knochenhaut, zu erreichen."

    Massage, also die manuelle Bearbeitung von Gewebe und Muskulatur, ist eines der ältesten Heilverfahren der Welt. Zum ersten Mal in China schon 3000 vor Christus erwähnt, über den griechischen Arzt Hippokrates in Europa bekannt geworden, versteht man darunter heute zahlreiche verschiedene Techniken für ganz unterschiedliche Beschwerden.

    "Die wichtigste Massage ist zweifelsfrei die klassische Massage, diese umfasst das Behandlungsgebiet vom Kreuzband, also vom unteren Rücken bis zum Hals und zum Hinterhaupt, dabei werden sämtliche Gewebeschichten mechanisch bearbeitet","

    erklärt Dr. Annett Reißhauer, die Leiterin der Abteilung für physikalische Medizin und Rehabilitation der Berliner Charité.

    ""Das sind verschiedene Griffe, die auch in zum Teil unterschiedlichen Reihenfolgen angewendet werden können, das sind im wesentlichen Streichungen, Knetungen, Klatschungen, Zirkelungen, die dazu geeignet sind, das Gewebe im Tonus zu senken, also weicher zu machen, und darüber hinaus aber auch immer einen durchblutungssteigernden Effekt zu erzielen unter der Behandlung."

    Die zweite medizinisch bedeutende Massageart ist die manuelle Lymphdrainage.

    "Das ist eine spezielle Massagetechnik, die dazu geeignet ist, die unmittelbar unter der Haut gelegenen Lymphgefäße in ihrer Pumpaktion zu unterstützen und damit den Drainageeffekt der Lymphgefäße für das Gewebe zu unterstützen. Hauptsächlich angewendet beim Lymphödem, dieses kann angeboren sein, man sieht es aber sehr viel häufiger erworben nach Tumoroperationen."

    cZu den häufig angewendeten Massagearten zählen außerdem die Unterwasserdruckstrahl- und die Fußreflexzonenmassage. Hier warnt Annett Reißhauer allerdings vor allzu großer Begeisterung:

    "Der Fußreflexzonenmassage werden unendlich viele Wirkungen nachgesagt, das geht von Förderung des Stuhlgangs bis zur Förderung der Schlafgüte, Schmerzlinderung, viele Dinge davon sind nicht nachweisbar und auch nicht durch Studien belegt, aber man muss sagen, dass sich im Bereich der Fußsohle eine ganz hohe Dichte von Rezeptoren befindet. Also insofern im Rahmen der Schmerzlinderung im Fuß hat die Fußreflexzonenmassage sicherlich einen sehr guten Stellenwert, man muss nur vorsichtig sein bei den vielen anderen Wirkungen, die dieser Massageart zugeschrieben werden."

    Sehr beliebt sind in Deutschland auch asiatische Massagetechniken, allerdings mehr im Wellness-Bereich, etwa das japanische Shiatsu, wörtlich übersetzt Fingerdruck, oder die traditionelle chinesische Tui-Na-Therapie. Sie basieren alle mehr oder weniger stark auf der Grundüberzeugung der chinesischen Medizin, dass Gesundheit beziehungsweise Krankheiten vom Fluss der Lebensenergie im Organismus abhängen. Um diesen positiv zu beeinflussen, verwenden die asiatischen Massagearten Akupressur, Griffe und Drehungen aus der Chiropraktik und verschiedene individuelle Techniken.

    "Das ist weniger Massage für mein Verständnis, das sind mehr Grifftechniken, die wir auch im Rahmen der manuellen Medizin sehen, die durchaus gefährliche Griffe sein können, also davor sollte man eher warnen, dass man unkritisch solche Massagearten einsetzt, weil die durchaus auch sehr schmerzhaft sind, oft besteht aber leider der Gedanke, wenn eine Massage besonders schmerzhaft ist, dann ist sie besonders wirksam, dem ist aber nicht so!"

    Die klassische Massage hingegen zeigt auch ohne allzu hartes Zupacken Wirkung.

    Köhler: "Wenn man so einen verkrampften herzkranken Menschen hat - um die 55, der noch im Berufsleben steht, der ist meistens unheimlich verspannt. Und so nach drei, vier, fünf Behandlungen merkt man also, wie er dann auch so ein bisschen sich abgeben kann, so ein bisschen loslassen kann. Und man kann plötzlich die Schulter bewegen, ohne dass er sie starr hält, also da passiert schon eine ganze Menge."

    Die Wirkungen der Massage sind inzwischen auch wissenschaftlich nachgewiesen. Annett Reißhauer:

    "Einmal der Gewebe weichmachende Effekt. Bei der ganzen großen Gruppe Rückenschmerz. Der Rückenschmerz ist ja im wesentlichen durch muskuläre Veränderungen verursacht, im wesentlichen dabei muskuläre Verspannungen, die durch Fehlbelastungen im Alltag auftreten, und das kann durch Massage, behandelt werden. B: die Durchblutungssteigerung, dadurch aber auch das Abtransportieren von Schmerzsubstanzen, also auch da sind schon messbare Veränderungen durch die Massage festgestellt worden."

    Gleiches gilt für seelische Effekte, alleine schon durch die Berührung des Kontaktorgans Haut. Der Organismus setzt vermehrt das "Wohlfühlhormon" Oxytocin frei. Und weitere Erkenntnisse:

    "Man hat untersucht, ob das Stresshormon, das Cortisol, sich verändert durch Massage, da gibt es viele Aussagen, die im Trend belegen, dass der Cortisolspiegel durch die Massageanwendung sinkt, es gibt schon Untersuchungen zu einer Substanz Serotonin, die ja auch wichtig ist im Zusammenhang mit Depressionen, im wesentlichen untersucht bei Patienten mit schweren Tumorerkrankungen, wo man dann durch den Einsatz von Massage eine Verbesserung der Stimmungslage und auch eine deutliche Verbesserung der depressiven Verstimmtheit beobachten und auch messen konnte."

    Doch trotz dieser nachgewiesenen psychischen Wirksamkeit kann Massage bislang nur bei akuten Schmerzzuständen auf Kassenkosten verordnet werden. Für Lymphdrainagen zahlt die Kasse in der Regel nur nach Krebsoperationen. Selber in die Tasche greifen müssen Patienten dagegen zum Beispiel bei der Fußreflexzonenmassage.

    In jedem Fall aber sollte sich niemand ohne ärztlichen Rat in fremde Hände begeben. Denn auch die sanfte Massage ist nicht immer die richtige und nicht immer eine ungefährliche Therapie, warnt Dr. Annett Reißhauer von der Abteilung für Physikalische Medizin der Charité:

    "Kontraindikationen sind entzündliche Veränderungen im Bereich der Haut, der Muskulatur, Kontraindikationen sind Gerinnungsstörungen beispielsweise bei Herzerkrankung. Massage kann auch nicht eingesetzt werden, wenn eine Thrombose besteht, das heißt eine Verstopfung des Venensystems, auch dann ist diese Methode nicht einzusetzen."

    Abzuraten ist auch bei Fieber, Erkältung sowie bei akuten Psychosen. Wenn das alles bedacht wird, spricht aber für die Expertin nichts gegen die freundliche Massage von Freunden oder Partnern, also von Laien.

    "Solange bei der privat eingesetzten Massage keine Beschwerden, keine Schmerzen auftreten, ist das soweit in Ordnung."

    Denn Massage ist ein alt bewährtes, allgemein verfügbares und wirksames Therapeutikum - für Körper und Seele.

    Köhler: "Ich habe ja manchmal Leute, die haben sich Jahre nicht berühren lassen und dann, durch eine schlimme Situation - der Ischias ist eingeklemmt - jetzt brauchen sie unbedingt einen Masseur. Und plötzlich ist das nicht nur das "Wieder-in-Ordnung-bringen", sondern es ist ein wunderbares Gefühl, man wird angefasst, und es entstresst, entkrampft, die Leute genießen das."