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Rasenmanagement
Welcher Rasen hält hemmungslosem Gekicke stand?

Auch bei der Fußball-EM in Frankreich ist er wieder Thema - der Rasen. Welche Grasdecke ist für Profi-Kicker am besten geeignet? Oder: Welche Rasenfarbe ist die beliebteste? An der Hochschule Osnabrück soll ein Rasenprofessor Antworten auf diese und andere Fragen finden.

Von Almuth Knigge | 07.07.2016
    Rasen ist nicht gleich Rasen: Bundestrainer Joachim Löw beim "Streicheltest"
    Rasen ist nicht gleich Rasen: Bundestrainer Joachim Löw beim "Qualitätscheck" (imago)
    Der Rasen ist das Stiefkind der deutschen Landschaftspflege geworden. Das Grünland braucht wieder mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Nicht nur, dass es sich nach dem Mähen mit einem nachweislich stimulierenden Geruch bedankt. Der Rasen kann noch so viel mehr.
    "Rasenflächen kühlen die Umgebungsluft schon sehr ab. Das merkt man, wenn man sich an einem heißen Sommertag in einer Grünfläche bewegt", weiß Dr. Harald Nonn, der Vorsitzende der Deutschen Rasengesellschaft – die jetzt eine Stiftungsprofessur für Rasenmanagement an der Hochschule Osnabrück sponsern will – dafür aber noch einen Rasenprofessor braucht. Er muss ein Herz für Halme haben – so wie Dr. Nonn. Der ist so etwas wie der oberste Rasenversteher Deutschlands und deshalb ist er auch Mitglied in der Expertenkommission Rasen der Deutschen Fußball-Liga. Die wurde vor fünf Jahren eingesetzt, als die Klagen über die schlechte Rasenqualität in einigen Stadien immer lauter wurden. Seitdem überwacht Saatgutspezialist Harald Nonn die Narbendichte und die Blattfeinheit in den Bundesligastadien – aber nicht nur da.
    "Wir haben Rasenflächen in der freien Landschaft, wenn es um Landschaftsrasen geht, dort erfüllt er eine wichtige Funktion im Hinblick auf Erosionsschutz."
    Nächste Frage: Welcher Rasen hält dem Klimawandel am besten Stand? Oder hemmungslosem Gekicke? Es geht also um Bodenbedeckung und Steifigkeit - und natürlich um die Farbe.
    "Die grüne Farbe ist für das menschliche Auge vom sichtbaren Spektrum genau in der Mitte. Das heißt, es ist eine sehr angenehme Farbe und Grün beruhigt auch das Gemüt. Die Pflanze selbst erzeugt, wie jede grüne Pflanze, Sauerstoff und es gibt eine wissenschaftliche Untersuchung aus Amerika, dass eine 200 Quadratmeter große Rasenfläche den Sauerstoffbedarf einer vierköpfigen Familie deckt."
    Amerika ist im Moment sowieso das wichtigste Rasenland der Erde
    Mittelfrischgrün ist in Deutschland beispielsweise die beliebteste Rasenfarbe. Der Amerikaner hingegen kauft viel lieber blaugrünes Saatgut. Amerika ist im Moment sowieso das wichtigste Rasenland der Erde. "Turf Science" ist dort eine ernste Sache. Ein halbes Dutzend Universitäten bieten dort Studiengänge zur Rasenforschung an. Die amerikanische Rasenindustrie macht jährlich schätzungsweise 40 Milliarden Dollar Umsatz. In Deutschland ist noch sehr viel Luft nach oben. Auch deshalb muss mehr geforscht werden, sagt Dr. Nonn. Man darf und kann die Forschungsergebnisse nicht einfach übernehmen.
    "Man muss diese Forschungsergebnisse auch immer im Kontext der Rahmenbedingungen sehen. In den USA haben Sie ganz andere Möglichkeiten der Rasenpflege noch. Dort sind viele Dinge noch möglich, auch in Sachen Pflanzenschutz."
    Dort dürfen Herbizide und Fungizide noch hemmungslos versprüht werden.
    "Da müssen wir uns andere Dinge überlegen und empfehlen, um entsprechend die Endverbraucher beraten zu können."
    Stoff genug also zum forschen – und dass dies demnächst in Osnabrück stattfinden soll, ist auch kein Zufall. Osnabrück hat erstens eine lange Tradition und zweites ein Faible für Nischenfächer – sowohl Universität als auch Hochschule bieten eine Reihe von exotischen Fachrichtungen an. Kosmetologie zum Beispiel – was nichts mit schminken und Haarefärben zu tun hat, sondern mit Körperpflege.
    Darauf legt der Vizepräsident der Uni, Joachim W. Härtling, Wert. Bei einem neuen Studiengang wird immer gefragt:
    "Hat dieser Studiengang einen wissenschaftlichen Standard? Haben wir die Ressourcen, also die dementsprechenden Professuren und Mitarbeiter dazu, um eine solche Ausbildung zu machen, und der dritte Punkt, der ganz wichtige Punkt ist, gibt es für unsere Absolventen danach eine Berufsperspektive."
    Breites Tätigkeitsfeld
    Das kann Dr. Nonn für die Rasenexperten quasi garantieren.
    "Das Tätigkeitsfeld ist sehr, sehr breit."
    Im Premiumsegment, so wie die Experten es nennen, in Golfclubs oder exklusiven Sportanlagen, werden immer Rasenexperten gesucht und gut bezahlt.
    Und "die Kommunen suchen entsprechend ausgebildete Fachleute um ihre Grünflächen, Rasenflächen zu betreuen."
    Früher hießen solche Leute einfach nur Gärtner.