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Radsport
Vuelta auf dem Profilierungsirrweg

Die Vuelta a Espagna macht sich und ihren Teilnehmern das Leben schwerer als nötig. Supersteile Rampen fordern die Fahrer heraus. Zu enge Straßen treiben die Sturzgefahr bei Sprintankünften in die Höhe. Das muss nicht sein, findet unser Autor Tom Mustroph.

Von Tom Mustroph | 16.09.2018
    Das bergige Gelände sorgt für anspruchsvolle Etappen bei der Vuelta.
    Das bergige Gelände sorgt immer wieder für anspruchsvolle Etappen bei der Vuelta a Espagna. (dpa / picture alliance / Yuzuru Sunada / BELGA)
    Rampen mit bis zu 27 Prozent Steigung, insgesamt sieben Bergetappen, dazu noch fünf sogenannte mittelschwere Etappen. Die Spanien-Rundfahrt steht für andauernde Kletterei. Das flößt selbst einem hartgesottenen Profi wie Simon Geschke, selbst Bergetappensieger bei der Tour de France 2016, Respekt ein. Zur extrem anstrengenden, vom Profil her aber nur als "mittelschwer" ausgewiesenen Etappe durch das Baskenland am Mittwoch (12.09.2018) sagte er: "Es ist eine sehr schwere Gegend, sehr kurvig, hoch, runter, steile Passagen. Es ist eine sehr schwere Radrenngegend."
    Zur WM-Vorbereitung genutzt
    Die Veranstalter tun das Ihre, die Fahrer zum Ende der Saison ganz besonders herauszufordern. Ist die Vuelta für die Profis deshalb auch härter als Tour de France oder Giro d'Italia? "Nein, das würde ich nicht sagen. Sie ist vom Level her schon noch am entspanntesten." Geschkes Ansicht verblüfft. Der Berliner weiß aber, wovon er spricht. Er fuhr alle drei Rundfahrten mehrfach, die Tour sechs Mal, den Giro drei Mal. An der Vuelta nahm er jetzt zum vierten Mal teil.
    "Bei der Vuelta werden schon eher einmal Neo-Profis das erste Mal ins Rennen geschickt", so Geschke, "es ist spät im Jahr. Viele Fahrer sind auch schon ruhiger als im Frühjahr, was den Ehrgeiz angeht. Sie haben ihre Verträge unterschrieben fürs nächste Jahr. Und dann gibt es auch welche, die hier nur für die WM trainieren wollen."
    Und die dann in der dritten Woche aussteigen. Der zweifache Etappensieger Rohan Dennis etwa fuhr nach seinem Sieg im langen Zeitfahren prompt nach Hause, um sich dort auf das WM-Zeitfahren vorzubereiten. Auch Geschke, deutscher WM-Starter Ende des Monats in Innsbruck, verließ die Vuelta. Offizieller Grund: eine Grippe.
    Dass ihr Rennen als WM-Aufgalopp genutzt wird und damit der Wettkampf um den Gesamtsieg etwas entwertet wird, frustriert die Vuelta-Organisatoren natürlich. Die Nähe zur WM sorgt andererseits auch für ein hochklassiges Starterfeld. Steht eine WM für Sprinter an, tummelt sich in Spanien die Elite der Sprinter. Folgt, wie in diesem Jahr, eine WM mit Kletterkurs, sind die Rundfahrer stark vertreten. Der Italiener Vincenzo Nibali kam deshalb zu Trainingszwecken, auch der Australier Richie Porte. An das Gesamtklassement dachten sie nicht mal im Traum.
    Das Problem mit der Hitze
    Für die, die um den Rundfahrtsieg kämpfen, ist die Vuelta dann aber doch nicht entspannter als Giro oder Tour. Adam Yates, der seinem Zwillingsbruder Simon beim Unternehmen Vuelta-Sieg zur Seite steht: "Sie sind alle auf ihre Art hart. Im Giro gibt es die sehr langen Etappen. Bei der Tour ist viel mehr Druck. Und bei der Vuelta ist es das Problem mit der Hitze. Es ist einfach superheiß hier. Jede Grand Tour hat ihre eigenen Herausforderungen. Und sie sind alle schwer."
    In ihrer Konkurrenzsituation zu den anderen großen Rundfahrten überspannen die Vuelta-Organisatoren zuweilen den Bogen, was ihnen Kritik von den Teams einbringt. "Auch wir wollen spannende Rennen, steile Anstiege, auch gefährliche Abfahrten. Aber man soll es nicht übertreiben. Es ist ein bisschen, als würde man in der Formel 1 in drei, vier Kurven auf der letzten Runde Sand und Steine streuen", kritisiert Nicolas Portal, sportlicher Leiter von Team Sky, die Veranstalter. Einer seiner Fahrer musste aufgeben, weil er kurz nach dem Sprint um den Etappensieg von einem Mitglied der Organisation in der ohnehin zu kleinen Ausrollzone zu Fall gebracht wurde.
    Aus Konkurrenzangst gegenüber der parallel gestarteten Deutschland Tour müssten die Vuelta-Organisatoren übrigens nicht den Weg der Extreme gehen. Mit ihren vier Etappen ist die wiederbelebte Rundfahrt in Deutschland ein Rennen ganz anderer Kategorie und keine Bedrohung für die Vuelta als dritte Grand Tour des Jahres. Eigentlich gibt es keinen Grund, sich mit übertriebenen Härten auf einen Profilierungsirrweg zu begeben.