Donnerstag, 18. April 2024

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Ralph Brinkhaus (CDU) nach Koalitionsausschuss
"Wir wollen eine vernünftige Grundrente"

Die Grundrente soll kommen - und zwar zum Januar 2021. Daran halte man fest, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus im Dlf. Dafür müssten allerdings noch viele Details geklärt und einige Hausaufgaben gemacht werden. Der Union sei vor allem der Punkt der Einkommensprüfung wichtig, so Brinkhaus.

Ralph Brinkhaus im Gespräch mit Philipp May | 30.01.2020
Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion
Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion (picture alliance / SvenSimon)
Im vergangenen Jahr gab es - gestützt von niedrigen Zinsen - 13,5 Milliarden Euro mehr Einnahmen als Ausgaben. Dieses Geld gilt es zu verteilen. Union und SPD im haben sich in der Nacht im Koalitionsausschuss beraten und auf ein Investitionspaket zur Stärkung des Arbeitsmarkts und des Wirtschaftsstandortes Deutschland geeinigt. Strittig war bei den Gesprächen inbesondere die Frage der Grundrente. Die Unionsfraktion hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zuletzt aufgefordert, verbesserte Vorschläge vorzulegen. Darüber sprachen wir mit dem Fraktionschef der Union Ralph Brinkhaus.

Philipp May: Herr Brinkhaus, war das jetzt der große Wurf, oder doch eher der kleinste gemeinsame Nenner, was möglich ist mit dem Koalitionspartner?
Ralph Brinkhaus: Na ja. Wir sind bei einigen Punkten schon viel, viel weitergekommen. Das ist, was auch angesprochen worden ist: Das Kurzarbeitergeld, die Unterstützung des Wandels in der Landwirtschaft. Wir haben steuerliche Maßnahmen auch konkret beschlossen. Das heißt, dass im Bereich der digitalen Güter die Abschreibungsdauern verändert werden und so Investitionsanreize gesetzt werden. So schlecht war das nicht!
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Grundrente: viele Details müssen noch geklärt werden
May: Jetzt hatte ich aber im Vorfeld ganz andere Streitthemen auf dem Zettel. Das ist ja auch gerade im Gespräch deutlich geworden. Steuersenkungen, Unternehmenssteuerreform, das Gezerre um die Grundrente. Darum sind Sie gestern herumgetänzelt?
Brinkhaus: Nee, darum sind wir eigentlich nicht herumgetänzelt. Bei der Grundrente ist es so, dass da auf Fachebene noch verhandelt wird. Da gibt es viele Details, die geklärt werden müssen. Es sind da komplizierte Verfahren festzulegen, wie sich dann auch Finanzbehörden und Rentenversicherung abstimmen. Insofern sind da noch einige Hausaufgaben zu machen, und das war gestern Abend nun wirklich nicht entscheidungsreif.
May: Aber die Grundrente, die kommt zum 1. 1. 2021. Das halten wir fest, das ist ganz klar, auch aus Sicht der Union? Da steht sie zu?
Unionsfraktion will "vernünftigen Grundrente"
Brinkhaus: Ja, natürlich! Wir wollen eine Grundrente. Aber wir wollen sie vernünftig und da war der erste Vorschlag von Hubertus Heil noch nicht so ganz gelungen. Jetzt wird daran gearbeitet, auch mit Hubertus Heil. Das ist gut so. Insofern müssen wir da jetzt in den nächsten vier Wochen auch richtig Gas geben, damit wir unser Ziel erreichen.
May: Wenn Sie da schon Haltungsnoten verteilen, wo muss Hubertus Heil denn seinen Entwurf noch konkret nachbessern?
Brinkhaus: Wie gesagt, bei diesen technischen Verfahren. Wir wollten das ja alles mit einem automatischen Informationsausgleich oder Austausch haben. Es ging darum, eine Einkommensprüfung zu machen, und das ist uns als Union sehr wichtig, dass die Grundrente nur bei denjenigen ankommt, die auch tatsächlich den Bedarf haben und die bedürftig sind.
May: Aber dass Hubertus Heil jetzt in die Grundrente reingeschrieben hat, dass es einen gleitenden Übergang gibt – ursprünglich war ja mal von 35 Arbeitsjahren die Rede; dann kommt die Grundrente. Jetzt sagt er, auch schon mit 33 Jahren sollte jemand zumindest anteilig die Grundrente bekommen. Darauf würden Sie sich einlassen?
Brinkhaus: Das wird momentan verhandelt. Das haben wir aber auch damals im vorvorletzten Koalitionsausschuss so besprochen, dass wir über dieses Thema noch sprechen werden. Das ist keine Neuigkeit.
Aber wenn Sie mir eins erlauben, weil vorher immer gesagt worden ist vom Korrespondenten, genug Geld ist da. Olaf Scholz erzählt uns das immer anders, dass genügend Geld da ist. Und wie gesagt, man muss auch einfach mal schauen, welche Verpflichtungen wir in den nächsten Jahren haben. Insofern sollte man jetzt nicht die Botschaft verbreiten, es fällt Manna vom Himmel und es ist genügend Geld da. Das was da jetzt an Geld ausgegeben wird, das ist über die nächsten Jahre Geld für die Landwirtschaft. Es werden für die Kurzarbeit Gelder anfallen, die aber auch überwiegend dann von der Bundesagentur für Arbeit entsprechend zu tragen sind. Insofern ist das jetzt nicht das Geld ausschütten gewesen. Das ist vorher ein bisschen vielleicht missverständlich zu verstehen gewesen.
13,5 Milliarden - wie investieren?
May: Dann frage ich direkt nach. Was soll denn mit den 13,5 Milliarden passieren? Doch lieber auf die hohe Kante?
Brinkhaus: Wir werden uns da jetzt entsprechend zusammensetzen. Aber Olaf Scholz hat auch mehrfach deutlich gemacht, dass er hohe Belastungen in den nächsten Jahren hat und dass wir natürlich versuchen müssen, in den nächsten Jahren den Haushalt entsprechend so zu gestalten, dass wir unsere Schuldenbremse und unsere europäischen Verpflichtungen einhalten, und das wird nicht ganz trivial. Wir müssen mehr Geld ausgeben, um unsere NATO-Quote zu erfüllen. Wir wollen die Investitionen auch tatsächlich verstetigen und uns da neu justieren. Wir haben höhere Verpflichtungen in Europa vor der Brust. Da ist eine ganze Menge, was noch zu finanzieren ist.
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May: Die schwarze Null bleibt. Das geht aber gegen die neue SPD-Spitze. Die hat sich ja ganz explizit gegen die schwarze Null ausgesprochen.
Brinkhaus: Wir haben in der Koalition zusammen mit der Bundestagsfraktion der SPD und auch innerhalb der Regierung das Verständnis, dass wir weiterhin solide wirtschaften, dass wir weiterhin die Verpflichtungen einhalten, die wir eingegangen sind, die im Grundgesetz stehen. Insofern ist da auch, glaube ich, wenig zu diskutieren.
May: Sehen das auch Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken so, die jetzt neu dabei sind in der Koalition und auch in diesen Runden?
Brinkhaus: Ach wissen Sie, das ist ja ganz normal, wenn man neu in so eine Runde kommt. Wenn man gewählt worden ist mit einer bestimmten Agenda, dann wird natürlich darüber diskutiert, und das machen die beiden auch und die versuchen, ihre Punkte zu setzen. Wir sagen, was vereinbart worden ist, und im Übrigen klappt das ja auch ganz gut an der einen oder anderen Stelle, dass wir da auch zusammenkommen. Und das ist ja das Wichtige und das ist auch das Ergebnis von gestern Nacht. Wenn es darauf ankommt, dann kriegen wir was hin, und so soll das auch bis 2021 bleiben.
"Zarter Einstieg" bei Unternehmenssteuerreform gefunden
May: Das heißt, Sie haben jetzt schon gelernt, das ist irrelevant, was die sagen, weil die wollen die Koalition auch bis 2021 halten?
Brinkhaus: Es wäre ja doch respektlos zu sagen, dass irgendwas irrelevant ist. Jeder hat da seine Agenda, jeder hat da seine Punkte. Und dass man dafür kämpft, das ist doch auch richtig. Das muss auch so sein. Wir kämpfen auch für unsere Punkte. Wir kämpfen für die Unternehmenssteuerreform, wo wir jetzt einen zarten Einstieg gefunden haben gestern Nacht.
May: Ist die denn drin, wenn das Geld so knapp ist?
Brinkhaus: Die Unternehmenssteuerreform dient ja dazu, dass wir auch in Zukunft weiter Geld verdienen, weil es geht ja darum, dass unsere Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben im internationalen Vergleich.
May: Sind sie das nicht?
Brinkhaus: Steuerlich ist es so, dass wir doch mittlerweile ein ziemliches Hochsteuerland geworden sind. Und wenn es jetzt darum geht, wo Investitionen stattfinden, dann guckt sich natürlich jeder Unternehmer an, wie hoch sind die Steuern, wie hoch sind die Energiepreise, wie hoch sind die Sozialbelastungen, wie unflexibel ist das Arbeitsrecht. Ich glaube, da haben wir noch eine Menge Luft nach oben in Deutschland. Da müssen wir jetzt uns anstrengen, damit wir gegenüber unseren Wettbewerbern in China, in den Vereinigten Staaten auch im Wind bleiben.
May: Aber klagen Unternehmen nicht immer über mangelnde Wettbewerbsfähigkeit? Bisher ist die große Abwanderungswelle ja ausgeblieben.
Brinkhaus: Oh, oh, oh! Wenn Sie sich einfach mal anschauen, wie viele Rückmeldungen wir kriegen, dass wegen hoher Energiepreise Investitionen nicht in Deutschland getätigt werden. Das heißt nicht, dass irgendwelche Unternehmen zugemacht werden, aber das heißt, wenn eine neue große Investition ansteht, in energieintensiven Branchen, dann wird die dann doch mal nicht in Deutschland gemacht. Und wir müssen doch auch an die Zukunft denken. Wir werden doch nicht die gleiche Wirtschaftsstruktur wie heute auch noch in 10 oder 15 Jahren haben. Insofern gibt es da eine Menge zu tun, weil wenn wir in Zukunft keine Arbeit mehr haben, dann können wir auch nicht mehr investieren und wir können auch keine Sozialausgaben mehr uns leisten.
Anforderungen am Arbeitsmarkt müssen gedeckt werden
May: Ich dachte, das große Problem ist eher, dass wir keine Arbeiter in Zukunft mehr haben. Spätestens 2025, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Schon jetzt bewegen wir uns ja Richtung Vollbeschäftigung.
Brinkhaus: Auch darauf haben wir uns gestern gut zubewegt, weil wir haben ja Branchen, in denen es schwieriger wird, wie beispielsweise die Automobilindustrie, und da haben wir gesagt, wir müssen den Übergang, den Transfer gestalten. Wir müssen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, sich so zu qualifizieren, dass die Anforderungen, die dann im Arbeitsmarkt da sind, auch gedeckt werden können. Denn was nützt es uns, wenn wir uns auf der einen Seite Handwerker aus der ganzen Welt holen und auf der anderen Seite haben wir dann gegebenenfalls einen Arbeitsplatzabbau im Bereich Automobil.
May: Was ist mit dem SPD-Vorschlag, die Soli-Abschaffung beziehungsweise die Teil-Soli-Abschaffung vorzuziehen auf das kommende Halbjahr?
Brinkhaus: Das konnte mir noch niemand erklären, wo das Geld entsprechend herkommen soll. Da ist Olaf Scholz gefordert und vielleicht kann er Ihnen das erklären. Mir nicht.
May: Wieso? Das sind doch 13,5 Milliarden Euro. Es wäre eine einmalige Zahlung. Das könnte man doch direkt an die Bürger zurückgeben. Das ist doch eine Forderung, die ständig auch von der Union kommt, Geld an die Bürger zurückgeben, das da ist.
Brinkhaus: Ja! Deswegen haben wir ja auch gegen den Widerstand der SPD überhaupt die Soli-Senkung durchgesetzt und deswegen kämpfen wir auch an verschiedenen Stellen darum, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Darüber werden wir uns auch unterhalten. Aber noch mal: Ich hatte das anfangs schon mal gesagt. Es wird jetzt so getan, als wenn das Manna vom Himmel fällt. Diese Überschüsse, die erwirtschaftet worden sind, oder die auch einfach nur deswegen da sind, weil Gelder nicht ausgegeben worden sind, die aber noch in den nächsten Jahren ausgegeben werden sollen, die sind nicht so umfangreich, dass wir jetzt ganz wild anfangen können, alles zu verteilen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.