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Ramadan ohne Sonnenuntergang

Tromsø liegt nördlich des Polarkreises. Wenn nun der Fastenmonat Ramadan beginnt, können sich die Muslime dort nicht nach der Sonne richten. Sogar die Gelehrten in Mekka mussten sich mit dem Polarkreis beschäftigen - und haben eine Sonderregel erlassen.

Von Tim Krohn | 10.07.2013
    Das Alnor Senter ist ein kleiner Zweckbau, schmucklos wie so vieles hier im Norden. Früher war in dem Gebäude mal ein Tanzstudio untergebracht, heute ist es die nördlichste Moschee der ganzen Welt.

    "Allahu akbar"

    Der Muezzin ruft – rund 350 Kilometer nördlich des Polarkreises. Gut eintausend Muslime leben in der nord-norwegischen Universitätsstadt Tromsø. Ein paar Dutzend von ihnen wollen heute Abend gemeinsam kochen.

    Adil Karim Muhammed kocht nach einem uralten Rezept aus dem Irak. Es gibt Lamm mit Auberginen, Zwiebeln und Tomaten. Knoblauch kommt rein und dann dieses gute kräftige Gewürz aus der irakischen Heimat. Die uralte Frage sei jetzt nur, erzählt Adil, wann darf er davon kosten?

    Heute beginnt der Ramadan. Das ist in Tromsø nicht anders als in Dschidda. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang darf Adil nichts essen. Dumm nur, dass man auf diese Art und Weise in Tromsø wohl verhungern müsste.
    "Im Sommer haben wir ja die Mitternachtssonne am Polarkreis. Da gibt es keinen Sonnenauf- oder –untergang. Deshalb müssen wir es anders machen hier."

    Sandra Moe leitet das Alnor Senter in Tromsø. Sie hat extra die saudischen Gelehrten in Mekka befragt, um ja keine Fehler zu machen. Die Antwort von dort war ein beherztes "entweder oder". Entweder ihr richtet euch "nach der nächstgrößeren Stadt mit einem Sonnenauf und – Untergang, also nach Oslo zum Beispiel, oder ihr legt die Zeiten selber fest". Oder, das war dann wohl das Einfachste, ihr "übernehmt im Juli einfach unsere Zeiten."

    "Fast alle Moscheen in Nordnorwegen haben sich darauf verständigt, die Zeiten von Mekka zu befolgen. Zumindest in der Zeit, in der wir die Mitternachtssonne haben."

    Punkt 19 Uhr heute Abend darf also Adil Karim von seinem Lamm probieren, auch wenn es draußen in Tromsø noch hell ist wie zur Mittagszeit. In ein paar Wochen aber muss sich der gebürtige Iraker schon wieder umstellen. Denn dann ist die Sonne gewandert und die polaren Bedingungen des Fastens werden spürbar härter.

    ""Irgendwann kommen wir an den Punkt, an dem die Sonne wieder untergeht, an dem die Fastenzeit unter 20 Stunden lang dauern würde. Da genau liegt die Grenze. Dann gehen wir zurück auf die lokale Ortszeit in Tromsø. Dann fasten wir also 20 Stunden lang. Von einem Tag auf den anderen ändern wir das Fastenbrechen – dann rutscht die Zeit von 19 Uhr auf 22:30Uhr. Das ist ziemlich spät."

    Gerade mal gut vier Stunden, rechnet die Muslima vor, bleiben dann noch für Essen und Trinken in Tromsø.

    Adil Karim und Laura, seine finnische Frau, würzen ihr Lamm und lachen. Dass hier in Tromsø eben alles etwas anders läuft als in Mekka, Bagdad oder Helsinki, daran haben sich beiden längst gewöhnt. Ramadan geht trotzdem, sagen sie. Muss ja auch ... irgendwie.

    "Das hört sich schwer an, aber das geht schon ... zwei oder drei Stunden mehr, ach das bedeutet nichts. (...) Und jetzt ist es Sommer, die Leute haben alle Urlaub und arbeiten nicht so viel. Natürlich, wenn man arbeitet, braucht man vielleicht schon etwas mehr Energie, für den Körper ist das schwer. Aber jetzt ist Ferienzeit. Und deshalb ist es gut. Kein Problem."