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Rapid Surfen
Warten auf die künstliche Welle

Surfen wandelt sich. Weg vom Hochglanz-Image, weg vom Bild der super-coolen, braungebrannten Wellenreiter auf Hawaii hin zum Sport für Jedermann, vom Meer in die Städte, in Flüssen auf Surf-Anlagen, draußen oder unter dem Hallendach.

Von Daniela Müllenborn | 21.04.2019
Die Outdoor-Surfanlage in Langenfeld im Rheinland. Lenya steht auf dem Surf-Brett im tosenden Wasser, ganz nah am Beckenrand. Von dort aus unterstützt sie Surf-Trainer Pedro. An dessen ausgestrecktem Arm kann sich Lenya festhalten, wenn sie das Gleichgewicht zu verlieren droht. Nach ein paar Minuten entzieht Pedro seiner Schülerin so langsam die Hilfestellung.
Pedro: "Du brauchst beide Arme für die Balance."
Lenya: "Aber ich will nicht ins Wasser fallen, es ist so kalt."
Pedro: "Du musst meine Hand loslassen, sonst konzentrierst du dich nur darauf und nicht auf dein Gleichgewicht, klappt doch."
Die Kunstwelle in Langenfeld
Die Kunstwelle in Langenfeld (Deutschlandradio / Daniela Müllenborn)
Lenya surft heute zum ersten Mal. Ihre Eltern haben ihr die Stunde zum 15. Geburtstag geschenkt. Eine Stunde "Rapid Surfen". Diese Bezeichnung hat der Deutsche Wellenreit Verband, mit seinem Präsidenten Philipp Kuretzky, der jungen Disziplin gegeben.
Kuretzky sagt: "Rapid Surfen, das ist ein Begriff, der erst mal kompliziert klingt, wir haben ihn zusammen mit den deutschen Vereinen geschaffen, weil wir einen Begriff haben wollten, der das Wellenreiten klar unterscheidet, von der Sportart, die entweder in Flüssen stattfindet, oder auf künstlichen Wellen stattfindet, oder eben auch auf einer künstlichen Welle im See."
Anders als im Meer, also beim Wellenreiten, kommt die Welle beim "Rapid-Surfen" nicht von hinten angerollt, sondern von vorne, was eine andere Technik verlangt. Und: der Surfer muss beim "Rapid Surfen" nicht ständig auf die perfekte Welle warten. Sie ist einfach immer da.
"Gleiche Bedingungen für alle"
"Rapid steht für ne Stromschnelle, oder für das schnelle Surfen, das heißt, bei den Events ist die Taktung viel höher als im Meer. Im Meer kann es sein, dass ne Viertelstunde keine Welle kommt. Und das "rapid" soll noch mal ausdrücken, dass es sehr, sehr schnell geht, dass es spannungsgeladener ist, natürlich spielt da der Zufallsfaktor nicht mit rein, beim Rapid-Surfen haben alle die gleichen Bedingungen", sagt Kuretzky.
In Langenfeld wird die Welle künstlich erzeugt. In einem rechteckigen Becken, das zu einer Seite hin offen ist und in den See der Wasserski-Anlage mündet. In dem Becken werden Wassermassen mittels Pumpen beschleunigt. Dieses schnell fließende Wasser trifft auf das stehende Wasser des Sees. Die so entstehende Wasserwalze wird durch eine verstellbare Rampe zu einer mehr oder weniger anspruchsvollen "Stehenden Welle".
Diese, dann immer gleiche Welle, soll es Anfängern leichter machen das Surfen zu lernen. Das kann Surf-Lehrer Pedro aus eigener Erfahrung sagen. Er kommt aus Brasilien, aus Rio, hat dort im Meer mit dem Sport angefangen.
"Am Meer ist die Welle immer anders und man braucht Jahre um es zu lernen, und hier hab ich Leute erlebt, die haben es so schnell gelernt. Denn du kannst hier immer wieder wiederholen, und dann kannst du sehen: das hab ich falsch gemacht, das muss ich jetzt so machen."
"Nie das gleiche, wie am Meer"
Einige stehende Wellen in Flüssen hatten Surfer schon Anfang der 1970er für sich entdeckt. Zum Beispiel im Münchener Eisbach, einer Abzweigung der Isar. Damals entwickelte sich eine richtige Fluss-Surf-Kultur. Inzwischen entstehen immer mehr Wellen-Projekte in Flüssen, etwa die künstlich erzeugte Leine-Welle bei Hannover, die bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio fertig sein soll.
Sonnenbadende am Eisbach des Englischen Gartens in München, aufgenommen am 08.06.2014
Am Eisbach im Englischen Garten in München entwickelte sich schon früh ein Eldorado für Surfer in der Stadt. (picture alliance / dpa / Felix Hörhager)
Und auch sogenannte "Wave-Pools" werden immer mehr. Also kommerzielle Projekte wie in Langenfeld, wo eine Stunde Surfen zum Beispiel 34 Euro kostet. Surfen in der Stadt, fernab der Surf-Paradiese am Meer. Für Wellenreit-Verbandschef Philip Kuretzky treffen zwei Weltanschauung aufeinander:
"Das eine ist fast eine philosophische Sportart, das andere ne sehr technische Sportart, die auch immer mit sehr viel technischem Aufwand verbunden ist. Es befriedigt auch auf ne gewisse Art und Weise, aber es wird nie das sein, und das werden auch die Rapid-Surfer unterschreiben. Es wird nie das gleiche sein, wie am Meer zu sitzen und dann kommt auf einmal eine riesige Welle, die man vorher überhaupt nicht erahnt hat. Dieser Überraschungsmoment der Natur der ist einfach viel größer und danach lechzen am Ende alle Wellenreiter. Aber in Deutschland wird diese Riesen-Welle niemals ankommen."
Die Szene wächst
Und weil Surfer in Deutschland nicht so viele Möglichkeiten haben im Meer Wellen zu reiten, begrüßt Philipp Kuretzky die Wellen-Projekte in Flüssen oder Seen, die das Surfen einer breiten Masse zugänglich machen und am Ende vielleicht ja auch den einen oder anderen deutschen Top-Athleten mehr hervorbringen.
Die Rapid-Surf-Szene jedenfalls wächst. Es gibt schon eine Rapid-Surf-Liga und im Mai werden auch erstmals deutsche Meisterschaften ausgetragen, bei denen auch Meeres-Wellenreiter an den Start gehen. Die Titelkämpfe werden im Surf-Becken in Langenfeld ausgetragen, wo die 15-jährige Lenya gerade zum ersten Mal surft.