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Radiolexikon: Zahnpflege

Morgens und abends immer das Gleiche: Zähneputzen! Warum muss man überhaupt Zähne putzen, während viele Tiere ganz gut ohne Zähneputzen leben können?

Von Cajo Kutzbach | 27.01.2009
    Prof. Dr. Johannes Einwag, Direktor des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart:

    "Wir reden heute, wenn Erkrankungen in der Mundhöhle auftreten, davon, dass diese Erkrankungen letztendlich eine Störung des Ökologischen Gleichgewichts in der Mundhöhle sind.

    Wenn ein Baby zur Welt kommt, dann ist dessen Mundhöhle eigentlich steril. Und jeder weiß, dass man dem Kind nicht gleich am zweiten oder dritten Tag Fleisch geben kann - auch selbstverständlich püriert nicht - nicht nur, weil die Zähne nicht da sind, nein, man weiß, das Kind kann das noch nicht verdauen. Das Kind verträgt am besten seine Muttermilch usw. usw. und erst mit zwei Jahren ungefähr kann es vernünftig mitessen, weil dann sich die Bakterien im Magen- und Darmtrakt sich so richtig ausgebildet haben, gefunden haben in einer Zusammensetzung, die eine vernünftige Verdauung ermöglicht."

    Diese Bakterien nimmt man mit der Nahrung und aus der Umgebung auf. Das Gleiche gilt für die Mundhöhle. Vielseitige Ernährung führt zu einer gesunden Bakteriengesellschaft. Einseitige Ernährung dagegen zerstört das ökologische Gleichgewicht.

    "Andere Bakterien, die auch eigentlich die Chance hätten sich in der Mundhöhle anzusiedeln, werden verdrängt. Sie haben überhaupt keine Lust mehr sich dort anzusiedeln, weil dort nur Zucker im Angebot ist. Beispielsweise durch die Muttermilch und noch zusätzlich gesüßten Tee und gesüßten Tee und gesüßten Tee, und das Tag und Nacht.

    Und dann kommt es zu teilweise dramatischen Schädigungen, so dass wir bereits bei eineinhalbjährigen, zweijährigen Kindern in Narkose von 20 durchgebrochenen Zähnen 10 oder 12 ziehen müssen."

    Die allererste Maßnahme um seine Zähne und den ganzen Körper gesund zu erhalten ist eine vielseitige Ernährung. Deshalb sollte man auch die Ernährung überprüfen, wenn ein Zahn ein Loch bekommt.

    "Das ist letztendlich die Folge einer starken Säureproduktion, ausgelöst durch eine Vielzahl von Bakterien, die eigentlich da gar nicht hin gehören, weil man sich gezielt fehlernährt hat, eben zu viel Zucker genommen hat.

    Und jetzt denken viele, sie gehen zum Zahnarzt, lassen sich die Karies, die kaputte Zahnsubstanz rausbohren, es kommt eine neue Füllung rein, und dann wäre alles gut. Das ist genau nicht der Fall, denn die Ursache für die Entstehung des Loches ist nach wie vor existent!"

    Der Mensch hat deshalb mehr Probleme mit seinen Zähnen als ein Tier, weil er sich viel leichter falsch ernähren kann.

    "Das Risiko des wieder neu Auftretens von Karies - auch nach der gelegten Füllung - bleibt praktisch gleich, es sei denn man sorgt dafür, dass beispielsweise über ernährungslenkende Maßnahmen es dazu kommt, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien in der Mundhöhle wieder normalisiert; das heißt: Gesunde Mischkost."

    Stimmt die Ernährung, dann hindert das Zähneputzen die Bakterien daran sich irgendwo im Mund festzusetzen und dort Schaden anzurichten. Solange sie in Bewegung sind, sind die meisten nützlich. Nur, wenn sie am Zahn Beläge bilden, werden sie schädlich.

    "Genau darum geht es letztendlich und wir haben eigentlich eine Vielzahl von Möglichkeiten mechanischer Art, von der Handzahnbürste bis zur modernen Schallzahnbürste. Entscheiden ist zunächst einmal, dass man‘s überhaupt tut. Erster Punkt. Zweiter Punkt ist, dass wenn man‘s tut, man es richtig tut. Es kommt nicht drauf an, dass man‘s eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten tut. Das ist uninteressant."

    "Es kommt drauf an, dass man möglichst viele der Beläge entfernt. Und man weiß beispielsweise bei Kindern ist es völlig egal ob diese Kinder im Vorschulalter, ob die eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten putzen, es ist kein Unterschied, sie putzen immer dieselben Stellen. Sie machen nämlich ihren Mund auf, stellen sich vor den Spiegel und putzen immer nur die Stellen, die sei sehen. Das ist nicht im Sinn des Erfinders. Drum sollen ja auch in dieser Altersgruppe die Eltern immer nachputzen."

    Auch wer sich regelmäßig die Zähne putzt kann trotzdem Fehler machen. Manche Menschen neigen dazu viel zu stark zu bürsten, so dass die Zähne und sogar der Knochen beschädigt werden. Hier kann Technik helfen. Prof. Johannes Einwag:

    "Für solche Patienten sind sehr gut geeignet moderne elektrische Zahnbürsten mit einem so genannten Drucksensor. Die verhindern, dass dieser Patient zu stark drückt. Warum? Ja, die bleiben dann einfach stehen, oder drehen sehr langsam; die Zahnbürste kann keinen Schaden mehr anrichten."

    Je nach Breite der Zwischenräume sind Zahnseide, oder Zahnzwischenraumbürsten hilfreich. Wer bei ihrer Benutzung Schwierigkeiten hat, dem kann ebenfalls Technik helfen:

    "Viele, grade ältere Patienten, können das nicht mehr so gut die Zwischenräume reinigen, weil ihnen einfach die motorische Geschicklichkeit fehlt, oder beispielsweise, weil sie nicht mehr so gut sehen können, wo sie eigentlich arbeiten mit ihren Zahnzwischenraumbürsten. Für diese Patienten haben sich sehr bewährt so genannte Schall-Zahnbürsten. Diese Schallzahnbürsten schaffen es durch ihre spezielle Eigenart auch noch Beläge zu zerstören, die eigentlich außer Reichweite der Borsten sind."

    Das ist eine große Verbesserung, aber: Keine Putztechnik erspart die professionelle Zahnreinigung, die heute nicht mehr nur den Zahnstein entfernt, sondern auch Bakterienbeläge und damit zugleich Mundgeruch.

    "Es geht letztendlich darum Beläge, die man selber nicht entfernen kann, durch Profis entfernen zu lassen. Und so banal es klingt: Keiner schafft es seine Beläge 100 Prozent zu entfernen. - Wir Zahnärzte leben von den weniger als 100 Prozent. So einfach ist es."
    Angelika Kohler-Schatz bildet am Zahnmedizinischen Fortbildungszentrum in Stuttgart Dentahlhygienikerinnen aus. Es geht zunächst um Hilfe zur Selbsthilfe für den Patienten:

    "Die Mundhygiene, die er zuhause durchführt, zu checken und zu verbessern in Teilbereichen. Ihn viel loben und wenig kritisieren und dann instrumentel noch die gute Grundlage zu bilden, dass seine heimische Arbeit erfolgreich laufen kann."

    Der Patient bekommt Ratschläge, worauf er beim Putzen achten sollte, oder wie er seine Zahnzwischenräume am besten sauber bekommt. Dann rückt die Dentalhygienikerin den trotzdem entstandenen Belägen zuleibe. Es ist ähnlich, wie beim Zahnstein-Entfernen. Angelika Kohler-Schatz zählt die wichtigsten Möglichkeiten auf.

    "Man arbeitet mit Schall- und Ultraschallgeräten, die diese Art der Ablagerungen entfernen können, und mit Handinstrumenten, schabenden Instrumenten, um Feinheiten noch zu revidieren, und versuchen dann durch Politursysteme mit Gummis und Bürsten und Zahnpasten-ähnlichen Polierpasten eine optimal glatte Oberfläche zu hinterlassen."

    ...so dass Essensreste und Bakterien eine Zeit lang keinen Halt mehr finden. Leider gibt es noch Kassen, die diese Möglichkeit Gesundheit zu erhalten nicht, oder nur teilweise bezahlen. Aber lieber vier Mal im Jahr zur professionellen Zahnreinigung, als alle paar Jahre Bohren oder gar Zähne verlieren.

    Am Wichtigsten ist und bleibt jedoch das tägliche Putzen. Prof. Johannes Einwag:

    "Das stellt sich bei allen Untersuchungen der letzten Jahre immer wieder heraus: Man kann über inzwischen 30 oder 40 verschiedene Zahnputztechniken, die auf der ganzen Welt entwickelt wurden gut reden. Entscheidend ist letztlich, dass es gemacht wird!"