Freitag, 19. April 2024

Archiv

Raumfahrtunternehmen
Geld sparen durch Raketenrecycling

Am Wochenende ist der amerikanischen Weltraumfirma SpaceX eine Premiere in der Raumfahrt gelungen. Nach einigen Bruchlandungen fand erstmals eine Rakete ihren Weg zurück zur Erde. Ziel dieses Flugmanövers: Raketenrecycling. Der erneute Einsatz der ersten Stufe soll die Kosten senken und die Startfrequenz erhöhen.

Von Guido Meyer | 12.04.2016
    Die "Falcon 9" Rakete der Firma SpaceX landet auf einer Plattform im Ozean.
    Die "Falcon 9" Rakete der Firma SpaceX landet auf einer Plattform im Ozean. Zuvor gab es mehrfach Buchlandungen. (SpaceX / Public Domain)
    "Schön, dass die Rakete auch mal auf der schwimmenden Plattform aufgesetzt habe, ohne ein Loch in sie zu schlagen oder umzufallen."
    Diesen Galgenhumor kann sich der Chef der amerikanischen Weltraumfirma SpaceX, Elon Musk, leisten – jetzt, da die Falcon 9 bewiesen hat, dass sie nach Brennschluss ihrer Triebwerke zurückkehren und aufrecht stehend auf einer Plattform im Meer aufsetzen kann.
    "Das war für uns ein wichtiger Erfolg. Denn ungefähr die Hälfte unserer künftigen Missionen wird auf dem Wasser landen müssen. Der Grund dafür ist die Umlaufbahn der Internationalen Raumstation (ISS), die wir mit Nachschub beliefern. Sie rast mit fast 30.000 Kilometern pro Stunde um die Erde. Innerhalb von 20 Minuten hat sie den Atlantischen Ozean überflogen. Und unsere Rakete muss sie einholen."
    Ein bis zwei Tage dauert dieses Flugmanöver, dass alle Raketen vollführen müssen, die die ISS erreichen wollen. Um abzubremsen, umzudrehen, zurückzufliegen und kontrolliert zu landen, fehlt oft der Treibstoff. Deswegen war SpaceX die Fähigkeit, wenn nötig auf einer Plattform im Wasser landen zu können, so wichtig.
    Elon Musk: "Ein paar zehn Millionen" Dollar sparen
    In den kommenden Tagen will die Firma mit der am Freitag zurückgekehrten ersten Stufe Tests durchführen. Die Belastungen der Landung haben wahrscheinlich Risse in der Raketenhülle entstehen lassen. Deswegen überlegt SpaceX, statt einer runden, glatten Außenhaut künftig zu einer Verkleidung mit einer gewellten, geriffelten Struktur zu wechseln, die stabiler wäre. Außerdem will das Unternehmen testen, ob die Triebwerke zehnmal zünden und fehlerfrei funktionieren. Möglicherweise soll diese Stufe dann die erste werden, die im Mai oder Juni erneut startet. Dieses Verfahren ergebe Sinn, findet Fabian Eilingsfeld, Unternehmensberater bei PRICE Systems in Rüsselsheim, der sich auf den Raumfahrtsektor spezialisiert hat:
    "Das ist vom Ansatz her sicherlich erst einmal großartig gedacht. Die können natürlich in absoluten Kosten nicht so viel einsparen, wie jetzt bei einem ganz tollen Gerät, wie wenn man einmal als extremes Gegenstück das Space Shuttle nimmt. Hätte man das wegeworfen nach jeder Mission, wäre jedem sofort aufgegangen, dass das extrem unwirtschaftlich ist. Da hat man gleich ein paar Milliarden gespart durch die Wiederverwendung. Bei SpaceX sind es halt nur ein paar zehn Millionen, aber der Ansatz ist trotzdem richtig."
    "Ein paar zehn Millionen" will SpaceX-Chef Elon Musk dadurch einsparen, dass er die Materialkosten für jede Rakete um den Faktor hundert senkt - von 60 Millionen auf 600.000 Dollar. Hinzu kämen dann noch maximal 300.000 Dollar für den Treibstoff.
    "Es wird wahrscheinlich künftig einige Fehlschläge geben. Aber wir werden zu einem Punkt kommen, an dem es Routine sein wird, dass die erste Stufe zurückkehrt. Dann müssen wir sie nach einem Start nur abspritzen und reinigen, wieder mit Treibstoff befüllen – und sie kann wieder starten."
    "Gas and go" nennt sich dieses Konzept. Bis zu hundertmal soll die erste Stufe der Falcon 9 wiederverwendbar sein. Zunächst soll die Frist zwischen zwei Starts bei einigen Wochen liegen. Doch das Fernziel seien mehrere Starts am Tag, so Elon Musk.
    "Eine Boeing 747, die von London nach Los Angeles geflogen ist, können Sie in zwei, drei Stunden überholen, so dass sie wieder starten kann. Dahin müssen wir auch mit Raketen kommen."
    NASA recycelt fast alle Bauteile
    SpaceX ist nicht die einzige Firma, die derzeit mit wiederverwendbaren Raketen experiment. Auch das Unternehmen Blue Origin hat schon mehrfach seinen New Shepard starten und aufrecht landen lassen. Fabian Eilingsfeld meint dazu:
    "Aber die Wiederverwendbarkeit bei so einer sagen wir einmal kleinen Mission, in Anführungszeichen, wenn man nur auf 100 km Höhe will, da haben Sie viel geringere thermische Belastungen als bei einer Rückkehr aus höheren Geschwindigkeiten."
    Für den Moment plant Blue Origin nur suborbitale Flüge für Experimente oder Weltraumtouristen. Höher hinaus will jedoch die US-Raumfahrtbehörde NASA mit ihrer Rakete SLS, dem Space Launch System. Fast alle Bauteile – die Motoren, Zusatzraketen und der Tank – sind aus dem Space-Shuttle-Programm recycelt. Sie werden jedoch alle nur einmal zum Einsatz kommen und dann weggeworfen. Pure Geldverschwendung, findet Eilingsfeld.
    "So ist das halt in der staatlichen Raumfahrt. Das ingenieurwissenschaftliche und das wirtschaftliche Denken, das kommt da erst sehr spät."