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Radiowellen zum Häusertrocknen

Bautechnik. - Vor zwei Jahren startete in Leipzig ein gemeinsames Projekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur, um die Einsatzmöglichkeiten von Radiowellen im Bau zu untersuchen. Eine Idee damals war, die Trocknung von Häusern mit Radiowellen.

Von Hartmut Schade | 17.10.2013
    Beim Jahrhunderthochwasser von 2002 arbeitete Detlef Schmidt für einen großen Baukonzern in Dresden und erlebte wie Fussböden, Decken, Dämmung nach der Flut herausgerissen und entsorgt werden mussten. Nun, bei der Jahrhundertflut von 2013, ist er Professor für Baustofflehre an der HTWK Leipzig und erforscht seit zwei Jahren die Bauwerkstrocknung mit Radiowellen.

    "Die Trocknung war sicher ein naheliegendes Problem. Wir hatten ja also schon hin und wieder mal in den letzten Jahren Hochwasserereignisse hier in Mitteldeutschland. Aber es hat sich natürlich auch eine ganze Menge anderes ergeben."

    Die Idee mit Radiowellen Gegenstände zu erwärmen, indem man sie erwärmt, kommt aus der Umwelttechnik. Das Grundprinzip ist das gleiche wie bei der Mikrowelle in der Küche. Bei dieser wirbelt ein ständig sich wandelndes Feld die Wassermoleküle herum. Sie reiben sich an ihren Nachbarn und erzeugen so die Hitze, erklärt Dr. Ulf Roland von Helmholtzzentrum für Umweltforschung Leipzig,

    "In dem Frequenzbereich, den wir benutzen, spielt allerdings nicht das Wasser die entscheidende Rolle, sondern andere geladene Strukturen, die es in jedem Festkörper gibt. Und auch dort kommt es zu einer schnellen Bewegung in dem wechselnden äußeren Feld und diese Bewegung führt schließlich durch die Wechselwirkung innerhalb des Materials zu einer Erwärmung."

    Die Wärme lässt Öle aus dem Boden verdampfen oder mobilisiert Bakterien, die Kohlenwasserstoffe abbauen. Mit Radiowellen der Frequenz 13,56 Megahertz reinigte Ulf Roland den Boden eines Chemiebetriebes in Zeitz und den Untergrund englischer Tankstellen. Mühelos durchdringen sie den Boden bis in einige Meter Tiefe und erwärmen ihn gleichmäßig. Das machte sie für Detlef Schmidt interessant. Die heutigen Trocknungsverfahren mit Heißluft oder Heizstäben haben in seinen Augen einen großen Nachteil.

    "Sie haben immer das Problem, dass Sie irgendetwas zerstören, und dann versuchen Sie über relativ große Temperatur das Ganze rauszubringen. Das ist also, wenn Sie also denkmalgeschützte Gebäude haben und so etwas, immer ein Problem. Weil solche Konstruktionen, die leiden immens unter dem Temperatureintrag."

    Im seinem Labor hat er in den vergangenen zwei Jahren die unterschiedlichsten Mauern getrocknet: Moderne aus Beton und alte aus Sandstein, gewöhnliche Ziegelmauern und nachgemachte mittelalterliche Klostermauern mit Gipsputz und Kunstmarmor. Sein Fazit:

    "Also Trocknung funktioniert. Trocknung funktioniert und man könnte auch sagen, dass wir in Abhängigkeit von den stofflichen Eigenschaften des Mauerwerks dann, na, ich sag jetzt mal, schonender erwärmen können."

    Mit Radiowellen können Mauern gleichmäßiger erwärmt werden, und vor allem lässt sich die Temperatur viel exakter steuern als bei den bisherigen Verfahren. Die Klostermauern mit Gipsputz trocknete er wochenlang mit exakt 40 Grad und verhinderte so ein Ablösen des Putzes von Untergrund, ein häufiges Problem bei hohen Temperaturen. Auch ein anderes Problem feuchter Wände, die Ablagerung von Salze wie Salpeter, kann mit Radiowellen bekämpft werden. Durch gezielte Steuerung der elektromagnetischen Felder nehmen die Wassermoleküle die Salze Huckepack und bringen sie an die Oberfläche, wo sie dann beseitigt werden. Doch Radiowellen können noch mehr. Schmidt:

    "Wir haben auch Holzschädlinge bekämpft, irgendwelche Hausbocklarven, dass man durch entsprechende Wärmezyklen, Temperaturerhöhungen im Grunde genommen, einen Beitrag leisten kann zum Holzschutz, ohne dass man sich auf die chemische Keule sich werfen muss."
    Nach zwei Jahren des Testen von Radiowellen weiß Detlef Schmidt : sie haben viele Vorteile - und einen großen Nachteil.

    "Nun muss man sagen, dass sich Radiowellentechnik in der Praxis nur umsetzen lässt, wenn es uns gelingt, durch entsprechende Abschirmungen, dass die Abstrahlung möglichst gering ist."

    In der Versuchshalle der Hochschule schirmt ein kleiderschrankgroßes Metallgehäuse den Radiofrequenzgenerator ab. Erst wenn das System transportabel ist, können Hausbesitzer auf Trocknung mit Radiowellen hoffen.