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Rapperin Rebeca Lane
Feminismus aus Guatemala

In Lateinamerika gehört für viele Frauen Gewalt zum Alltag. Es ist eine der Regionen mit den meisten Frauenmorden weltweit. Die aus Guatemala stammende Rapperin Rebeca Lane spricht in ihren Tracks über diese Problematik und gibt in selbstorganisierten feministischen Workshops Frauen eine Stimme.

Von Sophia Boddenberg | 19.10.2019
Auf dem Bild ist die Rapperin Rebeca Lane zu sehen. Sie trägt ein farbenfrohes Kleid
Die Rapperin Rebeca Lane (Paula Morales)
Rebeca Lane tritt in Chiles Hauptstadt Santiago im Stadtviertel Recoleta auf. "Descolonizar" heißt das Konzert am 12. Oktober, dem Tag, an dem Kolumbus nach Lateinamerika kam. Auf dem Kontinent kein Feiertag, sondern ein Tag der Proteste gegen die Gewalt der Kolonisation. Hauptsächlich Frauen sind auf dem Konzert, viele sind extra nach Santiago gekommen, um sie zu sehen, so wie Daniela:
"Sie inspiriert mich sehr, weil sie von Themen spricht, die an einem Tag wie heute besonders wichtig sind in Lateinamerika, wie die Unterdrückung der indigenen Völker und die Unterdrückung der Frauen."
Höchste Anzahl an Frauenmorden
Lateinamerika ist eine der Regionen mit der höchsten Anzahl an Frauenmorden weltweit. Gewalt ist für viele Frauen Alltag. Die Songs von Rebeca Lane handeln von dieser Gewalt, aber auch von Resilienz, Widerstand und Kraft. Sie rappt nicht von Frauen als Opfern, sondern von "guerreras", Kämpferinnen. Daher spricht sie vielen ihrer weiblichen Fans aus der Seele, wie Rocío erklärt:
"Ich habe Gewalt in einer heterosexuellen Beziehung erlebt. Ihre Musik lässt einen verstehen, dass diese Gewalt strukturell ist, dass es nicht nur dir passiert, sondern dass es viele Frauen gibt, die in der gleichen Situation sind."
Wunden heilen, das möchte Rebeca Lane mit ihrer Musik. Besonders deutlich wird das in dem Song "Tzk'at" von ihrem aktuellen Album "Obsidiana". "Tzk'at" ist ein Begriff der indigenen Sprache Quiché aus Guatemala. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Guatemalas gehört einem der 25 indigenen Völker an, viele stammen von den Mayas ab. Davon inspiriert sind auch Rebeca Lane’s Tracks, in denen sie urbanen Feminismus mit der Geschichte einheimischer Kulturen vermischt.
Rebeca Lane: "'Tzk'at' bedeutet 'Ich bin du, du bist ich'. Es ist ein Begriff des gemeinschaftlichen Zusammenhalts. Ich habe festgestellt, was für eine Wirkung Musik hinterlassen kann, wenn sie aus einer Wunde entsteht (und wenn diese Wunde geheilt werden will.) Das habe ich auch bei meinen letzten Konzerten gemerkt. Das Gefühl, das zwischen den Frauen entsteht, ist sehr schön."
Eine offene Wunde
Rebeca hat mit 16 angefangen zu rappen. Sie versteht ihre Musik als politisches Werkzeug, mit der sie auch die historischen Dissonanzen Lateinamerikas thematisiert: Guatemala erlebte von 1960 bis 1996 einen blutigen Bürgerkrieg zwischen linken Guerillaorganisationen und rechtsgerichteten Militärs. Rebeca Lanes Tante war Guerillera und verschwand 1981 spurlos. Eine offene Wunde, die sie in ihrer Musik durch den Hip-Hop verarbeitet.
"Hip-Hop gab den Jugendlichen eine Stimme, denen niemand zuhören wollte. Die meisten Jugendlichen in den Armenvierteln kommen aus Familien, die vor dem Krieg oder vor dem Erdbeben von 1976 geflohen sind. Sie kommen in die Stadt und lernen nicht mehr ihre traditionelle Sprache, tragen nicht mehr ihre traditionelle Kleidung, um in der rassistischen Gesellschaft zu überleben. Der Hip-Hop ist unter den Jugendlichen gewachsen, die entwurzelt wurden. Der Hip-Hop in der Bronx entstand unter Jugendlichen, die Einwanderer waren, Jamaikaner, Puerto-Ricaner, Afroamerikaner, Menschen aus der afrikanischen Diaspora. Es ist eine Kultur, die dich Wurzeln schlagen lässt, wenn sie dir genommen wurden, deine eigenen Wurzeln mit deiner eigenen Sprache. Deshalb habe ich angefangen, Rap zu machen."
Feministischer Rap-Workshop
Für Rebeca Lane ist es besonders wichtig, ihr Wissen und Können weiterzugeben. Während ihres Aufenthalts in Chile gibt sie deshalb nicht nur Konzerte, sondern rappt auch bei einer Veranstaltung über Abtreibungsrecht und organisiert einen feministischen Rap-Workshop. 25 Frauen sind gekommen. Gemeinsam erarbeiten sie Rhythmen, Reime und Texte. Hier verschmelzen Musik und Aktivismus, und vielleicht entsteht hier eine neue Generation von lateinamerikanischen Rapperinnen, von denen wir bald noch mehr hören werden.
Jaheli ist eine von ihnen. Sie nimmt an dem Workshop teil und rappt seit einigen Jahren.
"In all diesen Jahren war es so schwierig für uns, weil die Männer den Hiphop und die Bühne für sich beansprucht haben. Jetzt zu sehen, dass so viele Frauen so viel zu reimen und zu sagen haben, erfüllt mein Herz mit Stolz. Ich glaube, dass, obwohl so viel Schlimmes auf der Welt passiert, wir jeden Tag kraftvoller sind, verbundener. Vor allem wir Frauen, wir sehen uns heute als Kolleginnen als Partnerinnen, wir bewundern und respektieren uns."