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re:publica
Wie viel Liebe hatte die re:publica wirklich?

Die re:publica geht zu Ende. Unter dem Motto "Love out loud" haben mehr als 1.100 Referenten drei Tage lang gesprochen über Themen aus Gesellschaft und Netz. Mehr als 8.000 Besucher waren da. Zeit für eine Bilanz.

Von Stefan Fries | 10.05.2017
    Das Logo der Republica, das mit Doppelpunkt geschrieben wird und sich re:publica liest.
    Die re:publica 2017 in Berlin findet parallel auf mehreren Bühnen statt. (Britta Pedersen / dpa-Zentralbild)
    Die Diskussion über Hass im Netz beschäftigt die re:publica-Macher schon länger. Im vergangenen Jahr gab es den Schwerpunkt "Hate it". Und als Gegensatz zur Liebe war der Begriff auch dieses Jahr trotzdem ständig präsent - auch im Aufruf von re:publica-Mitgründer Johnny Haeussler zu Beginn der Konferenz.
    Menschen auf ihren destruktiven Umgang im Netz hinweisen
    Vom Hass zur Liebe - diesen Weg gingen viele der Redner auf der re:publica. Aber statt darüber nachzudenken, woher der Hass kommt - wie im letzten Jahr - gab es diesmal konkrete Vorschläge, wie man dem Hass begegnen kann. Der Journalist und Netzphilosoph Sascha Lobo etwa hat in den vergangenen Monaten darüber nachgedacht, wie man mit Leuten umgehen kann, die destruktiv und ablehnend auftreten:
    "Ich glaube, dass es richtig ist, Menschen darauf hinzuweisen, wenn sie sexistischen oder antisemitischen oder rassistischen Dreck posten. Aber die Art und Weise, wie das geschieht, führt schon dazu, dass diese Leute sagen: Früher konnte ich das schon sagen, und heute kann ich das nicht mehr sagen, ohne in die Fresse zu bekommen. Da ist also ein Wandel in den Köpfen, und ich glaube, dass der Teil dieser Problematik ist."
    Lobo machte fünf konkrete Vorschläge, wie man mit solchen Menschen umgeht: Der Ton ihnen gegenüber sei wichtig, man müsse partiell loben, aber auch Fakten einbringen, Empathie schüren und Zweifel wecken.
    Forderung nach Regulierungen
    Die österreichische Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig hat in zwei Büchern Hass und Lügen im Netz analysiert. Sie setzt neben der persönlichen Auseinandersetzung auch auf die Verantwortung sozialer Netzwerke. Denn die bevorzugten durch ihre Algorithmen emotionale Beiträge, zeigten diese mehr Menschen an und sorgten damit für mehr Emotion. Und die stärkste und deswegen erfolgreichste Emotion sei Empörung, die zu Hass führen könne.
    Ebenso wie der grüne Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht gestern hier im Interview in mediasres fordert Brodnig mehr Regulierung auf EU-Ebene. Sie glaubt auch, dass Faktenchecks etwas bringen, wenn es darum geht, zur Sachlichkeit zurückzukehren.
    "Postfaktischen Phänomenen ist im Netz mit Fakten nicht mehr beizukommen"
    Diese Hoffnung hat der Hamburger IT-Unternehmer Christoph Kappes fast aufgegeben. Der Blogger hat mit Mitstreitern die Webseite Schmalbart ins Leben gerufen. Sie sollte der US-Propagandaseite Breitbart etwas entgegensetzen, die sich vor einigen Monaten anzuschicken schien, nach Deutschland zu expandieren und hier mit gefälschten Nachrichten und Propaganda Einfluss auf die Öffentlichkeit zu nehmen. Kappes findet, dass vielen Journalisten immer noch nicht klar ist, dass vielen postfaktischen Phänomenen im Netz nicht mehr mit Fakten beizukommen ist - etwa wenn Fotos und Videos von gequälten Katzen und brennenden Mülltonnen geteilt werden:
    "Dabei kommt es den Leuten, die das nicht teilen, nicht darauf an, dass das wahr ist, sondern das hat völlig unklaren, vielleicht fiktionalen Charakter, auf jeden Fall ist es ein Unterhaltungsmerkmal. Und das passiert zum Teil auch mit politischen Informationen. Dort werden eigentlich so meme-artige Dinge reproduziert, von denen eigentlich jeder, der sein Gehirn einschaltet, weiß, dass das als 'ne Aussage nicht brauchbar ist."
    "Es braucht andere, die für die Würde jeder einzelnen Person einstehen"
    Unklar, ob solche Leute mit Liebe noch zurückzugewinnen sind. Die Journalistin und Autorin Carolin Emcke jedenfalls will die Hoffnung nicht aufgeben. Sie forderte schon zum Auftakt der re:publica, dem Hass im Netz nicht tatenlos zuzuschauen:
    "Wer gedemütigt und verletzt wird, wer verachtet und angegriffen wird, soll sich nicht selbst wehren müssen. Es braucht andere, die einstehen für die Würde jeder einzelnen Person. Es braucht andere, die widersprechen. Die, die nicht gemeint sind, die sich aber gemeint fühlen."