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Räuber und Entdecker

Ausstellungen im Historischen Museum der Pfalz in Speyer waren in der Vergangenheit gelegentlich mit Vorsicht zu genießen. Zu publikumsfreundlich, dafür wissenschaftlich ungenau, so die Kritik. Für hohe Besucherzahlen sorgt sicher auch die neue Ausstellung des Hauses: Nach Neandertalern und Samurai stehen diesmal die Wikinger im Fokus.

Von Martina Wehlte | 30.12.2008
    Eine Wikinger-Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz in Speyer ließe durchaus ein Seeräuber-Stück für Groß und Klein erwarten. Das Haus betreibt seit fast zwanzig Jahren eine betont publikumsfreundliche Ausstellungspolitik und sieht sich gelegentlich dem Vorwurf des Populismus gegenüber.

    Der Direktor des Speyerer Museums, Alexander Koch, rechtfertigt jedoch seine breitenwirksame Aufbereitung kulturhistorischer Themen aus ferner Vergangenheit, zu denen auch "Die Wikinger" gehören.

    "Es geht darum, diese reinen wissenschaftlichen Inhalte und Fakten, über die wir verfügen, zu vermitteln, zu erschließen; es geht aber auch darum, ganz elementare Fragestellungen zu verfolgen: Wie ist es den Wikingern gelungen die Weltmeere zu bereisen? Wie konnten die Wikinger in den skandinavischen Lebensräumen überleben?"

    Um das anschaulich zu vermitteln bedarf es einer Präsentation der Fundstücke nach dem Ansatz der experimentellen Archäologie, auf die sich Alexander Koch ausdrücklich beruft. Danach wird mithilfe von Rekonstruktionen die frühere Lebenswelt anschaulich vermittelt und die Originale werden in einen Zusammenhang gebracht, der auch dem Laien verständlich ist. Im Falle der Wikinger ist das hervorragend gelungen. Die Ausstellung zeigt ein facettenreiches Bild dieses von der Mitte des achten bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in Dänemark, Norwegen und Schweden verbreiteten Seefahrervolkes.

    Als Schreckensnachricht verbreitete sich ihr Überfall auf das englische Kloster Lindisfarne im Jahre 793, und warum sie fortan für ihre blitzartigen Raubüberfälle berüchtigt wurden, erschließt sich gleich eingangs der Ausstellung. Umgeben von Vitrinen mit originalen Ruderstücken, einer metallenen Wetterfahne und anderem, ist hier der raumgreifende Nachbau eines Skuldelev-Schiffes zu sehen, eines flachen, wendigen Kriegsschiffes, das den Erfolg der Wikinger als Eroberer, als Plünderer aber auch Staatengründer ermöglichte.

    In den elf Ausstellungssektionen begegnen die Nordmänner, Rus' oder Waräger, wie die Wikinger im Laufe der Zeit auch benannt wurden, als Bauern, Handwerker und Händler. Ihre Arbeitsweise wird in Videoclips vorgeführt, ihre hochrangigen Erzeugnisse aber lassen sich in den eindrucksvollen Originalen internationaler Leihgeber bewundern. Ob es ein Anhänger im charakteristischen Greiftierstil aus dem Brandgrab der Dame von Aska ist, ob Axt und Lanzenspitze aus dem Britischen Museum oder das goldene Schmuckensemble aus dem Schatz von Hiddensee im Stralsunder Museum: Je weiter der Rundgang führt, desto deutlicher wird dem Besucher, in welchem Maße die Wikinger sich die mittelalterliche Welt erschlossen haben. Islamische Münzen, wie sie beispielsweise der Hortfund von Gnezdowo aus der Eremitage enthält, zeigen, dass die Handelsbeziehungen weit in den Nahen Osten und bis nach Bagdad reichten. Die Schlacht von Hastings, mit der Wilhelm der Eroberer 1066 zum Herrscher über England wurde, markiert nach allgemeinem Verständnis das Ende der Wikinger. Weitergelebt haben sie in den nordischen Sagas, durch die auch die heidnische Götterwelt auf uns gekommen ist, - anschaulich in Thorshämmern und kleinen Amuletten am Ende der Speyerer Ausstellung.

    Das Konzept der Schau überzeugt und ihre Inszenierung ist grandios, ohne als pures Event auf Kosten der kulturwissenschaftlichen Seriosität zu gehen. Sie erweist Alexander Kochs Einstellung als richtig, Museen müssten sich als Dienstleister sehen, denn, so Koch:

    "Ein Museum, das sich nicht um sein Publikum bemüht und um die Besucher, das wird sich früher oder später der Frage stellen müssen, warum es überhaupt eine öffentlich geförderte oder unterstützte Kultureinrichtung ist."

    Die Tatsache, dass das Speyerer Museum seine Kosten zu 35 bis 40 Prozent selbst decken kann, gibt ihm Recht. Aber wir müssen uns selbstverständlich auch Bildungseinrichtungen leisten können, die nicht nach der großen Masse schielen.