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Radiopionier für das musikalisch Neue

Der aus Graz stammende Dirigent, Pianist und Komponist Hans Rosbaud war einer der ersten, die ganz auf den Rundfunk als Medium der Zukunft setzten. Er wirkte an der technischen Verbesserung der Aufnahmetechnik ebenso mit, wie er die radiofonen Mittel zu musikalischer Volksbildung einsetzte.

Von Frieder Reininghaus | 29.12.2012
    Der Dirigent Hans Rosbaud leitete lange Jahre das Sinfonieorchester des Südwestfunks, heute SWR.
    Der Dirigent Hans Rosbaud leitete lange Jahre das Sinfonieorchester des Südwestfunks, heute SWR. (SWR/Castagne)
    Der Südwestfunk in Baden-Baden, Südwestrundfunk genannt seit der Fusion mit dem in Stuttgart angesiedelten Süddeutschen Rundfunk, wuchs in den zurückliegenden 50 Jahren zu einem eigenen Stadtteil heran. Auf dem oberen Plateau am Hang des Fremersbergs, gegenüber dem Haus der Intendanz, erinnert der Große Sendesaal an die bundesrepublikanischen 50er-Jahre in der Provinz: "Hans-Rosbaud-Studio" steht über den Eingangstüren.

    Hans Rosbaud ist der Name des Dirigenten, Pianisten und Komponisten, der sich in der Frühzeit des 1946 für die französische Besatzungszone gegründeten Rundfunk-Sinfonieorchesters als dessen Leiter und zugleich als einer der Protagonisten der Neuen Musik profilierte. Heinrich Strobel, einer der "Gründungsväter" des SWF und dessen erster Musikfürst, erinnert sich:

    "Im Jahr 1948 war es endlich soweit. Hans Rosbaud dirigierte im Baden-Badener Kurhaus. Es gab keine Diskussion und Hans Rosbaud kam zu uns."

    Im Gedächtnis des allgemeinen Musiklebens ist der Dirigent Rosbaud heute kaum mehr präsent, da er gegenüber seinem Engagement für das "eigene Orchester" das, was in den 40er- und 50er-Jahren "kommerzielle Schallplattenproduktionen" genannt wurde, weitgehend zurückstellte. Erst kurz vor seinem Tod am 29. Dezember 1962 dirigierte er auch in Amerika und zeigte sich von der Leistungsfähigkeit wie der Disziplin der dortigen Orchester begeistert:

    "Das, was bei den amerikanischen Orchestern auffällt, das ist die außerordentlich große technische Beherrschung. Abgesehen davon, dass sie auch über einige musterhafte Disziplin während der Proben verfügen."

    Lange setze Rosbaud auf die Wirkungsmacht des öffentlich-rechtlichen Radios und der Theater. In diesen beiden Arbeitsfeldern, wie auch bei den vom SWF ins Leben gerufenen Donaueschinger Musiktagen, wurde er zu einem der Pioniere des musikalisch Neuen. 1955 zum Beispiel brachte er "Le marteau sans maître" von Pierre Boulez in Baden-Baden mit Solisten "seines" Orchesters heraus. Bereits im Jahr zuvor dirigierte er die konzertante Uraufführung von Arnold Schönbergs unvollendet gebliebener Oper in Zürich, 1957 dann auch bei der ersten szenischen Realisierung dieses oratorischen Werks an der Hamburgischen Staatsoper.

    Hans Rosbaud, 1895 in Graz geboren, stammte aus einer Musikerfamilie und kam zum Musikstudium nach Frankfurt, trat als Pianist und Tonsetzer in spätromantischer Tradition hervor. Als 25-Jähriger wurde er zum Direktor der Musikschule Mainz ernannt. Er fühlte sich freilich zu Höherem berufen und ergriff 1929 die Chance seines Lebens: Er ging zum Rundfunk, avancierte zum ersten Kapellmeister des soeben gegründeten Frankfurter Radio-Symphonie-Orchesters. Die Möglichkeiten des neuen Mediums nutzte Rosbaud nach besten Kräften.

    Er konnte auf eine 20-jährige Erfahrung mit Rundfunkmusik zurückblicken, als er sich zur großen Expedition in die "Grüne Hölle" Baden-Baden aufmachte. Dazwischen liegen freilich auch Engagements wie das als Generalmusikdirektor in Münster - von 1937 an war er vier Jahre lang in Westfalen tätig. Nebenbei dirigierte er weiterhin in Frankfurt Konzerte und spielte dort zum Beispiel 1938 Leopold von Schenkendorfs Hymne "Gott sei mit unserm Führer" ein. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs leitete Rosbaud die Philharmoniker in der Frontstadt Straßburg, danach in München reaktivierte der flexible Kapellmeister auch das Engagement fürs Neue. Dass er dies in Baden-Baden so klar weiterprofilierte, unterstreicht, dass der Dirigent Hans Rosbaud mehr als ein Opportunist war: einer, der es schließlich mit dem Neuen ernst meinte, einer von dessen Protagonisten wurde.